'Mehr als die Erinnerung' - Seiten 001 - 079

  • Mich hat nur dieser Kontrast so irritiert, aber wenn du es so schreibst, macht es plötzlich Sinn :lache

    Ich habe vor Jahren mal einen Bericht von einer Amerikanerin gesehen, die ca. 10 verschiedenen Persönlichkeiten hatte. Sie war verheiratet, hatte Kinder und hat es geschafft viele Jahre alle zu täuschen. Sie galt als launisch, mal war sie liebevoll und sanft, mal laut und ordinär, mal kühl und reserviert. Teilweise kommunizierten ihre Persönlichkeiten untereinander, aber manche "kannte" sie auch nicht in jeder Persönlichkeit. Krass war z.B., dass sie in manchen Persönlichkeiten eine Brille brauchte, weil sie kurzsichtig war und in manchen "brauchte" sie keine. Total verrückt. Das war einer der ersten Fälle, der in der breiten Öffentlichkeit public wurde über Multiple Persönlichkeiten. Mich hat das total gefesselt. Ich kann mich allerdings nicht genau erinnern, warum ihr Hirn das gemacht hat. Ob das Missbrauch war. :gruebel

    Hollundergrüße :wave



    :lesend


    Heumahd - Susanne Betz


    (Die Freiheit des Menschen liegt nicht darin,

    daß er tun kann, was er will,

    sondern daß er nicht tun muß,

    was er nicht will - Jean Rousseau)

  • Wow, Ihr diskutiert hier ja schon eifrig. Sehr interessant!


    Das Buch liest sich gut, auch wenn ich immer wieder über die damaligen Ausdrucksweisen und Sichtweisen stolpere. Und trotz dieser "Stolperer" finde ich es stimmig, dass die Formulierungen eben in die Zeit passen.


    Friederike und ihre Vater sind sehr symapthisch und das Gut war für die damalige Zeit sicher außergewöhnlich.

    Interessant finde ich solche Details wie dass in der Küche erst gekocht wird, wenn sie auch sauber ist und man so die hungrigen Bewohner zur Reinlichkeit erzieht.


    Ich bin gespannt, wie es mit Friederike und ihrem Mann weitergeht, keine einfache Situation. Dieser Dr. Weiß macht sich da wohl Hoffnungen... und ich bin gespannt, ob sich evtl. auch mit Walter etwas anbahnt. Oder ob sie von ihrem Mann schwanger wird und dann in Gefahr gerät. Oder auch nur in Erklärungsnöte.

    Im Falle der jungen Frau hier tippe ich darauf, dass sie vergewaltigt wurde - von einem Familienmitglied fürchte ich - und dass sie sich deshalb in eine gespaltene Persönlichkeit geflüchtet hat. Sehr emphatisch beschrieben.

    Das war auch mein erster Gedanke...


    Wer wohl der Mörder ist? Von der Symapthieskala gesehen Dr. Weiß.

    Dass es einer der Patienten des Guts ist, glaube ich nicht, das wäre irgendwie zu platt.

    Walter hat zwar auch so seine Geheimnisse, aber das er der Mörder ist, kann ich mir nicht so richtig vorstellen.

  • Das Buch liest sich gut, auch wenn ich immer wieder über die damaligen Ausdrucksweisen und Sichtweisen stolpere. Und trotz dieser "Stolperer" finde ich es stimmig, dass die Formulierungen eben in die Zeit passen.

    Meinst du damit solche Begriffe wie Irre etc., die heute beleidigend klingend, damals aber noch normal waren, oder meinst du eher den Sprachduktus und die Wortwahl?

  • Ja. Manche Folgen sind ziemlich krass und erschreckend. Moderiert von Dr. Leon Windscheid, Der das unfassbar einfühlsam macht.

    Das ist jetzt ein putziger Zufall - ich habe noch ein geschlossenes Pseudonym für humorvolle Sachbücher und die Agentur von Windscheid fragte gerade heute bei meinem Verlag, in dem diese Bücher erschienen sind, nach meinen pseudonymisierten Alter Ego für einen Podcast an. Ich habe jetzt erst mal meine Pressereferentin des Verlags gebeten, nachzuhaken, worum es geht.

  • Ich verwende die Begriffe so, wie sie damals historisch verwendet wurden. Für alles andere ist das Nachwort da. Und ich möchte im historischen Roman nichts weichspülen. Wenn es damals eine andere Wahrnehmung gab, gehört die in einen historischen Roman.

    Das gefällt mir an deinen Büchern besonders. Und ich finde es gut, wenn man beim Lesen über einen Begriff stolpert und darüber nachdenkt, wie das Wort früher verwendet wurde. Ich erinnere mich dran, wie ich als Jugendliche zum ersten Mal in einem Buch über den Begriff Mongoloide Idiotie gestoßen bin. Mongolismus kannte ich ja noch aus dem Alltag, aber Idiotie? Und eigentlich war auch damals bereits am Aussterben - und wenig später war Mongo als Schimpfwort gang und gäbe.

    Dr. Weiss wird in den 12 dunkeln Jahren unter den Nazis sicher eine große Karriere vor sich haben.... Der Mann ist gruselig

    Der Gedanke kam mir gleich im ersten Kapitel, bei der Unterhaltung im Wirtshaus. Da wird ja auch die Schrift von Professor Hoche erwähnt und Weiß stellt die Vernichtung von unwertem Leben als Form der Nächstenliebe dar. Da ist es mir wirklich kalt den Rücken runtergelaufen - das war der Nährboden, auf dem T4 möglich wurde.

    Ich muss nur alles gelesen haben, wenn dann der 4. Mohlenberg kommt, um die Queraufritte genießen zu können :-)

    Du musst nicht - du darfst. Und es lohnt sich. ;-)

  • Nun musste ich doch einige Seiten nachlesen, die Diskussion ist ja schon im vollen Gang ...


    Ich habe gestern Abend mit dem Buch angefangen. Eigentlich bin ich davon ausgegangen, dass ich den 1. Abschnitt nicht gleich schaffe, aber ... Das Buch hat sich unheimlich gut gelesen, ich war sofort in der Handlung, konnte eine gute Beziehung zu den einzelnen Figuren aufbauen und sie mir vor allem sehr gut vorstellen, also von sympathisch bis unsympathisch usw.

    Friedericke war mir auf Anhieb sympathisch und ich fand es sehr schön, dass sowohl ihr Vater als auch Bernhard sie in ihrem Wunsch, Medizin zu studieren, unterstützt und gefördert haben. Ich hoffe sehr, dass sie erkennt, dass Bernhard nicht mehr ihr volle Hilfe benötigt und/oder auch nichts dagegen spricht, wenn sie das Studium noch beendet. Mittlerweile nun ein bisschen weitergelesen und da habe ich erfahren, dass ihr im Endeffekt nur ein Jahr gefehlt hat.

    Auch wenn mir Dr. Weiß nicht geheuer ist - im 2. Abschnitt dann einiges kar wird - finde ich gut, dass er jedoch dahingehend Friedricke schätzt und achtet, oder hatte ich da einen falschen EIndruck?

    Ich bin sehr gespannt, wie die Geschichte sich weiterentwickelt. Auf jeden Fall toller Einstieg und mal wieder ein Buch, in das man von Anfang an eintaucht und das man nicht mehr weglegen möchte.

    Nach meinem letzten Buch, das eigentlich ein historischer Krimi sein sollte/wollte, sich aber irgendwie in vielen Dingen verloren und dementsprechend holprig gelesen hat, bin ich bei diesem Buch gar nicht so sehr von "Krimi" ausgegangen, aber hier sind schon wesentlich mehr Ermittlungsansätze und logische Fragstellungen dabei.

    Also super, ich freue mich ....

  • Es gibt multiple Persönlichkeiten in einem Menschen. Da weiß die eine nichts von der anderen. Bei fortwährenden Vergewaltigungen kann so etwas entstehen um das Ich zu schützen. Die Juliane, die so sexsüchtig ist, übernimmt dann das Ruder und findet dann z.B. nicht mehr so schlimm, wenn ihr Vater sie missbraucht. Das ist jetzt mal meine These. Könnte auch der Bruder sein.:gruebel

    An multiple Persönlichkeiten habe ich auch gedacht. Vor allem, weil sie sich nicht erinnern kann.

  • Nach meinem letzten Buch, das eigentlich ein historischer Krimi sein sollte/wollte, sich aber irgendwie in vielen Dingen verloren und dementsprechend holprig gelesen hat, bin ich bei diesem Buch gar nicht so sehr von "Krimi" ausgegangen, aber hier sind schon wesentlich mehr Ermittlungsansätze und logische Fragstellungen dabei.

    Das freut mich. Der Kriminalfall soll hier eher so eine leichte Kriminote geben, um den roten Faden - das Sittengemälde der Zeit - elegant durch das Buch zu führen.

  • Danke für diese Ausführung.

    Bei dem Wort Idiot bin ich immer wieder erstaunt, also wenn man sich die Wortherkunft mal vor Augen hält.

    Eigentlich stammt es aus dem Griechischen ἰδιώτης = „einfacher Mensch; Privatmann; Laie“ von ἴδιος = „eigen; den Einzelnen betreffend“. Natürlich ist ein Laie jemand, der von einem Gebiet keine Kenntnis hat, d.h. aber nicht zwingend, dass er nun ein Idiot

    - in der heutigen Bedeutung - ist. Ein ganz schöner Wandel, den das Wort da vollzogen hat.

  • Bei dem Wort Idiot bin ich immer wieder erstaunt, also wenn man sich die Wortherkunft mal vor Augen hält.

    Eigentlich stammt es aus dem Griechischen ἰδιώτης = „einfacher Mensch; Privatmann; Laie“ von ἴδιος = „eigen; den Einzelnen betreffend“. Natürlich ist ein Laie jemand, der von einem Gebiet keine Kenntnis hat, d.h. aber nicht zwingend, dass er nun ein Idiot

    Diese Definition passt aber gut, wie es medizinisch einst gemeint war - ein sehr einfach gestrickter Mensch, der anderen in seinen Geistesgaben unterlegen ist.

  • Diese Definition passt aber gut, wie es medizinisch einst gemeint war - ein sehr einfach gestrickter Mensch, der anderen in seinen Geistesgaben unterlegen ist.

    Das mit dem einfach kann man so oder so lesen. Im Altgriechischen bezeichnet ἴδιος eigentlich den einzelnen, einfachen Bürger im Gegensatz zum Staat oder einen einfachen Menschen = Laie im Gegensatz zum Experten.

    Das Wort einfach ist hier etwas ambivalent.

    D.h. gemäß der ursprünglichen Bedeutung sind wir alle Idioten auf irgendeinem Feld, vermutlich auf einigen Feldern :lache