Krieg und kein Frieden in Sicht

Dieter Neumann schrieb:

Humanismus (also das Denken und Handeln im Bewusstsein der Würde des Menschen, kurz: das Streben nach Menschlichkeit) oder dessen Gegenteil, die Unmenschlichkeit - denn davon reden wir hier -, haben mit Glauben überhaupt nichts zu tun. Es sind Haltungen.

Schließe mich da Tom an. Das ist tief verwurzelter Glaube, der durch keine Argumente oder Fakten zu erschüttern ist. Siehe den Kollegen von tweedy39 oder einige meiner Kollegen, die der festen Überzeugung sind, dass "die Medien" im Westen genauso Sprachrohr der Regierung sind wie in China.

Viele dieser von Tom so schön als "originell" bezeichneten Auffassungen machen mich manchmal nachdenklich, vor allem wenn ich höre. Über russische und asiatische Geschichte und Philosophie wird an deutschen Schulen leider so gut wie nichts gelehrt.

Ich denke, Glaube und Haltung schließen sich nicht gegenseitig aus. Die Überzeugung, dass jeder Mensch seine Würde hat und deshalb menschenwürdig behandelt werden sollte, kann aus einem tiefen Glauben an das Gute im Menschen erwachsen und dann zu der Haltung führen für Menschenrechte einzutreten.

Tom schrieb:

So, wie es hierzulande eine anteilig sehr viel größere Gruppe Christen (und, glücklicherweise, Atheisten) gibt als beispielsweise in Indien oder Saudi-Arabien. Das ist aber keine Haltung.

DAS ist tatsächlich keine Haltung, das ist Prägung durch Geschichte, Tradition und andere Einflüsse von Sozialhygiene.

Glaube - Gottesglaube zumal - ist niemals eine Haltung, sondern stets genau das: ein Glaube. Nur hat das wenig zu tun mit dem, was zu sagen ich mir erlaubte. Denn Humanismus, d.h. das Streben nach Menschlichkeit, ist eine aus der zivilisatorischen Entwicklung der Menschheit entstandene (Grund-)Haltungs- und Handlungsmaxime, die mit persönlichem Dafürhalten, gar mit Glauben nichts zu tun hat. Die glühenden Verehrer des Führers, die im Geiste der Naziideologie erzogenen Menschheitsverbrecher, haben an ihre Ideologie geglaubt, doch nahezu allesamt (so sie ein Minimum an Reflexionsvermögen hatten) gewusst, dass sie sich gegen die grundlegendsten Regeln der Menschlichkeit vergingen. (Auch daher MUSSTE der "Endsieg" her, um dem Tag der Abrechnung zu entkommen).

Dieter Neumann schrieb:

DAS ist tatsächlich keine Haltung, das ist Prägung durch Geschichte, Tradition und andere Einflüsse von Sozialhygiene.

Diese Prägung entwickelt sich zu einem Bild, das man als wahr annimmt und insofern nicht hinterfragt, an das man also glaubt. Das ist natürlich nicht dasselbe wie Gottesglaube, obwohl der auch auf ähnliche Weise zumindest tradiert wird. Aber es geht hier um Grundsätzlicheres. Wir alle sind der Überzeugung, Schulbildung sei gut und müsse unbedingt sein, damit man ein gutes, gleichberechtigtes, eigenverantwortliches, produktives Leben führen kann. Das hinterfragt niemand mehr, nahezu weltweit. Aber tatsächlich fußt das auf einer Richtungsentscheidung, bildet das eine bestimmte Sicht ab. Es ist nicht optimal das beste für die Menschen. Das kann keiner wissen. Und es hat Kulturen gegeben, die waren ziemlich glücklich ganz ohne das. Verstehst Du, worauf ich hinauswill? Wenn Deine ganze wahrnehmbare Welt u.a. aus der Wahrheit bestand, dass westlich der Oder der Teufel wohnt, wenn Dein gesamtes Umfeld das felsenfest geglaubt hat und unaufhörlich eingetrichtert bekam, kannst Du Dich dem kaum entziehen.

Tom schrieb:

Wenn Deine ganze wahrnehmbare Welt u.a. aus der Wahrheit bestand, dass westlich der Oder der Teufel wohnt, wenn Dein gesamtes Umfeld das felsenfest geglaubt hat und unaufhörlich eingetrichtert bekam, kannst Du Dich dem kaum entziehen.

Wohl wahr, aber du weißt tief in dir drin dennoch sehr genau, dass du deswegen niemanden angreifen und dessen Frauen und Kinder umbringen darfst.

Dieter Neumann schrieb:

Wohl wahr, aber du weißt tief in dir drin dennoch sehr genau, dass du deswegen niemanden angreifen und dessen Frauen und Kinder umbringen darfst.

Auch nicht den Teufel?

Jetzt droht unser Dialog in Sophismus auszuarten. Reden wir mal bei Gelegenheit persönlich weiter darüber - bringt uns hier und jetzt nicht weiter, denke ich.

Als ich heute in der Stadt war ist mir die Trauerbeflaggung an unserem Rathaus aufgefallen. Hat das mit dem Krieg zu tun?

Ist das bei Euch auch?

Putin ist weder wahnsinnig noch steht er unter Drogen. Denn auch seine Unberechenbarkeit ist Kalkül und wird von ihm ganz bewusst eingesetzt. Man sieht bei ihm immer wieder neu sie Denke eines KGB-Offiziers.

Und man sollte auch nicht vergessen, wie Wladimir Adolf H. Putin von den deutschen Regierungen unter Schröder und Merkel hofiert wurde. Gerade auch Merkel hat viel dazu beigetragen das Terain für Putin zu bereiten. Und der deutsche Wohlstandspazifismus hat auch seinen nicht gerade kleinen Anteil daran. Und die deutsche Bevölkerung hat sich 16 Jahre nicht daran gestört. Und wenn man heute die Äußerungen von Merkel (seinerzeit) und von Mützenich, Schweswig, Stegner u.a hört und liest dann zeigt das leider auch das 3-Affen-Verhalten der Menschen in diesem Land (nichts hören, nichts sagen und nichts sehen).

Merkel war es, die die Bundeswehr kaputtgespart hat. Auch zu Zeiten von Brandt und Schmidt war bei aller Entspannungpolitik immer genug Abschreckungspotential vorhanden. Die Waffen funktionierten, die Panzer fuhren, die Jets konnten fliegen und die Schiffe der Marine waren auch intakt.

In diesem Land haben wir gedacht, der Frieden sei für alle Zeit gesichert.

Ein Irrglaube.

Schon beim Krieg in Jugoslawien stellte sich das als Irrtum heraus. Ich war 1999 als Verbindungsoffizier bi den KFOR-Einheiten im Kosovo. Und es ist wirklich so, es gibt schönere Dinge als wenn auf einen geschossen wird.

Ich halte nichts von Trump, aber mit seiner Forderung nach Geld aus Deutschland hatte er recht. Hie wollte man Sicherheit auf Kosten der USA.

Und bei diesem ganzen Mist geht mir ein Satz von Heiner Geissler nicht aus dem Kopf :"Der Pazifismus hat Auschwitz erst möglich gemacht" ; Pazifismus und pazifistisches Verhalten hat auch Putin nicht gstoppt. Der versteht nur eine Politik der Stärke.

Es wurde in den vergangenen Jahren zugelassen, dass die Bundeswehr kaputt gespart, die Digitalisierung die Pflege, die Polizei , die Gesundheitsämter vergessen wurden und das Gesundheitssystem sehenden Auges gegen die Wand gefahren wurde. Der Krieg und die Pandemie zeigen dies nun schmerzlich auf. Ich bin nicht unbedingt Fan der Zusammensetzung der neuen Bundesregierung, aber sie treten ein schweres Erbe an und ich drücke ihnen die Daumen, dass sie diese großen Herausforderungen meistern werden.

Ich hätte noch vor ein paar Tagen nicht gedacht, dass ich morgens aufwache und sofort nachsehe, wie die Nacht in Kiew verlaufen ist. Die Denke eines KGB-Offiziers ist mir fremd, deshalb kann ich auch nicht einschätzen, ob er tatsächlich bis zum Letzten gehen würde.

Ob wir eine realistische Chance haben, im nächsten Winter in warmen Räumen zu sitzen, ist auch noch unklar.

Mir persönlich macht das Ganze ziemlich zu schaffen...

Eskalina schrieb:

Ich bin nicht unbedingt Fan der Zusammensetzung der neuen Bundesregierung, aber sie treten ein schweres Erbe an und ich drücke ihnen die Daumen, dass sie diese großen Herausforderungen meistern werden.

Von der ein führender Teil auch vorher schon mitregiert hat, und insofern dieses Erbe selbst auch mitzuverantworten hat. Das gilt übrigens gleichermaßen für die Grünen, die die Agenda 2010 und also Hartz IV mitbeschlossen haben. Eine Initiative, die von der SPD ausging. Die übrigens als Bremser bei den Rüstungsausgaben galt und immer die Einhaltung der Zwei-Prozent-Regelung zu verhindern wusste.

Das ist keine Schuldzuweisung oder so. Ich habe, wie so viele andere auch, gedacht, dass wir derlei nicht erleben werden - Angriffskriege zum Zwecke der territorialen Aneignung, mitten in Europa. Oder eine Scheiß-Pandemie! Ich meine, Kacke, wer außer irgendwelchen Hollywood-Dystopen hatten denn eine verdammte Pandemie auf dem Schirm? Nein, wir alle haben gedacht, das ist jetzt für immer safe und super und friedefreudeeierkuchen und wir können eigentlich die gesamten Notfallmechanismen runterfahren. Weil jetzt nichts Schlimmes mehr passieren kann.

Sehr bemerkenswert finde ich, was bei den Grünen passiert.

Und wie sich Die Linke zerfleischt. Superlustig.

Die AfD könnte sich jetzt bitte auflösen, und zwar, äh, zeitnah.

Eskalina

Ich arbeite zur Zeit im Gesundheitsamt, bei dem Corona Unterstützer Team. Auch haben ich, familiär bedingt, jahrelangen Kontakt zum Seniorenheim und leider auch zum Gesundheitswesen. Ich kann daher deine Aussage, das alles gegen die Wand gefahren wurde, so nicht bestätigen. Im Gegenteil! Das ist für mich Jammern auf hohem bis sehr hohem Niveau. Natürlich könnte vieles noch besser sein, mehr Personal in den Heimen usw., aber ... Das Personal muss auch irgendwoher kommen, nur Geld alleine wird da nicht helfen.

Und ja, wie Tom schon schreibt, das Erbe ist nicht nur der letzten Regierung, zuzuschreiben. Sowohl SPD als auch Grüne haben über Jahre mit in den Regierungen gesessen. Auf Bundes- und Länderebene.

Ich bin mir nicht sicher ob es die Denke eines KGB Mannes ist, was Putin bewegt, oder eher die Denke eines Irren. Für mich ist der Mann einfach durchgeknallt.

Tom schrieb:

Sehr bemerkenswert finde ich, was bei den Grünen passiert.

Und wie sich Die Linke zerfleischt. Superlustig.

Die AfD könnte sich jetzt bitte auflösen, und zwar, äh, zeitnah.

Angie Voon schrieb:

Ich bin mir nicht sicher ob es die Denke eines KGB Mannes ist, was Putin bewegt, oder eher die Denke eines Irren. Für mich ist der Mann einfach durchgeknallt.

Ich kann ja mit dem Begriff durchgeknallt so gar nichts anfangen. Meine Vorstellung ist eher sowas wie omnipotenter Egomane mit einem übergroßen selbstverliebten Ego. Bisschen weniger Haare wie Trump aber sonst durchaus Ähnlichkeiten.

Tom schrieb:

Sehr bemerkenswert finde ich, was bei den Grünen passiert.

Und wie sich Die Linke zerfleischt. Superlustig.

Die AfD könnte sich jetzt bitte auflösen, und zwar, äh, zeitnah.

Da bin ich vollkommen Deiner Meinung

Angie Voon schrieb:

Eskalina

Ich bin mir nicht sicher ob es die Denke eines KGB Mannes ist, was Putin bewegt, oder eher die Denke eines Irren. Für mich ist der Mann einfach durchgeknallt.

Putin als "Irren" hinzustellen bedeutet, das man ihn ein weiteres Mal unterschätzt. Der Mensch ist hochintelligent und hat das Ziel die alte Sowjetunion wieder herzustellen. Durchgeknallt ist er sicher nicht, nur scheint er sich in Bezug auf seine Militäraktion verkalkuliert zu haben. Da sitzt er mit Napoleon und Hitler in einem Boot - auch die haben die Realität falsch interpretiert.

Offensichtlich hat Putin auch nichts aus dem Afghanistan-Abenteuer der UdSSR gelernt.

Und wenn ich es richtig verstanden habe, dann sind auch weißrussische Truppen in die Ukraine eingefallen. Die europäische Friedensordnung (so es sie denn überhaupt gab) ist am Arsch. Und es ist an der Zeit, das gerade auch die jüngeren Menschen sich endlich aus ihrer Pseudo-Friedensblase verabschieden. Die gab es nicht und hat es auch nie gegeben.

Übrigens haben sämtliche Mitarbeiter von Altkanzler Schröder ihre Anstellungen gekündigt. Wobei man gerade auch bei Schröder prüfen müsste ob er nicht wegen der Vorbereitung eines Angriffskrieges strafrechtlich belangt werden kann.

Angie Voon - ich arbeite seit 30 Jahren in einer Uniklinik und habe Kontakt zu diversen Gesundheitseinrichtungen und tieferen Einblick in die Klinikpolitik - für unsere Klinik und Stadt ist es leider kein Jammern auf hohem Niveau, hier wurde extrem gespart und bereits vor Corona am Limit gearbeitet. Schön, wenn es in deinem Umkreis noch anders aussieht.

Ich sehe es wie Voltaire - Putin ist kein Irrer und nicht zu unterschätzen. Ich weiß nicht, wie er zu stoppen ist, denn ich fürchte, er ist ein schlechter Verlierer. Wie kann er aus dieser Sache rauskommen, ohne sein Gesicht zu verlieren? Das ist fast nicht möglich, deshalb kann ich mir nicht vorstellen, dass er einlenken wird.

Eskalina schrieb:

Ich sehe es wie Voltaire - Putin ist kein Irrer und nicht zu unterschätzen. Ich weiß nicht, wie er zu stoppen ist, denn ich fürchte, er ist ein schlechter Verlierer. Wie kann er aus dieser Sache rauskommen, ohne sein Gesicht zu verlieren? Das ist fast nicht möglich, deshalb kann ich mir nicht vorstellen, dass er einlenken wird.

Das sind leider auch meine Gedanken/Befürchtungen.

Ich habe den Eindruck, Putin lebt in seiner eigenen Welt. Intelligent ist er sicher und eigentlich auch lange genug dabei, dass er weiss, wie der Hase läuft. Vielleicht dachte er, jetzt wohl alle anderen, die genauso lange auf der Weltbühne unterwegs waren wie er, weg sind, zeigt er den unerfahrenen Politikern mal wo der Hammer hängt.

Wobei Biden ja schon sehr lange und Scholz auch nicht erst seit zwei Jahren in der Politik unterwegs sind.

Und er hat wohl nicht damit gerechnet, dass der zerstrittene Westen es tatsächlich auf die Rolle bekommt mal einheitlich zu handeln. Ich denke er hat den Westen genauso unterschätzt, wie der Westen ihn....

Und das Thema kaputtsparen: Das ist doch überall so. Wenn was läuft kommt immer einer, der meint, das muss doch auch billiger gehen. Dann wird gespart und irgendwie geht es immer noch. Bis plötzlich der Zeitpunkt erreicht ist, wo es eben nicht mehr geht, sei es weil zu viel gespart wurde, oder aber plötzlich auf Mehraufwand reagiert werden muss. Und dann werden alle hektisch, stecken wieder Geld rein, es läuft wieder halbwegs und dann kommt wieder einer, der meint, das geht doch billiger....

Never Ending Story....

Nee, irre ist er nicht, vielleicht größenwahnsinnig?

Wieder einer, der die Weltherrschaft will? ---Ironie aus---

Entweder er hat das (in seiner Welt) nicht ernst gemeint und setzt auf Verhandlungen, um Forderungen durchzusetzen, oder er hat tatsächlich nicht mit so viel Widerstand gerechnet.