Titel: Morgen ist leider auch noch ein Tag: Irgendwie hatte ich von meiner Depression mehr erwartet
Autor: Tobi Katze
Verlag: Rowohlt Taschenbuch
Erschienen: 15. September 2015
Seitenanzahl: 256
ISBN-10: 3499629275
ISBN-13: 978-3499629273
Über den Autor:
Tobi Katze, geboren 1981, schreibt Kurzgeschichten, Essays, Gedichte und Drehbücher. 2009 schloss er sein Studium der Literatur und Kulturwissenschaften ab. Seit mehr als zehn Jahren tritt er auf Poetry-Slams und Lesebühnen auf. 2007 gewann er den LesArt-Preis der jungen Literatur und 2014 den Bielefelder Kabarettpreis für sein erstes Bühnenprogramm "rocknrollmitbuchstaben". Im Januar 2014 startete er auf stern.de sein Blog "Das Gegenteil von traurig" über Leben und Arbeit mit Depressionen.
Kurzbeschreibung: (Auszug Buchrücken)
Die Depression überfällt Tobi Katze nicht plötzlich. Sie hat sich angeschlichen und unmerklich das Ruder in seinem Leben übernommen. Die meiste Zeit schließt er sich in seiner Wohnung ein und spricht lieber mit der schmutzigen Wäsche als mit seinen Freunden. Abends übertönt er die Stile in ihm mit Partys, füllt die Leere, wo Gefühle sein sollten, mit Bier und pflanzt sich ein Dauergrinsen ins Gesicht, um ja nicht den Anschein zu erwecken, etwas wäre nicht in Ordnung. Das alles ist furchtbar. Und auch wieder furchtbar komisch. Aber spricht man so über Depression? Ja, genau so!
Meine Meinung:
Wenn ich es richtig verstanden habe, leidet Tobi Katze selbst an Depressionen, so dass das Buch sicherlich sehr autobiographisch ist. Nicht alles, aber die wesentlichen Sachen wohl schon. Er beschreibt, wie sich die Tage für ihn anfühlen (und wie er z.B. eben mit der schmutzigen Wäsche spricht), wie er diese verbringt (oder eher "hinter sich bringt"), er erzählt viel über die Zeit und die Gespräche bei seinem Therapeuten und so kann ihn der Leser quasi in seiner depressiven Zeit, aber auch in etwas besseren Zeiten "begleiten". Das alles wird auf eine Art geschrieben, die vermutlich witzig sein soll.
Und da fängt für mich das Problem an - aber dazu später...
Ich habe mir dieses Buch mal gewünscht und es auch bekommen. Ich mag Bücher, die mit der menschlichen Psyche und Erkrankungen zu tun haben und vor allem "persönliche Erfahrungsberichte" lese ich gerne (und viel zu selten). Mein Favorit bis heute ist übrigens "Morgen bin ich ein Löwe" von Arnhild Lauveng (da geht es um Schizophrenie). Aber gute Bücher sind meiner Meinung nach in diesem Bereich schwer zu finden. Ich weiß nicht, wie und warum ich auf das Buch von Tobi Katze aufmerksam wurde, aber ich wollte es eben lesen, schon eine längere Zeit. Und nun habe ich es endlich getan und leider muss ich mich einigen Amazon-Rezensionen anschließen und den Titel des Buches für meine Meinung nutzen - von diesem Buch habe ich mir in der Tat mehr erwartet.
Ja, man erfährt als Leser so einiges über Depressionen, kann sein. Wenn man sich in der Vergangenheit mit der Thematik nur ein wenig auseinandergesetzt hat, dann ist da nicht viel Neues dabei, aber gut, das habe ich persönlich auch nicht erwartet. Leider ist mir aber in vielen Büchern die Depression dann immer so "klischeehaft" beschrieben - irgendwie ist der Betroffene immer überrascht, dass er diese Diagnose bekommt (die übrigens sehr viele ohnehin sozusagen "fälschlicherweise" bekommen, denn oft ist die Depression die Folge einer anderen Erkrankung oder tritt mit dieser auf und die andere Erkrankung wird erst später erkannt, aber das ist ein anderes Thema). Und er muss damit erst klar kommen, denn dass ausgerechnet er Depression hat, das hätte er nun nicht gedacht, die Umgebung eh nicht. Die Umgebung ist dann auch immer für meine Verhältnisse so klischeehaft. Ich kann das gar nicht genau erklären, irgendwie langweilt mich das einfach fast, weil es so schwarz-weiß erscheint. Die Eltern überrascht, er war doch so ein fröhliches Kind. Die Freunde schockiert, sieht man einem ja nicht an. Depressive Freunde gibt es dann auch noch, damit man ja nicht alleine ist. Irgendwie ist in solchen Büchern immer der erste Therapeut/die erste Therapeuten auch schon die richtige Ansprechperson, die dann doch direkt die Augen öffnet, zumindest ein bisschen. Okay, evtl. tue ich dem Buch unrecht, das Ende ist schon in Ordnung, da ist nichts groß Unrealistisches bei, aber irgendwie...ich weiß nicht, mir gehen die Darstellungen der Depression auch von Depressiven selbst aus irgendwelchem noch nicht ganz erkannten Grund gegen den Strich. Vielleicht weil jeder es irgendwie fast gleich beschreibt. Ich weiß es nicht...
Was mich außerdem leider etwas gestört hat und so gar nicht mein Fall war, das war der Schreibstil und der Humor. Ich war das erste Drittel ernsthaft am Überlegen, das Buch abzubrechen. Ich hätte nie gedacht, dass ich sowas sage, aber vielleicht bin ich einfach zu alt für diese Art - ich behaupte, man merkt dem Buch an, dass der Autor im Poetry Slam tätig war und teilweise war mir das zu überfrachtet mit ach so coolen Formulierungen und kreativen Beschreibungen. Ich lese aktuell ein Buch von Andreas Altmann, der auch eine besondere Art zu schreiben hat und auch da bin ich vom Stil oft überfordert, aber auf eine Weise, die mich dazu bringt, den Autor zu bewundern. Hier nicht, hier hat es mich genervt, an Slammer erinnert (ich mag oder mochte Poetry Slam, aber nicht jede Art davon) und vor allem ist es geschrieben einfach zuviel des Guten. Humorvoll? Naja, ab und zu amüsant, aber witzig geht in meinen Augen anders.
Und...ich bin wirklich nicht empfindlich, was die Sprache im Buch angeht, wenn sie zum Thema passt, aber hier war selbst mir irgendwann zuviel "Scheiße", "verf***t" usw. im Text. Vielleicht ist das Buch für Menschen zwischen 20 und 30 geeignet. Tobi Katze hat es ja 2015 geschrieben, da war 34. Ob ich damals anders hingeguckt hätte? Ich weiß es nicht.
Ich habe das Buch nicht abgebrochen, später fand ich es besser und spannender (auch wenn die Ausdrucksweise erst später härter wurde, glaube ich), aber insgesamt hat das Buch leider meine Erwartungen nicht erfüllen können.
Wer auf Poetry Slam und Sprache von "ach so junggebliebenen" steht (und am besten in einer Großstadt studiert hat, vielleicht fehlt mir ja diese Erfahrung...) und etwas über Depressionen lesen möchte, kann gerne zu dem Buch greifen. Ein Abfallprodukt ist es nicht. Aber auch kein literarischer Höhepunkt.
Von 10 Punkten würde ich vielleicht so 6 vergeben.