Rachel Givney - Das verschlossene Zimmer

  • Verlag: Lübbe

    Seitenanzahl: 544 Seiten

    Erscheinungstermin: Februar 2022


    Über die Autorin:

    Rachel Givney hat als Drehbuchautorin schon an vielen der beliebtesten australischen TV-Serien mitgewirkt. Nach längeren Aufenthalten in den USA, Großbritannien und Deutschland lebt die gebürtige Australierin heute wieder in Sydney. Für Das verschlossene Zimmer reiste Rachel Givney mehrfach für Recherchen nach Polen, von wo die Familie ihrer Mutter stammt. Derzeit arbeitet sie an einem Drehbuch und an ihrem nächsten Roman.


    Meine Meinung:


    *** Interessante Idee, in der Umsetzung noch ausbaufähig ***


    Ich habe ein Faible für historische Frauenromane; insbesondere Werke, die handlungstechnisch vor dem Hintergrund der zwei Weltkriege angesiedelt sind, faszinieren mich ungemein. Folglich war mein Interesse sofort geweckt, als ich den vielversprechenden Klappentext zu Rachel Givneys im Krakau des Jahres 1939 spielenden Roman "Das verschlossene Zimmer" las. (Neben dieser Zeitebene gibt es zudem im Jahr 1918 beginnende Rückblicke.)


    Erzählt wird in der dritten Person und abwechselnd aus mehreren Perspektiven, hauptsächlich aus Sicht der 17-jährigen Marie, die gerne Medizin studieren möchte, und ihrem Vater Dominik, einem angesehenen Arzt, der seine einzige Tochter lieber heute als morgen verheiratet sehen würde, um sie abgesichert zu wissen. Marie hingegen hat nur Augen für ihren Jugendfreund Ben, einen sympathischen Burschen, dessen einziger Makel sein jüdischer Glaube ist – denn die antisemitische Stimmung im Land heizt sich immer weiter auf und es wird gemunkelt, dass Hitlers Einmarsch bevorsteht. Ausgerechnet jetzt beginnt die bisher stets fügsame Marie zu rebellieren: Sie konvertiert heimlich zum Judentum, um Ben heiraten zu können, stellt unbequeme Fragen über den Verbleib ihrer Mutter und erkennt zunehmend, dass sie ihren allseits für seine Wohltätigkeit bekannten Vater scheinbar gänzlich falsch eingeschätzt hatte. Was ist mit ihrer Mutter geschehen? Wird Marie sie jemals wiedersehen?


    Aus einem solch bedeutungsschweren Familiengeheimnis wie einer verschwundenen Mutter lässt sich gewiss eine spannende Geschichte zaubern, sollte man meinen; das geschmackvoll gestaltete, in dunklen Farben gehaltene Cover unterstreicht den Eindruck des Mysteriösen. Insgesamt erfüllte das Werk meine Erwartungen nur bedingt.


    Der Schreibstil ist unkompliziert und flüssig, aber leider wirkte er insgesamt irgendwie farblos und lustlos auf mich. Vom Flair der Stadt Krakau spürte ich rein gar nichts, der historische Hintergrund war – abgesehen von der vorherrschenden Judenfeindlichkeit – komplett nebensächlich und auch mit Marie haderte ich; sie war für mich eine blasse Figur, die mir nicht in Erinnerung bleiben wird. Am interessantesten gestaltet fand ich ihren Vater, der schwer einzuschätzen war. Im Krankenhausalltag wurde deutlich, dass er das Herz am rechten Fleck hat und ein sehr gütiger Mensch ist – wieso ist er also strikt gegen Maries Ehe mit einem Juden? Das verrate ich an dieser Stelle natürlich nicht!


    Ein weiterer Minuspunkt waren die zahlreichen Schreibfehler; gerade bei Namen sollte man auf die korrekte Schreibweise achten [Karska ≠ Karski], alles andere führt nur zu Verwirrung.


    Zwar erschienen mir ein, zwei Passagen etwas langatmig, doch im letzten Drittel überraschte mich die Autorin mit einem kreativen Twist. Ich war so fixiert auf die Romanze des jungen Paares gewesen, auf Maries Nachforschungen sowie ihr auf Vorhaben, zum Medizinstudium zugelassen zu werden, dass ich diese Möglichkeit nie in Betracht gezogen hätte, mit der das Verschwinden von Maries Mutter erklärt wird. Realistisch und glaubwürdig ist die Story nicht, allerdings kann ich das bei einem Unterhaltungsroman hin und wieder verschmerzen.


    Mein Lieblingszitat aus dem Werk lautet: "[…] wenn ich nicht mit Liebe leben darf, dann sehe ich keinen Sinn darin, überhaupt zu leben." – Ein durchaus romantischer Gedanke, der typisch ist für die teenagerhafte Naivität der jungen Marie; so schön diese Idee in ihren Ohren klingen mag, über ihre spontane, wenig durchdachte Konversion zum Judentum zu Zeiten der Judenverfolgung habe ich nur ungläubig den Kopf schütteln können.


    Fazit: In meinen Augen ist es kein rein historischer Roman, da man von der Atmosphäre der damaligen Zeit kaum etwas spürt (abgesehen von der antisemitischen Stimmung), für eine Einstufung als Liebesgeschichte fehlt es an emotionalen Momenten. Am ehesten sehe ich das Werk noch als Familiengeschichte. Meine 3 Sterne vergebe ich für die hübsche Covergestaltung (inklusive der edlen Gesamtaufmachung mit Lesebändchen), die Grundidee und den allgemein nicht schlechten Schreibstil. Von mir gibt es eine kleine Empfehlung für Fans von Storys über Familiengeheimnisse.


    ASIN/ISBN: 3785727860


















  • Rachel Givney hat als Drehbuchautorin schon an vielen der beliebtesten australischen TV-Serien mitgewirkt. Nach längeren Aufenthalten in den USA, Großbritannien und Deutschland lebt die gebürtige Australierin heute wieder in Sydney.


    Man sieht nur, was man sehen will


    „Oh ja, die Vergangenheit kann wehtun. Aber wie ich das sehe, läuft man entweder davon oder man lernt daraus.“ ( aus Der König der Löwen)

    Krakau 1939:

    Polen steht kurz davor, von Deutschland eingenommen zu werden und alles steht auf Krieg. Unterdessen beschäftigen die 17-jährige Marie ganz andere Fragen, nämlich wer ist ihre Mutter. Warum verschwand sie und hat sich bisher nie wieder gemeldet? Ihr Vater Dominik Karski ist ein angesehener Arzt in Krakau, lässt sie jedoch seit Jahren im Ungewissen, was ihre Mutter betrifft. Selbst in seinem verschlossenen Zimmer findet sie keine Antworten. Das Medizinstudium wird ihr verwehrt, stattdessen möchte Dominik, dass sie heiratet. Für Marie kommt dafür jedoch nur einer infrage, nämlich Jugendliebe Ben Rosen. Doch der ist ausgerechnet Jude, was in diesen Zeiten nicht gerade einfach ist. Wird sich Marie durchsetzen?


    Meine Meinung:
    Das unscheinbare Cover hat für mich so gar keinen Bezug zum Inhalt. Vor allem, da Marie für das verschlossene Zimmer keinen Schlüssel hat. Die Geschichte selbst hat mich jedoch in vielerlei Hinsicht eher enttäuscht als überrascht. Der Schreibstil ist zwar flüssig und unterhaltsam, doch werden viele Handlungen begonnen und verlaufen dann im Sande. Genauso hat sie Charaktere eingeführt, bei der ich eine Wendung erwartet habe, die dann jedoch nicht stattfand. Die Handlung selbst spielt zum einen in der Gegenwart Krakaus sowie der Vergangenheit von Maries Mutter in Lemberg. Dominik präsentiert sich als vorbildlicher, fürsorglicher Vater, was ich allerdings viel zu übertrieben empfand. Nicht nur, dass er seine Tochter bekocht und sogar ein Kleid näht. Er nimmt ihr im Grunde alles ab, obwohl sie das als junge Frau durchaus alleine tun kann. Gleichzeitig traut er ihr nichts zu, nicht einmal bei ihrem Wunsch Ärztin zu werden, unterstützt er sie. Dieses Verhalten passt für mich so gar nicht in die Zeit um 1939 und ich empfinde es zu konträr. Dazu wirkt er auf mich oft gefühlskalt und distanziert. Dann jedoch rebelliert Marie, das eher naive Mädchen wird plötzlich so selbstständig, dass sie konvertiert, ohne vorher ihren Vater zu fragen. Auch dies fand ich dies total übertrieben, da Marie einerseits naiv bleibt, was die Probleme des Alltags und der Juden betrifft, dann wiederum hochintelligent daherkommt und alles schafft, was ihr im Weg steht. Gleichzeitig bekommt sie die ersten Probleme mit Juden- und Frauenfeindlichkeit zu spüren, die im Land zunehmen. In der Zwischenzeit erfährt der Leser mehr über das Geheimnis um Mutter Helena, das gegen Ende zu recht interessanter war. Dadurch hat die Autorin bei mir Pluspunkte gesammelt, weil ich Helenas Probleme und Handeln verstehen konnte. Trotzdem finde ich, dass die gesamte Geschichte Helenas total übertrieben und zum großen Teil unglaubwürdig bleibt. Sie würde meiner Ansicht nach eher in die heutige Zeit passen. Die meisten Charaktere im Buch blieben für mich weitestgehend emotionslos und wurden maßlos übertrieben. Dominik, Helena und Marie erscheinen wie Übermenschen, die alles Können und nirgendwo Schwächen haben, geschweige den zeigen. Selbst das Schießen lernt Dominik aus einem Buch und trifft bei jedem Schuss. Für mich hat sich dieses Buch immer mehr zu einer unglaubwürdigen Story entwickelt, die meiner Ansicht nach so gar nicht in die Zeit passt. Selbst ihre Recherchen, die Rachel Givney wohl extra nach Polen geführt hat, kamen für mich so gar nicht zum Tragen. So bleibt mir Krakau genauso unbedeutend in Erinnerung wie die polnische Bevölkerung, die sie hier präsentiert. Am Ende ist es sogar offen, was aus den ganzen Charakteren wird, und es schreit förmlich nach einer Fortsetzung. Von mir gibt es nur 3 von 5 Sterne für die ausgedachte Geschichte, die mich mehr enttäuscht als überrascht hat.
    :thumbup:


    ASIN/ISBN: 3785727860

    "Lebe jeden Tag so, als ob du dein ganzes Leben lang nur für diesen einen Tag gelebt hättest."

  • Was ist mit Maries Mutter?


    Das verschlossene Zimmer, historischer Roman von Rachel Givney, EBook erschienen im Lübbe-Verlag.
    Die Menschen sehen nur, was sie sehen wollen.
    Krakau 1939, ein Krieg droht. Immer schon sehnte sich Marie nach ihrer Mutter, an die sie sich nur undeutlich erinnern kann. Sie ist von ihrem Vater aufgezogen worden. Eines Tages bricht sie in das verschlossene Zimmer ihres Vaters ein und immer mehr verschärft sich der Wunsch, zu erfahren was mit ihrer Mutter geschehen ist. Ihr Vater, Dominik Karski, ist ein hervorragender Arzt und kümmert sich aufopferungsvoll um Marie. Doch als sie erwachsen wird, sehnt sie sich immer mehr nach ihrer Mutter. Bald wird Marie klar, dass ein großes Geheimnis ihre Familie betrifft.
    Das Buch ist in 19 Kapitel gegliedert. Jedes Kapitel trägt eine das Kapitel zusammenfassende Überschrift. Ort und Datum sind angegeben, das ist sehr hilfreich, denn die Erzählung umfasst zwei Zeitebenen, die schwierige Zeit nach dem ersten großen Krieg und die Zeit die die Geschehnisse 1939 in Krakau beschreibt. Der Erzählstil hat mir gut gefallen, die Sprache war flüssig und angenehm, durch die bildhafte Erzählweise hatte ich das Setting immer perfekt vor Augen. Die ausführlichen medizinischen und chemischen Erklärungen sind interessant und zeugen für eine umfassende Recherche.
    Durch das aufregende Geschehen, gleich zu Beginn des Buches, hat sich bei mir unmittelbar Lesefluss eingestellt. Viele Szenen sind so spannend erzählt, dass ich das Buch nur ungern aus der Hand legen wollte. Leider hat sich mir schon viel zu früh das Geheimnis um Maries Mutter erschlossen, sodass die Auflösung am Ende für mich nicht überraschend war. Viel mehr hat mich das Schicksal der Frauen in der Zeit nach dem ersten großen Krieg und das der Juden in Krakau so sehr betroffen gemacht. Die Figuren sind wirklich gut beschrieben und die Autorin lässt ihre Leser ganz tief in die Seele der Akteure blicken, trotzdem war mir Marie nicht sympathisch, manchmal dachte ich wie naiv sie agiert und handelt( z.B. ihr Alleingang in Lemberg). Dabei kam im Buch gut rüber wie klug sie eigentlich ist. Intelligenz kann keine Lebensklugheit ersetzen. Wie Domek das Geheimnis in all den Jahren vor seiner Tochter verbergen konnte, das zweifle ich stark an. Trotzdem war Dominik Karski für mich die beste Figur im Buch. Sein Schicksal, auch das was im Buch nicht mehr beschrieben wird hat mich sehr stark betroffen gemacht. Ben Rosen, Maries Geliebter ist eigentlich nur blass geblieben, diese Figur hätte sicher auch mehr zu bieten gehabt.
    Einige Stellen im Buch haben mich zweifeln lassen, ob Marie bei der Aufnahmeprüfung zum Studium, die ihr gestellten Aufgaben ohne Chemieunterricht so gut beantworten konnte, das glaube ich schlichtweg einfach nicht. Aus eigener Erfahrung, als Sportschützin weiß ich auch, dass Schießen diszipliniertes und fleißiges Training voraussetzt, das kann man nicht aus einem Buch, das man einmal gelesen hat lernen. An solchen Stellen im Buch habe ich schon sehr mit der Autorin gehadert. Die Fäden die ins Leere laufen z.B. die Geschichte von Daniel Blumberg lassen mich unbefriedigt zurück. Auch das Ende ist mir viel zu offen, schade.
    Am meisten haben mich jedoch die Parallelen zum aktuellen Krieg im beinahe selben Gebiet traurig gemacht. Ich habe Probleme dieses Buch zu bewerten, und entscheide mich für 6 von 10 möglichen Sternen.

  • Das Cover des Buches ist ein richtiger Eyecatcher, auch der Titel macht neugierig: „Das verschlossene Zimmer“ (der Originaltitel ‘Secrets my father kept‘ ist in meinen Augen jedoch aussagekräftiger).


    Worum geht’s?


    Krakau 1939: Die Zeichen stehen auf Sturm, der Überfall auf Polen steht kurz bevor. Die siebzehnjährige Marie Karska hat jedoch ganz andere Probleme – sie möchte gerne wissen, wer ihre Mutter war. Zwar kümmert sich ihr Vater Dominik (ein angesehener Arzt) aufopferungsvoll um den Teenager, aber manche ihrer Fragen beantwortet er einfach nicht. Also bricht Marie kurzerhand in das Schlafzimmer ihres Vaters ein. Sie macht eine unglaubliche Entdeckung & bald überschlagen sich die Ereignisse …

    Der Beginn des Romans konnte mich noch fesseln. Die Autorin bringt durch den Einsatz von zwei Zeitsträngen zu Beginn Spannung in das Geschehen. Wir erfahren auch etwas über das Leben von Helena (Maries Mutter). Meine anfängliche Faszination ließ leider schnell nach – manche Handlungsstränge verliefen im Sande, die Figuren sind nicht wirklich „rund“, sie agieren teils unlogisch und auf unglaubwürdige Art und Weise. Da Marie ihren Freund Ben heiraten will, konvertiert sie zum Judentum, ohne sich der Gefahren durch den aufziehenden Krieg überhaupt bewusst zu sein. Sie ist sehr naiv, ihr Vater Dominik hingegen ist einerseits sensibel und hilfsbereit, andererseits streng und unnahbar, dies kommt der Handlung doch sehr entgegen. Im Roman passen viele Elemente einfach nicht zusammen, dies sieht man schon an Kleinigkeiten. Auch das pacing war nicht „meins“ – nach einem rasanten Einstieg in die Geschichte wird die Erzählung arg in die Länge gezogen, um dann mit einem wahren Paukenschlag zu enden. Es soll wohl schriftstellerische Raffinesse bewiesen werden, dabei konnte mich der Roman weder inhaltlich noch handwerklich überzeugen, es gibt diverse Logiklöcher und manche Sätze der Autorin wirken (wenn man es wohlwollend betrachtet) unfreiwillig komisch. Trotz tragischer Ereignisse fehlt es an wahrem Tiefgang. Die Autorin ist jedoch ganz am Puls der (heutigen) Zeit.


    Fazit:


    Von Rachel Givneys Geschichte hatte ich mir im Vorfeld viel versprochen. Leider wurden meine Erwartungen nicht erfüllt. Schade um die Zeit!

    2 / 5 möglichen Eulen.


    ASIN/ISBN: 3785727860

    "Literatur ist die Verteidigung gegen die Angriffe des Lebens."


    "...if you don't know who I am - then maybe your best course would be to tread lightly."