Matt Haig - Der fürsorgliche Mr Cave / The Possession of Mr Cave

  • :bruell Tochter und Oma von allem freigesprochen, Vater als Tyrann hingestellt

    Klappentext:

    Nach dem tragischen Tod seines Sohnes Reuben scheint es dem Antiquitätenhändler Terence Cave endgültig, als sei seine Liebe verflucht: Seine Mutter hat den Freitod gewählt, seine Frau starb als Mordopfer. Einzig Reubens Zwillingsschwester Bryony ist noch übrig - und Terence schwört sich, seine wunderschöne Tochter mit all seiner Kraft vor den Gefahren dieser Welt zu schützen. Koste es, was es wolle. Doch die 15-Jährige fühlt sich von ihrem überfürsorglichen Vater mehr und mehr wie in einen Käfig gesperrt, der ihr die Luft zum Atmen nimmt. Als Terences Regeln immer strenger werden, bahnt sich eine Katastrophe an.


    Autor:

    Matt Haig, 1975 in Sheffield geboren, wurde für seine Romane und Kinderbücher bereits mit verschiedenen literarischen Preisen ausgezeichnet. Sein Werk wird in über 30 Sprachen übersetzt. In Deutschland erlangte er mit den Bestsellern "Ich und die Menschen" und "Ziemlich gute Gründe, am Leben zu bleiben" Bekanntheit. Zuletzt erschien "Die Mitternachtsbibliothek".


    Übersetzerin:

    Sabine Hübner


    Sprecher:

    Mark Waschke gelang sein Durchbruch mit der Darstellung des Thomas Buddenbrook in Heinrich Breloers Literaturverfilmung "Buddenbrooks". Seitdem ist er einer der vielfältigsten und einprägsamsten Darsteller der deutschen Film- und Theaterlandschaft. Neben Meret Becker ermittelt er seit 2015 im Berliner "Tatort". Seine markante Tenor-Stimme setzt er auch als Hörbuchsprecher ein.



    Bewertung
    :

    Das Cover ist wunderbar, der Titel passt auch sehr gut zum Klappentext und zur Geschichte. Der Klappentext hat mich hier besonders angezogen, da er mich persönlich anspricht. Hier kommt deutlich die psychologische Seite in den Vordergrund.


    Wo fange ich an ... Terence ist Vater von zwei Kindern. Sein Sohn Reuben stirbt bei einem Unfall. Terence versucht, sein einziges Kind, Bryony, zu beschützen. Daneben gibt es noch die Oma, die Mutter seiner Frau.


    Wie ist die Lage? Terence hat es mit allen Personen sehr schwer. Er sieht Reuben immer wieder, wird sogar zu ihm, erlebt Momente durch seinen Geist. In Filmen lässt sich das besser darstellen, aber der Autor und der Sprecher haben das recht gut und verständlich hinbekommen. Mit der Zeit merkt Terence durch Reubens Anwesenheit, wie sehr er ihn vernachlässigt und dafür umso mehr Bryony bevorteilt hat. Das macht ihm scher zu schaffen.


    Das Verhältnis zu Bryony ist seit dem Tod von Reuben sehr angespannt. Und das ist offensichtlich überwiegend Bryony geschuldet. Was macht sie? Sie lügt ihren Vater nur an, sogar ihre Oma. Sie treibt ihn in diese Sorgenspirale, aus dem er kaum noch herauskommt. Er ist nur noch besorgt um sie. Sie verrät ihm entweder gar nicht, wo sie hingeht oder gibt falsche Angaben, und begibt sich auch in Gefahr. Es ist nicht so, dass sie einfach mit einer Freundin einkaufen geht. Nein, sie geht auf Partys, auf denen getrunken wird. Und dann regt sie sich auf, dass ihr Vater sie suchen kommt und ihr ein Theater macht. Ich bin einfach nur wütend! Ihre Oma spielt dieses Spiel auch noch mit. Sie deckt Bryony und verteidigt ihr Verhalten sogar!! Wie verantwortungslos muss man sein?? Sie sagt Terence ständig, er solle Bryony nicht einengen und ihr mehr Freiheiten geben. Wo bin ich eigentlich hier? Bryony hat alle Freiheiten der Welt und was macht sie daraus? Sie lügt nur! Dieses Verhalten treibt Terence dazu, sich immer nur Sorgen zu machen, weil er ja weiß, dass sie nie die Wahrheit sagt. Und irgendwann spioniert er ihr nach, also läuft hinter sie her, um zu erfahren, wo sie wirklich hingeht. Also, wenn das psychotisch sein soll, dann bin ich Alexander der Große!!!


    Man bedenke bitte auch, dass sie erst 14, später 15 Jahre alt ist. Und ihr Vater möchte nur wissen, wohin sie geht, wenn sie weggeht. Das ist das Normalste auf der Welt und muss auch so sein. Einerseits ärgern wir uns alle, wenn Eltern nicht ihre elterlichen Pflichten wahrnehmen, auf der anderen Seite ärgern wir uns genau darüber. Wieso schreibe ich das? Weil ich mich gerade derbe über die meisten Rezensionen hierzu aufrege! Da wird der Vater als krank, sogar als Psychopath beschrieben, obwohl er völlig gesund auf diese Situationen reagiert. Wenn meine Tochter sich so verhalten würde, würde ich ihr auch nicht mehr vertrauen können, welcher Elternteil würde das dann?? Über Bryony's blödes Verhalten und das der Oma wird kein bisschen verurteilendes Fazit gezogen.


    Es gibt hin und wieder Werke, bei denen die Rezensionen mich erschüttern und aufregen. Das ist so ein Werk. Ich kann diese reflexionsfreie Bewertungen einfach nicht nachvollziehen. Man muss kein Psychologe sein, um diese Verhaltensweisen zu verstehen. Natürlich gibt es immer Menschen, die bestimmte Verhaltensweisen nicht verstehen, aber hier scheint kaum ein Leser das Ganze zu verstehen. Ich fühle mich wie im falschen Film. Und ich meine das nicht als Angriff auf die Leser! Das ist einfach meine Sichtweise.


    Eine Leserin fragt explizit: Was will mir der Autor eigentlich sagen? Solche Fragen sind sehr wichtig, um das Gelesene auch zu reflektieren. Ich weiß nicht, was der Autor sich bei dieser Geschichte gedacht hat, kann es mir aber sehr gut vorstellen. Ich denke, er möchte speziell so einen Fall, den es ja weit mehr als einmal auf der Welt gibt, mal vorzeigen. Vor allem das Psychologische daran hat er sehr deutlich gemacht. Er zeigt uns, welche Kettenreaktionen ausgelöst werden, die Folgen, die aus jeder entsteht. Das zeigt er wirklich ausführlich. Terence Sorgen weiten sich von Gedanken zu Taten aus und diese Taten werden immer extremer, je länger die Situation so bleibt, wie sie ist. Wenn Bryony in einem Moment mal wirklich ehrlich zu ihm wäre, dann hätte das natürlich auch einen Effekt auf ihn und die Sorgen. Aber so treibt sie die Spirale immer weiter an, bis der Automatismus bildet und es kein zurück mehr gibt. Irgendwann kann man nicht mehr stoppen und es läuft eigenständig. Die Kipppunkte fallen.


    Was mir sehr gut gefällt, ist die Erzählweise. Terence erzählt die Geschichte an Bryony. Wie eine Art Brief. Hier ist der Nachteil, dass nur seine Version zu hören ist. Ich erfahre nichts über die Beweggründe von Bryony und der Oma. Angesichts dieses verantwortungslosen und ärgerlichem Verhalten wäre das umso wichtiger. Das bleibt also total im Dunkeln und meine Wut somit bei mir. Eine kurzer Rückbrief von Bryony wäre schön gewesen, um ihr Verhalten verstehen zu können. Terence berichtet am Ende auch nichts darüber. Das Ende ist etwas überraschend und offen, aber nicht überraschend, weil das untypisch für den Verlauf ist, sondern eher, dass es so offen endet. Bei dem, was er durchmachen muss, ist es kein Wunder, dass sein Verstand irgendwann durchdreht. Allerdings tun die meisten Leser so, als wäre er der Einzige, der Hilfe braucht und blenden Bryony total aus. Dabei braucht sie ebenfalls Hilfe. Als ob es normal wäre, sich so zu verhalten.


    Der Sprecher hat gut gepasst, allerdings brauchte ich etwas Zeit, um mich an ihn zu gewöhnen. Ich kann nicht erklären, wieso. Seine Stimme ist nicht abstoßend. Wie bereits geschildert, kann der Sprecher Terence Lage gut darstellen, vor allem leistungsstark sind die Reuben-Szenen.



    Fazit:

    Leider ist das Hörbuch gekürzt, was echt nervig ist und unverständlich! Mich lassen aber vor allem die Leser mit Schrecken und Unverständnis zurück. Ich könnte noch so viel dazu schreiben, aber das hilft mir nicht. Mir scheint, dass nur die Menschen Konsequenzen ihres Verhaltens tragen sollen, die wir bestimmen. Hoch leben die menschlichen Launen! Bryony und ihre Oma erregen so viel Wut in mir, dass ich sie nicht loswerden kann, da ihr Verhalten gar nicht reflektiert wird und ich mit meiner Wut zurückgelassen werde. Ich weiß auch nicht ganz, wie ich die Charaktere bewerten soll. Einerseits hat der Autor sie realistisch dargestellt, andererseits sind sie unglaublich unreflektiert und nervenaufreibend. Dasselbe Problem habe ich mit der Atmosphäre. Unglaublich lebendig und realistisch, aber auch furchtbar bedrückend. Mir tut Terence derart leid, ich würde ihn gerne an mich drücken.


    Ich bedanke herzlich beim Verlag für den Hördownload!


    COVER/TITEL/AUFMACHUNG/MATERIAL ⭐⭐⭐⭐⭐

    AUSGABEN-FORMAT (REIHEN-/EINZEL-/HÖR-/LESEFORMAT/LÄNGE) ⭐⭐⭐

    GENRE (VOM VERLAG GESETZT) ⭐⭐⭐⭐⭐

    VERLAGSPREIS (ZU TEUER/ANGEMESSEN/GÜNSTIG) ⭐⭐⭐⭐

    GRUNDIDEE/THEMA ⭐⭐⭐⭐⭐

    ATMOSPHÄRE/SETTING ⭐⭐⭐⭐

    ERZÄHLSTIL ⭐⭐⭐⭐

    HANDLUNG/VERLAUF ⭐⭐⭐⭐

    CHARAKTERE ⭐⭐⭐

    SPRECHER ⭐⭐⭐⭐


    Rezension am 18. Februar 2022 geschrieben, Veröffentlichung erst am 23. Februar 2022 erlaubt! Beim Buch gab es keine Sperrfrist, Verlag hat nicht geantwortet.


    :lesend In Büchern zu lesen bedeutet zu träumen :lesend

    :freundschaftLesen & lesen lassen:freundschaft


    :hierlangReich bestückte Scheichin mit einem exklusiv vielseiteigen Harem :crazy

  • Zuerst hatte ich unheimliches Mitleid mit der Figur des Mr.Cave, dem so viel Schreckliches widerfahren ist. Und ich konnte die Sorge um seine Tochter auch bis zu einem gewissen Punkt nachvollziehen. Aber irgendwann kippte es und ich habe eine totale Abneigung gegen diese Figur entwickelt. Ich war kurz davor, das Buch abzubrechen, denn seine Art Bryony zu beschützen ist so erdrückend, dass es selbst mich durch die Seiten hindurch einengte. Seine Gedankengänge und Handlungen laufen völlig aus dem Ruder. Und es ist auch häufig nicht einfach seinen oft sehr abschweifenden Gedankengängen auch zu folgen. Welche Empfindungen gehören zu ihm und welche entspringen seinen Wahnvorstellungen? Diese teils langen Monologe empfand ich mit der Zeit zunehmend langweiliger und sehr zäh.


    Matt Haig ist ein von mir sehr geschätzter Autor, deshalb fällt es mir umso schwerer eine wirklich eindeutige Meinung zu dem Buch zu haben. Und eigentlich finde ich es auch großartig, wenn ein Autor bei mir solche Emotionen (positive wie negative) wecken kann. Psychologisch gesehen ist es ein sehr interessantes Buch, das den Leser wirklich Tief in die Psyche eines Menschen im seelischen Ausnahmezustand blicken lässt. Gleichzeitig empfinde ich die Zuspitzung der Situation bis zum Geschehen am Ende als zutiefst verstörend. Ein Buch, das ich zu Beginn noch gerne gelesen habe, das mich aber im weiteren Verlauf regelrecht von sich weggestoßen hat.