Über Weiß hätte ich, genau wie chiclana, tatsächlich gern mehr erfahren - ich bin da vielleicht etwas extrem, aber für mich ist es gerade bei Büchern mit so schweren Themen extrem wichtig, zu verstehen, wie jeder einzelne gehandelt hat. Das schränkt mich auch bei Krimis häufig stark ein, weil mir "Serienmörder weil böse" einfach zu wenig ist.
Ja, das ist mir auch zu wenig, wenn Serienmörder einfach "böse" sind.
Auch wenn ich nicht alles in die Romane schreiben kann, weil es sonst ggf. den Rahmen sprengen würde - Doktor Weiß war jemand, der von seinen Eltern nur Anerkennung für Leistung bekam - er fühlte sich oft hilflos und sehnte sich danach, etwas Besonderes zu sein. Und diese Hilflosigkeit wollte er mit Macht kompensieren. Als Psychiater hat er sich dann den Kranken überlegen gefühlt und wollte ein wenig Gott spielen - um seine eigenen Minderwertigkeitskomplexe zu überspielen. Er hat sich in den Rückblenden ja auch immer an Bernhard herangemacht, weil er eigentlich dessen Zuwendung wollte. Wolfgang war ihm da eher egal. Aber Bernhard hatte viel von dem, was Weiß selbst gern gehabt hätte. Eine intelligente Frau, eine gute Familie, einen Schwiegervater, der eine eigene Klinik betrieb. Dieses Gefühl hat Weiß dann nachher auch dazu gebracht, in Gut Mohlenberg unterzukommen. Und der Versuch, ausgerechnet Bernhard, der jetzt ja so schwer beeinträchtigt war, in seinem Sinne zu manipulieren, hat ihm eine sadistische Genugtuung gegeben. Allerdings war Bernhard am Ende trotz seiner Behinderung noch immer mental stärker. Er hat Weiß doppelt besiegt - geistig, weil es nicht so ganz mit der Manipulation klappte - und auch dadurch, dass Weiß nicht damit durchgekommen ist. Der Schuss, mit dem er Bernhard tötete, tötete Weiß ja im Grunde auch als Charakter. Weil Bernhard verantwortungsvoll mit seinem Pferd umgegangen ist, das von den Granatangriffen traumatisiert war und es nach Hause schickte, konnte es nur dazu kommen, dass das Pferd dann nach dem Schuss durchdrehte und Weiß den Schädel eingetreten hat. Somit hat Weiß geerntet, was er gesät hat - aber vorher leider sehr viel Unheil über andere Menschen gebracht, weil ihm Menschenleben nichts wert waren. Das waren nur Mittel zum Zweck. Er hat als narzisstisch missbrauchtes Kind, das die Eltern nicht um seiner selbst willen liebten, nie Empathie mit anderen gelernt. Bernhard hatte davon hingegen sehr viel und die steckte so tief in ihm, dass sie auch blieb, als er alles andere verloren hatte.