Die tausend Tage der Anna Michailowna - Helen Dunmore

  • Heute muß ich euch ein Buch vorstellen, dass sich irgendwie nicht so richtig in eine Sparte einschieben läßt. Da die Erzählung des Kriegsalltags (und nicht der Kämpfe) im Vordergrund steht und diese Zeit ja noch nicht allzu lang zurückliegt, finde ich, dass es hier am besten hereinpasst.


    Kurzbeschreibung
    Die Geschichte spielt in Leningrad 1941: die Stadt ist von den Deutschen belagert oder besser umstellt, und der Winter kommt unaufhaltsam näher, und es ist klar, dass unglaublich viele Menschen an Hunger und Kälte sterben werden. In dieser Stadt lebt Anna zusammen mit ihrem Vater und ihrem Bruder Kolja, die sie krampfhaft durch die eisige Jahreszeit zu bringen versucht. Zur Seite stehen ihr dabei Marina, eine Jugendfreundin des Vaters, und schließlich auch Andrej, der eine Liebesbeziehung mit Anna beginnt.


    Über die Autorin:
    Helen Dunmore wurde 1952 in Yorkshire geboren und ist in England mit ihren Werken sehr renommiert. Sie studierte Englisch und unterrichtete 2 Jahre lang in Finnland. Heute schreibt sie Romane und Kritiken und Rezensionen in Times und Observer.


    Meine Meinung:
    Ein unglaubliches Buch! Helen Dunmore hat mich durch ihre tolle Sprache von der ersten Seite an in ihren Bann gezogen, ich hatte überhaupt keine Schwierigeiten, mich in die Geschichte einzufinden. Sie schildert die Alltagssorgen der Menschen in Kriegszeiten, die Kälte und den Hunger, so bedrückend und doch so "lebhaft" anhand der Handlungen und der Willenskraft von Anna, sodass zwar eine wahnsinnige Beklemmung bei mir aufgekommen ist. Die Schilderung des Alltags ersetzt die Kriegsschauplätze vollkommen, es wird keine einzige Schlacht geschildert. Und gerade dadurch wirkt die Geschichte - sie hat einfach einen anderen Blickwinkel als viele andere Kriegserzählungen.
    Die Geschichte zwischen Andrej und Anna hebt sich für mich stark vom Hintergrund der Kriegsgeschehnisse ab. Denn obwohl sie mitten drin im Krieg stecken, erscheint diese Liebesbeziehung irgendwie sehr zart und steht niemals im Vordergrund (wodurch auch nie ein kitschiges Element in der Story vorkommt).
    Das Buch liest sich so flüssig dahin und geht so nah, dass ich es kaum aus der Hand legen konnte. Auch schildert Dunmore die Personen so genau, dass man mit ihnen mitlebt und ihre Handlungen nachvollziehen kann.
    Fazit: beklemmend, unglaublich geschrieben und sehr flüssig zu lesen, nie kitschig (auch wenn man das dem Klappentext nach vermuten könnte), es bringt den Alltag in Kriegszeiten nicht nur gut auf den Punkt, sondern zeigt die erschütternden Erlebnisse anhand viele alltäglicher Begebenheiten gut auf.
    Ich würde es auf alle Fälle weiterempfehlen


    Ach ja: es ist übrigens seit Anfang September als TB erhältlich!

  • Mir hat das Buch auch recht gut gefallen! Ohne blutrünstige, gewaltsame Schilderungen, ohne deftige Ausdrücke gelingt es dieser Schriftstellerin eine Betroffenheit und Erschütterung zu erzeugen, dass man am liebsten davonlaufen würde. Die Kriegsgreuel sind allgegenwärtig, der Vormarsch der Deutschen, die langsame Einkesselung der Stadt, die abbrechende Versorgung mit Lebensmittel, die Kälte und der Hunger.


    Die Beschreibung der Menschen die an ihre Grenzen stoßen, die nur daran denken, wie sie den kommenden Tag überleben können und sich und ihre Lieben an einem halbwegs warmen und trockenen Ort wissen.... und das Fünkchen Hoffnung, dass nach dem Winter alles wieder gut wird.....


    Ein sehr beeindruckendes Buch!!