'Ein Präsident verschwindet' - Seiten 271 - Ende

  • Ein wenig enttäuscht war ich vom letzten Kapitel. Da hätte ich mir lieber ein ausführliches Interview mit Eva und Otto John gewünscht, wo er seine Erlebnisse im Osten und seine Einstellung zu seinem Hin- und Herwechseln deutlich macht. Zeitlich vielleicht nach seiner Anklage oder Gerichtsverhandlung oder Verurteilung.

    Diesen Versuch, ihn von seinem Wechsel in die BRD abzuhalten, kam mir eher unglaubwürdig vor. Da war auch zu wenig Zeit, um ihm Gelegenheit zu geben, seine Gründe darzulegen.

    Selbst wenn Otto John sich ausführlich erklärt hätte, es wäre nur seine subjektive Sicht gewesen. Sind andere LeserInnen auch der Meinung, seine Motivation sei nicht richtig herausgekommen? Ich fand es richtig, ihn im Nebulösen zu lassen, weil wir die ganze objektive Warheit niemals erfahren haben. Ich vermute auch, dass sich in seiner Selbstwahrnehmung vieles erst im Nachhinein zusammengefunden hat. Eine Art Rechtfertigung nach außen, aber eben auch vor sich selbst.

  • Als Autor bitte ich um kreative Alternativvorschläge für solche Beichten. Es bei den Mutmaßungen seitens des Helden belassen??? :gruebel

    Bloß nicht. Und bitte auch keine Schlussszene, in der der Ermittler à la Hercule Poirot allen im Salon versammelten Beteiligten bis ins Kleinste darlegt, was warum wo passiert ist.

    Bei Agatha Christie hat das noch einen gewissen antiken Charme, bei Death in Paradise ist das schon völlig daneben :lache


    Da sind solche Szenen einfach das kleinere Übel, wenn auch nicht besonders realistisch. Aber ich möchte mit einem Krimi auch unterhalten werden und keine Tatsachen-Dokumentation lesen :)

  • Oder wenn der Bond-Schurke erklärt, warum und wie er gleich die Menschheit auslöschen wird. Ja, ich weiß, das ist immer ein bisschen große Oper. Als Autor bitte ich um kreative Alternativvorschläge für solche Beichten. Es bei den Mutmaßungen seitens des Helden belassen??? :gruebel

    Nein, ich würde ihm einfach ein Kapitel gönnen, wo seine Geschichte erzählt wird, und dann genügt im Showdown wie bei Katya ein Wort um den Leser daran zu erinnern.

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    Von den vielen Welten, [...] ist die Welt der Bücher die größte. (Hermann Hesse)


    :lesend U. T. Bareiss: Green Lies - Tödliche Ernte

  • Sind andere LeserInnen auch der Meinung, seine Motivation sei nicht richtig herausgekommen? Ich fand es richtig, ihn im Nebulösen zu lassen, weil wir die ganze objektive Warheit niemals erfahren haben. Ich vermute auch, dass sich in seiner Selbstwahrnehmung vieles erst im Nachhinein zusammengefunden hat. Eine Art Rechtfertigung nach außen, aber eben auch vor sich selbst.

    Da ich ja den Wikipedia-Artikel vor dem Buch gelesen hatte, war das für mich die einzig logische Erklärung, mit der ich auch gut leben kann.

    Der Fall ist nicht bis ins Detail an aufgeklärt und jetzt ist auch nicht mehr wirklich damit zu rechnen.

    Was ich mir gewünscht hätte, aber das passte zeitlich nicht in die Geschichte, wäre eine Auseinandersetzung mit dem Prozess gewesen. Ganz von der Hand zu weisen sind Otto Johns Argumente nicht: verurteilt von ehemaligen Nazi-Richtern, die ihn schon wegen seiner Teilnahme am Hitler-Attentat als Verräter ansahen.


    Vielleicht kannst du daraus ja noch einen Fall machen. :groehl

  • Für mich war das Handeln Johns durchaus nachvollziehbar, wenn auch erstaunlich naiv. Er sollte doch eigentlich gewusst haben, dass man schnell zum Verräter wird, auch wenn man es nicht will. Auf mich machte das so ein bisschen den Eindruck, als wollte er da sagen "ich kann doch nichts dafür, die anderen sind schuld"

  • Da ich ja den Wikipedia-Artikel vor dem Buch gelesen hatte, war das für mich die einzig logische Erklärung, mit der ich auch gut leben kann.

    Der Fall ist nicht bis ins Detail an aufgeklärt und jetzt ist auch nicht mehr wirklich damit zu rechnen.

    Was ich mir gewünscht hätte, aber das passte zeitlich nicht in die Geschichte, wäre eine Auseinandersetzung mit dem Prozess gewesen. Ganz von der Hand zu weisen sind Otto Johns Argumente nicht: verurteilt von ehemaligen Nazi-Richtern, die ihn schon wegen seiner Teilnahme am Hitler-Attentat als Verräter ansahen.


    Vielleicht kannst du daraus ja noch einen Fall machen. :groehl

    Also den Philipp-Gerber-Roman "Ein Präsident verteidigt sich"? :[

  • Für mich war das Handeln Johns durchaus nachvollziehbar, wenn auch erstaunlich naiv. Er sollte doch eigentlich gewusst haben, dass man schnell zum Verräter wird, auch wenn man es nicht will. Auf mich machte das so ein bisschen den Eindruck, als wollte er da sagen "ich kann doch nichts dafür, die anderen sind schuld"

    Obwohl Otto John zweifellos ein kluger, gebildeter, weltgewandter Mann war, legte er eine politische Naivität an den Tag, die ich irgendwo zwischen rührend und erschütternd ansiedeln würde.

  • Ich dachte beim Lesen auch oft, wie kann der denn jetzt so doof sein?! :lache

    Tagesaktuell dachte ich das heute morgen beim Lesen der Zeitung über Gerhard Schröder. Wenn er mit seiner dubiosen Reise nach Moskau Erfolg hat, steht er als Retter der Welt da. Aber wie hoch ist die Wahrscheinlichkeit? :/


    Geschichte wiederholt sich, fällt mir dazu ein.

  • Schröder hat allerdings von Putin wohl nix zu befürchten und versucht einfach den einen oder anderen gut bezahlten Posten in Russland zu retten.

    Bei Otto John hatte ich schon das Gefühl, dass es ihm nicht um den eigenen Vorteil ging, sondern das er wirklich dachte was bewegen zu können.

  • Schröder hat allerdings von Putin wohl nix zu befürchten und versucht einfach den einen oder anderen gut bezahlten Posten in Russland zu retten.

    Bei Otto John hatte ich schon das Gefühl, dass es ihm nicht um den eigenen Vorteil ging, sondern das er wirklich dachte was bewegen zu können.

    Ich glaube kaum, dass es John um den eigenen Vorteil ging. Er war ein Idealist, wie schon im Widerstand gegen Hitler, und als Präsident des Bundesamtes für Verfassungsschutz war er leider eine Fehlbesetzung. Er war jemand, der davon träumte, die Menschen mit den Ideen, die er für gut hielt, zu begeistern. Einen Posten in der internationalen Jugendarbeit zum Beispiel wäre das Ideale für ihn gewesen. Fast möchte ich ihn - ohne seine eigene Verantwortung für sein Handeln zu leugnen, allerdings - als Opfer der Umstände ansehen, die ich auf sein Amt beim Verfassungsschutz gehievt haben. So unsympathisch mir Reinhard Gehlen ist, als Geheimdienstchef war er besser geeignet.

  • Ich denke eher, er versucht gleichzeitig die Welt und seine Posten zu retten.


    Und so abgedreht, wie sich Putin jetzt benimmt, bin ich mir auch nicht hundertprozentig sicher, dass ein politisch prominenter Deutscher in diesen Tagen in Moskau nichts zu befürchten hat. :(

    Auch mir ging schon der Gedanke durch den Kopf, dass jemand, der sich so nah an den Massenmörder und Kriegsverbrecher Putin heranwagt, sich nicht einfach von ihm abwenden kann, ohne das Schlimmste zu befürchten.

  • So ich bin auch bereits seit Mittwoch durcch und habe leider über den Abschnitt davor hiweggelesen ohne einen Kommentar abzugeben. Sorry :(


    Dafür hat mir das Buch eine schlaflose Nacht bereitet, denn ich wollte dann doch endlich wissen wie es ausgeht. Ich fand es gut, ich mag wirklich den Schreibstil, denn vom Thema her würde ich nicht unbedingt nach diesem oder auch dem Vorgänger greifen. Ich bin aber sehr froh das ich es getan habe !

    Mir sagte der Name John bis zu diesem Buch auch nichts, aber ich bin durchaus mit den Gegebenheiten des Ostens bekannt. Mein Vater ist vor dem Mauerbau nach West-Berlin gegangen, so konnte er nach dem Bau noch seine Familie besuchen. Bei noch 11 lebenden Geschwistern ist die etwas größer ausgefallen :chen. Für mich stellte sich John auch sehr naiv dar, ich glaube er hat mit den besten Absichten gehandelt, aber ist naiv ins Messer gelaufen.


    Ich freue mich auch schon auf Band 3 und finde es wirklich toll so noch etwas über die deutsche Geschichte zu lernen. In der Schule haben wir gar nichts darbüber gelernt, als Schulkind der 80er bestand unser Geschichtsunterricht (wenn wir denn mal welchen hatten) lediglich aus dem Nationalsozialismus, danach gab es keine deutsche Geschichte mehr :alter.

  • Für mich stellte sich John auch sehr naiv dar, ich glaube er hat mit den besten Absichten gehandelt, aber ist naiv ins Messer gelaufen.

    Genauso sehe ich das auch.


    Ich freue mich auch schon auf Band 3 und finde es wirklich toll so noch etwas über die deutsche Geschichte zu lernen. In der Schule haben wir gar nichts darbüber gelernt, als Schulkind der 80er bestand unser Geschichtsunterricht (wenn wir denn mal welchen hatten) lediglich aus dem Nationalsozialismus, danach gab es keine deutsche Geschichte mehr :alter.

    Das war bei uns in der Schule ähnlich. Ich schreibe auch deshalb so gern historisch verankerte Romane, weil ich mich da im Selbststudium mit Zeiten beschäftigen kann, die mich interessieren. Band 3 ist in Arbeit, und auch hier freue ich mich wieder über alles, was ich so ausbuddele. Schade, dass nicht alles Eingang in den Roman finden kann. :wave

  • Gehlen ist ja wirklich ein fieser Kerl. Gut, das war mir schon vorher bewusst, ich habe ihn immer als egoistischen Menschen wahrgenommen, dem es egal war, wer ihn bezahlt...


    Dass er Katya erschiesst war ja fast klar, sie war ja schliesslich eine Zeugin und hätte aussagen können, was geplant war. Dass Gerber und Sattler das nicht an die große Glocke hängen würden war ihm wohl bewusst.

    Er ist ja schon in mehreren Büchern, die ich gelesen habe aufgetaucht und ich kann die Amerikaner wirklich nicht verstehen, wie man so einen zum Chef des Nachrichtendienstes machen kann. Aber sie hatten mehr Angst vor dem Kommunismus als vor ehemaligen, und in ihrer Gesinnung immer noch so denkenden, Nazis.

    Auch war er ja nicht der Einzige Nazi, der zu der Zeit wieder in höhere Ämter kam.


    Mir ging der Schluss fast zu schnell, vielleicht habe ich aber auch zu bruchstückhaft gelesen, dass mir das eine oder andere wichtige Detail entgangen ist. Bin immer drüber eingeschlafen, egal ob tagsüber oder nachts. Was aber nicht am Buch liegt, keinesfalls. Irgendwie muss ja das Ende kommen, aber etwas unbefriedigend bleibt das schon. Hätte Gerber nicht verhindern können, dass Katya erschossen wird? Ich finde, er agiert etwas unbesonnen. Wägt die Risiken nicht genug ab. Im Kopf hat er doch nur Eva und wie er sie unbeschadet aus der Sache heraus bekommt.

  • Obwohl Otto John zweifellos ein kluger, gebildeter, weltgewandter Mann war, legte er eine politische Naivität an den Tag, die ich irgendwo zwischen rührend und erschütternd ansiedeln würde.

    John war ein Idealist und ziemlich blauäugig, was die neu gegründete DDR betrifft. Aber in der hat nicht nur er sich getäuscht. Ich kann ihm das nicht vorwerfen, eigentlich schade, dass er so enden musste.

  • Hätte Gerber nicht verhindern können, dass Katya erschossen wird? Ich finde, er agiert etwas unbesonnen. Wägt die Risiken nicht genug ab. Im Kopf hat er doch nur Eva und wie er sie unbeschadet aus der Sache heraus bekommt.

    Ich habe die Szene gerade noch einmal gelesen und sehe da für Gerber keine Möglichkeit, Katya zu retten. Wäre es ihm gelungen, hätte in Westdeutschland wohl das Zuchthaus auf sie gewartet (Spionage, versuchte Freiheitsberaubung bezüglich Gehlen, Beteiligung an Gerbers Entführung nach Ost-Berlin). :rolleyes:

  • Finde ich toll, dass Du unsere Beiträge so ernst nimmst.


    Das mit dem leichtsinnig agieren habe ich auf alle Aktionen bezogen, nicht nur auf die, bei der Katya ums Leben kam.

    Vielleicht hätte sie aber das Zuchthaus dem Tod vorgezogen, so hätte sie vielleicht die Chance gehabt, doch noch ihren Sohn zu finden.