'Ein Präsident verschwindet' - Seiten 095 - 178

  • Das stimmt.

    Andererseits lese ich das Buch im hier und jetzt. Bei der letzten Agatha-Christie-Leserunde bin ich ordentlich zusammengezuckt, als ich in meiner Ausgabe von 1990 über das "N-Wort" gestolpert bin. Wohlgemerkt, ich selbst habe die Ausgabe 1990 gekauft und erstmals gelesen. Damals war das noch so normal, dass ich nicht zusammengezuckt bin. Zu der Zeit, als Agatha Christie den Krimi schrieb, erst recht.

    Ähnlich mit vielen Jugendbüchern aus meiner Jugend. Bei meinen "TKKG"-Bänden aus den 80er-Jahren regt mich das Rollenklischee der Gaby heutzutage dermaßen auf, dass ich ernsthaft überlege, ob es eine gute Idee ist, diese Bücher in Bücherschränke zu stellen. Darüber habe ich gerade noch mit ein paar Freunden diskutiert.

    Mir erscheint die politische Korrektheit in Büchern ganz allgemein als eine Angelegenheit, für die es keine einfache Lösung gibt. Schon gar keine, die allen gefällt.

    Das ist beim Schreiben immer ein Punkt im Hinterkopf. Wie weit gehe ich, um die Zeit auch durch ihre Sprache erlebbar zu machen? Aber wie weit darf ich gehen, ohne Gefahr zu laufen, die HEUTIGE Leserschaft nicht mitzunehmen? :gruebel

  • In Bezug auf dieses Buch müsste man sich dann ja auch fragen, wie realitätsnah die Figur der Eva ist. Ja, es gab auch 1954 sicher ein paar Journalistinnen. In der Regel waren die aber für die Kochseiten und Kummerkästen zuständig...

    Auch ein guter Punkt. Gestern habe ich eine Folge der Serie "Agatha Christie - Mörderische Spiele" gesehen, die Anfang der 60er Jahre spielte. Darin las erstmals eine Frau die Fernsehnachrichten, und es gab darüber eine gewaltige Aufregung. Motto: Was die sich wohl demnächst noch alles anmaßen ... :nono

  • Auch ein guter Punkt. Gestern habe ich eine Folge der Serie "Agatha Christie - Mörderische Spiele" gesehen, die Anfang der 60er Jahre spielte. Darin las erstmals eine Frau die Fernsehnachrichten, und es gab darüber eine gewaltige Aufregung. Motto: Was die sich wohl demnächst noch alles anmaßen ... :nono

    Ich erinnere mich lebhaft an sehr reale Diskussionen aus den 80er-Jahren (niedersächsisches Dorf), als die Aufnahme von Frauen in die Freiwillige Feuerwehr mit dem Untergang des Abendlandes gleichgestellt wurde.

    Heute ist man(n) froh über jedes Mitglied, egal welchen Geschlechts. :rofl

  • Genau das meinte ich! Ich mag keine Bücher (gemeint sind jetzt Romane), die überholte Rollenklischees bedienen und am Ende noch idealisieren.

    Aber das kann, darf und muss jede:r für sich selbst entscheiden.

    Sicher, aber bei historischen Romanen (die als solche ernst genommen werden wollen) erwarte ich schon, dass sie auch die Denkmuster der damaligen Zeit wiedergeben. Sonst braucht man sich gar nicht mit vielen Recherchen abmühen und schreibt eben einen Fantasy-Roman, der nur im Historienkleid daherkommt.

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    Von den vielen Welten, [...] ist die Welt der Bücher die größte. (Hermann Hesse)


    :lesend U. T. Bareiss: Green Lies - Tödliche Ernte

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  • Sicher, aber bei historischen Romanen (die als solche ernst genommen werden wollen) erwarte ich schon, dass sie auch die Denkmuster der damaligen Zeit wiedergeben. Sonst braucht man sich gar nicht mit vielen Recherchen abmühen und schreibt eben einen Fantasy-Roman, der nur im Historienkleid daherkommt.

    Das ist halt die Gradwanderung in Romanen und Filmen. Wenn in früheren Zeiten die Frauen als so wahnsinnig emanzipiert dargestellt werden, taucht natürlich die Frage auf, warum sie heute nicht noch viel weiter sind. Okay, da kann man sagen, die vermeintlichen Herren der Schöpfung mauern und blockieren. Wie es ja auch tatsächlich ist. Aber im Roman bleibt es die besagte Gradwanderung. :gruebel

  • Das ist halt die Gradwanderung in Romanen und Filmen. Wenn in früheren Zeiten die Frauen als so wahnsinnig emanzipiert dargestellt werden, taucht natürlich die Frage auf, warum sie heute nicht noch viel weiter sind. Okay, da kann man sagen, die vermeintlichen Herren der Schöpfung mauern und blockieren. Wie es ja auch tatsächlich ist. Aber im Roman bleibt es die besagte Gradwanderung. :gruebel

    Ich stelle mir diese Gratwanderung auch schwierig vor ;)

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    Von den vielen Welten, [...] ist die Welt der Bücher die größte. (Hermann Hesse)


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  • Ein Glück hat Wesler bis jetzt die Verletzung gut weggesteckt, um den wäre es schade. Und Sattler mausert sich auch, der wird mir immer sympathischer, trotz der Vergangenheit.

    Mir auch. Die Entwicklung dieses dienstlichen Verhältnisses ist gut beschrieben. Ich kann mir vorstellen, dass viele Menschen nach dem Krieg gerade in dienstlichen Verhältnissen sehr vorsichtig miteinander umgegangen sind. Wem kann man trauen, wem nicht? Aber irgendwie musste es ja auch weitergehen. Das kommt in der Figur Sattler sehr gut rüber.


    Was Eva betrifft wird es auch immer komplizierter. Lebt ihr Vater tatsächlich noch? Wird sie mit ihm erpresst, so nach dem Motto, sie hilft John in den Osten zu schaffen und der Vater kommt frei? Wobei wir sind ja im Jahr 54, da waren die Kriegsgefangenen doch eigentlich dank Adenauer alle wieder daheim?

    Mein Opa kam auch erst im Herbst 1954 aus Russland zurück, zur Überraschung aller. Das kann also durchaus sein, dass Evas Vater noch lebt. Es kann auch sein, dass er sich im Osten ein neues Leben aufgebaut hat. Das hat man meinem Großvater auch angeboten.

    Wir kennen Eva ja auch noch gar nicht gut und wissen nur wenig über sie. Durch Philipps Augen, dessen Blick ja etwas getrübt ist, ist sie keine Mörderin. Aber eine Spionagetätigkeit traue ich ihr durchaus zu. Obwohl ich die Arbeit für eine linke Zeitung keine gute Tarnung fände.

    Die eigentliche Geschichte aber bleibt unerzählt, denn ihre wahre Sprache könnte nur die Sprachlosigkeit sein. Natascha Wodin

  • Wir kennen Eva ja auch noch gar nicht gut und wissen nur wenig über sie. Durch Philipps Augen, dessen Blick ja etwas getrübt ist, ist sie keine Mörderin. Aber eine Spionagetätigkeit traue ich ihr durchaus zu. Obwohl ich die Arbeit für eine linke Zeitung keine gute Tarnung fände.

    Wenn das aber jeder denkt, wäre es als Tarnung doch wieder sehr geschickt ...8)

  • Ja, sieht ganz nach einem Motiv für Eva aus. Warum sie allerdings Philipp angelogen hat, erschließt sich mir noch nicht.

    :gruebel Ich habe eher den Eindruck, die beiden hatten noch nicht wirklich viel Zeit, sich wirklich kennenzulernen. Philipp hat sich ja so ein wenig schockverliebt. Dann überschlugen sich die Ereignisse im letzten Band, die Liebe war ja noch sehr frisch. Eva musste ja auch erst einmal von den Tabletten runter...

    Ich will die beiden einfach noch nicht aufgeben. Wahrscheinlich hätte Eva Philipp eingeweiht, wenn die zwei Zeit gehabt hätten, sich wirklich kennenzulernen. Ich denke auch, dass Philipp ihr auch nicht alles über sich erzählt hat. Das ist doch auch normal, am Anfang einer Beziehung. Das baut sich ja erst auf.

    Die eigentliche Geschichte aber bleibt unerzählt, denn ihre wahre Sprache könnte nur die Sprachlosigkeit sein. Natascha Wodin

  • Es geht spannend weiter in diesem Abschnitt. Was mich ein wenig nervt, ist die ständige Übermüdung unseres Helden. Irgendwann muss er doch auch einfach mal schlafen - und sei es aus purer Erschöpfung.

    Naja, das stimmt irgendwie. Allerdings muss er ja irgendwie nachts aus dem Hotel rau, sonst käme ja keine Verbrecherjagd während der Dunkelheit zustande. Außerdem kann ich mir vorstellen, dass er so unter Adrenalin ist, dass er gar keinen tiefen Schlaf findet. Er hat ja das Gefühl, Eva schon mehrfach begegnet zu sein. Wir wissen ja auch, dass sie sich ein schon knapp verpasst haben. Ich denke, sein Motor ist, dass er sie unbedingt finden will, bevor die anderen dies tun.

    Die eigentliche Geschichte aber bleibt unerzählt, denn ihre wahre Sprache könnte nur die Sprachlosigkeit sein. Natascha Wodin

  • Mittlerweile muß ich mich auch zurückhalten, nicht schnell weiterzulesen und die Abnschitte zu überspringen, weil es gerade hochspannend ist. :grin


    Daß Eva das mit ihrem Vater nicht erwähnt hat, mag auch einfach Vorsicht gewesen sein. Wer weiß, wer sie unter Druck gesetzt hat, nicht darüber zu reden.

    Vielleicht hatte sie ja durch ihren Chef eine Vermittlung gen Osten - irgendeinen Grund muß es ja geben, weshalb Walter den so gejagt hat und unbedingt mehr über die Operation Feigenblatt wissen wollte.

    Vielleicht hat diese Operation ja etwas mit den Verhandlungen über Kriegsgefange zu tun?



    Ich freu mich übrigens sehr über die Berlin Karte vorne im Buch.

    Ein Fan von Karten bin ich ja sowieso und liebe es, dort die Wege der Protagonisten zu verfolgen.