Hier kann zum 1. Teil geschrieben werden.
'Das unsichtbare Leben der Addie LaRue' - Teil 1
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Was für eine schöne Sprache. Was für eine faszinierende Geschichte. Ich bin total begeistert.
Adeline LaRue ist eine eigenwillige Frau. Einerseits ist sie sicherlich aus der Zeit gefallen mit ihren Ansichten über weibliche Selbstbestimmung. Aber sie ist auch eine große Träumerin. Zimmert sich einen Traumprinzen zusammen und das ist schon etwas oberflächlich auf Äußerlichkeiten beschränkt. Sie ist einfach auch etwas naiv. Wünscht schon mal einem Bewerber den Tod - auch wenn sie das gleich wieder zurück nimmt. Und wundert sich dann, was bei ihren ungenauen Wünschen rauskommt, die sie diesem dunklen Nachtgeist vor die Füße knallt. Das ist ziemlich bitter.
Fazinierend ist, wie sie 300 Jahre später mit ihren unsichtbaren Leben zurecht kommt. Raffiniert, für mich auch ziemlich traurig, da sie so alleine ist. Aber unglücklich wirkt sie irgendwie nicht. Also sie hadert nicht richtig mit ihrem seltsamen Leben. Jedenfalls nicht so, dass sie es beenden möchte.
Ist Henry derjenige, der sie nicht vergisst?
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Ja, ich finde auch, dass es sich von Anfang an gut liest. Es geht schon ziemlich spannend los, so dass man kaum mehr aufhören kann. Die Sprache ist schön und fließend.
Ein wenig irritiert war ich über den Gebrauch des Wortes "Girl" im englischen Text. Da hatte ich zunächst die Vorstellung einer 8- bis 14-jährigen, die sich vor einer Hochzeitsgesellschaft verstecken will. Im nächsten Kapitel liegt dieses Mädchen in einem fremden Bett und ich denke an Sex mit Minderjährigen. Erst viel später wird deutlich, dass diese Frau schon 23 Jahre alt ist.
Ebenso wird Henry im letzten Kapitel als "Boy" bezeichnet. Aber da kommt zum Glück die Aufklärung früher - dass er wohl erwachsen aber noch keine 30 ist.
Ist das so üblich im englischen Sprachgebrauch, dass alle unter 30 als Girl oder Boy bezeichnet werden?
Besonders bei Addie hat mich das gestört. Denn selbst wenn sie unverheiratet war, wurde sie damals mit 23 schon als "altes Mädchen" angesehen.
Ansonsten finde ich die Geschichte interessant konstruiert mit diesen Rückblenden, die nach und nach Addies Leben beleuchten und die Schwierigkeiten erklären, wie sie mit ihrem Fluch zu leben gelernt hat. Anders als z.B. Vampire oder andere Fantasy-Gestalten, die ein ewiges Leben aufgebrummt bekommen, kann sie anscheinend nur ihr Wissen vermehren aber keine Reichtümer anhäufen. So lebt sie nur Tag für Tag mit ihren kleinen Diebstählen und Übernachtungstricks. Über Jahrhunderte stellen ich mir das ziemlich nervenaufreibend vor.
Nach diesem ersten Abschnitt wage ich schon mal eine tiefere Bedeutung der Erzählung: wer sich nicht anpassen und einfügen will muss schauen wie er (in diesem Fall sie!) alleine zurecht kommt. Und die Gefahr, wenn sich jemand etwas zu sehr wünscht, ist, dass dieser Wunsch mit allen Konsequenzen in Erfüllung gehen kann.
Addie war neugierig auf die Welt und sah familiäre Geborgenheit als Gefängnis. Die Rolle der Frau war damals schon sehr festgelegt und bot besonders in ländlichen Gegenden wenig Gestaltungsspielraum. Estele schrammt mit ihrer Eigenartigkeit, Selbständigkeit und Naturreligion nah am Hexenstatus entlang.
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Zimmert sich einen Traumprinzen zusammen und das ist schon etwas oberflächlich auf Äußerlichkeiten beschränkt. Sie ist einfach auch etwas naiv.
Sicher, viel Bildung hat sie ja nicht mitbekommen - gerade dass sie mal lesen lernen darf. Vielleicht hätte ihre Mutter ihr deutlicher machen sollen, worauf es bei einem begehrenswerten Mann ankommt. Aber die Idee hatte diese wohl selber nicht. Damals war es eh Glücksache, wenn ein stattlicher junger Mann auch noch Charakter entwickeln konnte - meist aber eh erst lange nach der Hochzeit.
Fazinierend ist, wie sie 300 Jahre später mit ihren unsichtbaren Leben zurecht kommt. Raffiniert, für mich auch ziemlich traurig, da sie so alleine ist. Aber unglücklich wirkt sie irgendwie nicht. Also sie hadert nicht richtig mit ihrem seltsamen Leben. Jedenfalls nicht so, dass sie es beenden möchte.
Im Grunde weiß sie, dass sie sich die Suppe selber eingebrockt hat und nun eben damit umgehen lernen muss. Sie wollte frei sein, nun ist sie es und die Welt steht ihr offen. Also kann sie diese auch ausgiebig erforschen. Zeit hat sie nun genug dafür. Und neugierig ist sie immer noch auf alles Neue. Da wird man nicht so schnell lebensmüde.
Ist Henry derjenige, der sie nicht vergisst?
Sieht so aus. Bin gespannt, wieso gerade er derjenige ist. Vom Aussehen gleicht er ihrem Traumprinzen. Oder hat sich der Dunkle in diese Gestalt gehüllt, um sie zu verführen? Der weiß ja, auf welchen Typ sie steht.
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Mich hat gewundert, dass Addie sich schon in ihrem Heimatdorf aufs Stehlen einlässt. Wäre es nicht naheliegender, sich in ihrem Elternhaus umzuziehen und das was sie für ihre Reise braucht von dort mitzunehmen. Da nimmt sie nur das Holzvögelchen mit.
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Bei dem Namen Henry fiel mir gleich die Titelfigur von Die Frau des Zeireisenden ein - ein Zufall?
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Und neugierig ist sie immer noch auf alles Neue. Da wird man nicht so schnell lebensmüde.
Ob nach 300 Jahren wirklich noch das Neue die Einsamkeit überwiegen würde? Mich erstaunt, wie leicht und locker sie das nimmt. Keine Bitterkeit, kein großes Sehnen nach mehr. Fast etwas wie Zufriedenheit mit dem, was sie hat. Das muss den Geist ja eigentlich ärgern, dass er ihre Seele immer noch nicht bekommen hat.
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Nach diesem ersten Abschnitt wage ich schon mal eine tiefere Bedeutung der Erzählung: wer sich nicht anpassen und einfügen will muss schauen wie er (in diesem Fall sie!) alleine zurecht kommt. Und die Gefahr, wenn sich jemand etwas zu sehr wünscht, ist, dass dieser Wunsch mit allen Konsequenzen in Erfüllung gehen kann.
Ich für mich tippe auf eine andere Bedeutung. Die, dass lange Freundschaft, stetig wachsende Liebe und von Menschen länger und intensiver gekannt zu werden dass ist, was Menschsein ausmacht. Nicht die kurze Freude des Neuen, die wenigen Augenblicke des ersten Verliebtseins sondern die Tiefe ist es, die Addies Leben fehlt. In der modernen Gesellschaft suchen viele ständig nach dem neuen Kick. Nach neuen Freunden, neuer Liebe, weil die alte zur Gewohnheit geworden ist. Aber am Ende sind es die Menschen, die einen schon ganz lange kennen und schätzen, die einem selber am wichtigsten sind.
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Ob nach 300 Jahren wirklich noch das Neue die Einsamkeit überwiegen würde? Mich erstaunt, wie leicht und locker sie das nimmt. Keine Bitterkeit, kein großes Sehnen nach mehr. Fast etwas wie Zufriedenheit mit dem, was sie hat. Das muss den Geist ja eigentlich ärgern, dass er ihre Seele immer noch nicht bekommen hat.
Es sieht aus wie der Kampf großer Geister. Der Dunkle hat den Vorteil der Macht und Erfahrung mit Menschenseelen auf seiner Seite - dagegen hat Addie ihren Lebenshunger und den Vorteil ihrer Anpassungsfähigkeit. Vielleicht hilft auch ihre Naivität und dass sie sich auf niedrige Bedürfnisbefriedigung einlassen kann. Sie strebt nicht nach Wohlstand sondern Freiheit, die sie ja bekommen hat.
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Vielleicht hilft auch ihre Naivität und dass sie sich auf niedrige Bedürfnisbefriedigung einlassen kann.
Da sie ja scheinbar nichts mehr vergisst, denke ich, ihre Naivität hat sie weitgehend abgelegt. Das mit der niedrigen Bedürfnisbefriedung stimmt. Da lässt sie sich darauf ein. Bleibt ihr auch nichts anderes übrig.
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Fazinierend ist, wie sie 300 Jahre später mit ihren unsichtbaren Leben zurecht kommt. Raffiniert, für mich auch ziemlich traurig, da sie so alleine ist. Aber unglücklich wirkt sie irgendwie nicht. Also sie hadert nicht richtig mit ihrem seltsamen Leben. Jedenfalls nicht so, dass sie es beenden möchte.
Ist Henry derjenige, der sie nicht vergisst?
Ich finde schon, dass zwischen den Zeilen eine tiefe Traurigkeit ein Addie Mitschnitt. Sie hat sich in ihrem Leben eingerichtet, findet auch immer wieder kleine Glücksmomente, aber auf ich wirkt sie zutiefst unglücklich auf mich.
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Ich für mich tippe auf eine andere Bedeutung. Die, dass lange Freundschaft, stetig wachsende Liebe und von Menschen länger und intensiver gekannt zu werden dass ist, was Menschsein ausmacht. Nicht die kurze Freude des Neuen, die wenigen Augenblicke des ersten Verliebtseins sondern die Tiefe ist es, die Addies Leben fehlt. In der modernen Gesellschaft suchen viele ständig nach dem neuen Kick. Nach neuen Freunden, neuer Liebe, weil die alte zur Gewohnheit geworden ist. Aber am Ende sind es die Menschen, die einen schon ganz lange kennen und schätzen, die einem selber am wichtigsten sind.
Ja genau das denke ich auch.
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Oh ihr seid ja schon fleißig am diskutieren . Ich finde auch, es liest sich zum einen weg wie nichts und zum anderen ist es sehr vielschichtig.
Ein wenig irritiert war ich über den Gebrauch des Wortes "Girl" im englischen Text.
Ich habe jetzt nochmal zurückgeblättert, dass ist auch - zumindest in den Vergangenheitskapiteln - durchgehend im Deutschen mit "Mädchen" übersetzt. Was zumindest in der deutschen Sprache für mich gut passt, denn Addie ist 1714 wirklich noch ein Mädchen und keine (verheiratete) Frau. Dazu passt die angesprochene Naivität, wobei ich ihr das wirklich nicht vorwerfen will, denn sie hatte ja überhaupt keine Gelegenheit, "erwachsen" zu werden oder etwas anderes als die herkömmliche Lebensweise in ihrem Dorf zu sehen.
Und wundert sich dann, was bei ihren ungenauen Wünschen rauskommt, die sie diesem dunklen Nachtgeist vor die Füße knallt. Das ist ziemlich bitter.
Ähnliches gilt für ihre unklaren Wünsche. Wie soll sie denn wissen, was sie will, wenn sie weder aus ihrem Dorf herausgekommen noch irgendeinen anderen Input oder einen alternativen Lebensentwurf hatte? Klar, dass sie nur weiß, was sie nicht will, nicht wie dieses andere Leben aussehen könnte - sie hat schlichtweg keine Vorbilder. Abgesehen davon würde wahrscheinlich jeder/jedem von uns es so spontan und überraschend extrem schwerfallen, einen klaren Wunsch zu formulieren, was wir wollen. Man weiß doch immer nur, was man nicht will. Und wenn dann auch noch die Wünsche so sehr "verdreht" werden - Addie kann nicht ahnen, dass aus ihrem (berechtigen) Wunsch nach Freiheit und Ungebundenheit dauerndes Vergessen-werden wird. Nein, sie hatte keine Chance.
Mich hat gewundert, dass Addie sich schon in ihrem Heimatdorf aufs Stehlen einlässt. Wäre es nicht naheliegender, sich in ihrem Elternhaus umzuziehen und das was sie für ihre Reise braucht von dort mitzunehmen. Da nimmt sie nur das Holzvögelchen mit.
Klar wäre das naheliegender, aber sie stand komplett unter Schock. Klare Gedanken ließen sich da sicher nicht fassen, vor allem, da sie zunächst gar nicht vorhat, so weit zu reisen.
Die Addie der Gegenwart gefällt mir. Ich finde sie zwar unglücklich, aber sie macht das Beste aus ihrer Situation.
Ich finde schon, dass zwischen den Zeilen eine tiefe Traurigkeit ein Addie Mitschnitt. Sie hat sich in ihrem Leben eingerichtet, findet auch immer wieder kleine Glücksmomente, aber auf ich wirkt sie zutiefst unglücklich auf mich.
Ich finde sie auch unglücklich, aber sie macht das Beste aus ihrer Situation. Was anderes bleibt ihr wohl auch nicht übrig. Mir gefällt die Addie der Gegenwart, sie gibt nicht auf, auch wenn ihr Leben sehr mühsam ist. Was mich neben den fehlenden Menschen vor allem auch erschüttert ist das fehlende Zuhause für sie. Keinen Platz zum Zurückziehen zu haben und sich jeden Tag aufs neue einen Unterschlupf suchen zu müssen stelle ich mir furchtbar anstrengend vor.
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Ich kann Addie verstehen, dass sie dieses Leben nicht möchte, nicht auf die Rolle der Frau reduziert werden, wie sie zu ihrer Zeit und in ihrem Dorf üblich war, und ein bisschen hätte ich von ihrem Vater gehofft, dass er sie noch mehr unterstützt, denn den Anfang hatte er schon gemacht.
Dass man, wenn man sich mit dem Bösen einlässt, nie genau das bekommt, was man sich gewünscht hat, ist bekannt, es findet immer die Möglichkeit, es umzudeuten. Nun ist sie also "frei", denn jeder vergisst sie wieder, sobald er sie nicht mehr sieht, sie hinterlässt auch keine Spuren. Schlimm fand ich, dass auch der Vater sie vergessen hatte. Man mag sich das gar nicht vorstellen.
Nun geht sie also schon seit 300 Jahren durch die Welt und stiehlt, was sie benötigt, denn das ist anonym. Ich bin gespannt, was der Roman noch für Geschichten um Addie erzählt, bisher hat es mich noch nicht so gepackt, aber das muss ja nicht so bleiben.
Gut gefällt mir der Einstieg mit den Kunstwerken.
Bücher sind eine Möglichkeit, tausend Leben zu führen - da ist etwas dran ...
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Ich finde schon, dass zwischen den Zeilen eine tiefe Traurigkeit ein Addie Mitschnitt. Sie hat sich in ihrem Leben eingerichtet, findet auch immer wieder kleine Glücksmomente, aber auf ich wirkt sie zutiefst unglücklich auf mich.
Auf mich wirkt sie auch eher unglücklich, aber noch hat sie ihr Leben wohl nicht satt ...
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Klar, dass sie nur weiß, was sie nicht will, nicht wie dieses andere Leben aussehen könnte - sie hat schlichtweg keine Vorbilder.
Naja, sie ist ja kein kleines Kind mehr mit 23 Jahren. Und sie hat ein ganzes Dorf und ihre Eltern als Vorbilder. Und da können doch nicht ALLE Ehen schlechte gewesen sein. Und nicht alle Frauen unglücklich. Ich hatte schon das Gefühl, sie hat sich in ihre Traumwelt und ihren Traummann verrannt und hat die Realität einfach mal per se als ungenügend empfunden. Das sie nicht irgend einen Kerl heiraten will verstehe ich. Aber sicherlich hätte sie auch einen aus dem Nachbarort nehmen können. Aber keiner war ihr gut genug.
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Ich glaube, was sie besonders abgeschreckt hat war die Veränderung, die die Gleichaltrigen durch ihre Mutterschaften und Hausfrauenarbeit sichtbar durchgemacht haben. Damals war ja auch die Müttersterblichkeit hoch.
Addie wollte einfach nicht so schnell verbraucht werden und immer mit der Gefahr eines allzu frühen Todes leben.
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Auf mich wirkt sie auch eher unglücklich, aber noch hat sie ihr Leben wohl nicht satt ...
Wenn ich das richtig verstanden habe, könnte sie ihr Leben jederzeit beenden, aber sie will dem Teufel den Triumph, dass sie aufgibt (noch) nicht gönnen.
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Wenn sie ihr Leben beendet, dann gehört ihre Seele ihm. Davor hat sie Angst.
Dieser Trick funktioniert nur so lange, wie sie daran glaubt eine Seele zu haben. Obwohl sie die christliche Religion nur oberflächlich angenommen hat, glaubt sie an eine individuelle Seele. Wenn ich Esteles Naturreligion richtig verstanden habe, geht diese eher von einer allgemein beseelten Natur aus. Addie opfert ihre Gaben an keinen besonderen Plätzen, sondern steckt sie irgendwo in die Erde oder wirft sie mit ihrer Bitte ins Wasser.
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Addie opfert ihre Gaben an keinen besonderen Plätzen, sondern steckt sie irgendwo in die Erde oder wirft sie mit ihrer Bitte ins Wasser.
Ich überlege ja immer, warum sie nicht versucht, einen guten Geist zu erwischen. Okay. Sie hat nicht mehr viel zum Eintauschen. ABer ich fände es schön, wenn auch noch ein positiver Geist vorkommt.