Kim Jiyoung, geboren 1982 - Cho Nam-Joo
Original erschienen 2016, Minumsa Publishing Co. Ltd., Seoul
Aus dem Koreanischen, Übersetzer: Lee Ki-Hyang
Herausgeber : Kiepenheuer&Witsch (2021)
Sprache : Deutsch
Gebundene Ausgabe : 208 Seiten
ISBN-10 : 3462053280
ISBN-13 : 978-3462053289
Inhalt (Amazon-Buchbeschreibung):
Cho Nam-Joo hat mit ihrem Roman einen internationalen Bestseller geschrieben. Ihre minimalistische und doch messerscharfe Prosa hat nicht nur viele Leserinnen weltweit begeistert, sondern auch Massenproteste in Korea ausgelöst. In einer kleinen Wohnung am Rande der Metropole Seoul lebt Kim Jiyoung. Die Mittdreißigerin hat erst kürzlich ihren Job aufgegeben, um sich um ihr Baby zu kümmern – wie es von koreanischen Frauen erwartet wird. Doch schon bald zeigt sie seltsame Symptome: Jiyoungs Persönlichkeit scheint sich aufzuspalten, denn die schlüpft in die Rollen ihr bekannter Frauen. Als die Psychose sich verschlimmert, schickt sie ihr unglücklicher Ehemann zu einem Psychiater. Nüchtern erzählt eben dieser Psychiater Jiyoungs Leben nach, ein Leben bestimmt von Frustration und Unterwerfung. Ihr Verhalten wird stets von den männlichen Figuren um sie herum überwacht – von Grundschullehrern, die strenge Uniformen für Mädchen durchsetzen; von Arbeitskollegen, die eine versteckte Kamera in der Damentoilette installieren und die Fotos ins Internet stellen. In den Augen ihres Vaters ist es Jiyoung’s Schuld, dass Männer sie spät in der Nacht belästigen; in den Augen ihres Mannes ist es Jiyoung’s Pflicht, ihre Karriere aufzugeben, um sich um ihn und ihr Kind zu kümmern. »Kim Jiyoung, geboren 1982« zeigt das schmerzhaft gewöhnliche Leben einer Frau in Korea und gleichzeitig deckt es eine Alltagsmisogynie auf, die jeder Frau – egal, wo auf der Welt – nur allzu bekannt vorkommt.
Meine Meinung:
Das Buch hat mich traurig und zugleich wütend gemacht. Traurig, weil ich die Auswegslosigkeit in Jiyoungs Lebensweg nachfühlen konnte, und wütend, weil es für sie auswegslos ist. Ich habe mich bisher wenig mit Südkorea beschäftigt und kenne bisher vermutlich nur Klischees über die wohlhabende, erfolgreiche Hightech-Exportnation, die hohe Anzahl von durchgeführten Schönheits-OPs und kindlich aussehende K-Pop-Gruppen. Dass die Gesellschaft noch so traditionell ist und das Leben der Frauen in dem gezeichneten Ausmaß von Männern bestimmt wird, hätte ich nie gedacht. Die Autorin zitiert in ihrem Buch auch Statistiken zum Geschlechterverhältnis, vergleicht Verdienste u.s.w., und diese Zahlen sprechen für sich. Ich denke nicht, dass sie übertrieben hat.
Jiyoungs Erlebnisse sind ernüchternd und ich kann verstehen, dass diese ewigen Nadelstiche einen Menschen in eine Depression treiben. Das wird in diesem Buch auch mehr als deutlich gemacht. Zwar erfährt Jiyoung auch Solidarität von Klassenkameradinnen, Kolleginnen, ihrer Schwester und vor allem von ihrer Mutter, aber das passiert mehr oder weniger im Geheimen. Nach außen hin muss um jeden Preis die Fassade einer wohlanständigen Frau gewahrt werden, und die tritt nun mal zum Wohle anderer immer zurück.
Vom Stil her ist das Buch eher "trocken" geschrieben, aber das passte für mich gut zum Thema.
Nachdem in der Buchbeschreibung steht, dass das Buch "Massenproteste" bei seinem Erscheinen hervorgerufen hatte, habe ich noch ein bisschen im Internet recherchiert, aber leider wenig dazu gefunden. Lediglich einen Bericht konnte ich lesen, in dem über den Shitstorm berichtet wurde, der über einen weiblichen K-Popstar hereingebrochen war, als sie das Buch zum Lesen empfahl. Ihre männlichen Fans fanden das wohl nicht so toll und drückten das auch vehement aus.
Aber das Buch hat bewirkt, dass mich die Gesellschaft in Südkorea nun mehr interessiert.
Ich spreche eine Leseempfehlung aus, aber es ist kein Stoff für trübe Tage.