'Jakob der Lügner' - Seiten 213 - Ende


  • Es ist schwierig, Dir meine Gefühle zu vermitteln und zu erklären, wenn nur ich sie empfinde, ebenso andersrum. Daher kannst Du zwar lesen, was ich schreibe und versuche zu erklären und vielleicht auch inhaltlich nachvollziehen, aber ich glaube, emotional greifen kannst weder Du meine Empfindungen noch ich Deine. Das ist gar kein Vorwurf, das ist einfach meine Feststellung bzw. meine Sicht, warum es schwierig ist, mich und meine Gefühle diesbezüglich nachzuvollziehen. Du sagst, das hat nichts damit zu tun, dass Du Deutsche bist, aber ich kann mir wiederum nicht vorstellen, dass die Tatsache, dass man quasi mit diesen "Untaten der deutschen Geschichte" aufwächst, wirklich keinen Einfluss hat. Aber wie gesagt, das ist nur meine Sicht auf diese Sachen.


    Mich treffen selbstverständlich auch andere ähnliche Verbrechen. Und auch ich finde es unfassbar, was geschah (oder woanders geschieht), absolut unmenschlich und einfach nicht zu fassen, zu begreifen, nicht zu erklären. Allein die Vorstellung, da wird jemand abtransportiert und in einer Gaskammer vergast - mein Kopf kann so etwas einfach nicht nachvollziehen, diese Qual vorher und währenddessen möchte ich mir nicht vorstellen oder kann es einfach nicht. Welche Ängste die Menschen ausstehen mussten usw. Das ist für mich schwer greifbar und natürlich berührt und beschäftigt mich das. Ich glaube trotzdem, dass die Betroffenheit nochmal einen anderen Grad oder andere Facette bekommt, wenn man deutsche Wurzeln hat, in Deutschland geboren und aufgewachsen ist. Ich glaube, es hat einen zusätzlichen Einfluss auf den Blick auf die ganze Geschichte. Sicher gibt es auch Deutsche, die es gar nicht berührt und viele andere Nationen, deren Bürger es trotzdem sehr mitnimmt. Es sind schreckliche Dinge, die vielen Menschen nahe gehen, wenn man sich damit beschäftigt.


    Vielleicht sollte ich meine Aussage/Theorie etwas korrigieren oder anpassen - es geht hier nicht um die Intensität der Gefühle oder nicht nur. Sondern auch um die Art. Ich kann das gerade nicht konkreter benennen. Ich glaube einfach, ich kann es schrecklich, unbegreiflich, belastend, bedrückend usw. empfinden. Aber ich werde trotzdem immer anders drauf gucken, als ein Mensch, der deutsche Wurzeln hat bzw. von seiner Geburt an quasi mit diesem Teil der eigenen Geschichte konfrontiert wurde und sich dem nicht so einfach entziehen kann. Ich glaube ja, dass sich das auch heute im Verhalten vieler Deutsche "widerspiegelt", diese Beschäftigung mit diesem furchtbaren Teil der Geschichte. Aber ja, mir ist klar - das ist meine Theorie. ;)

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  • Findus, Du hast vollkommen recht, in seiner Geschichte auskennen sollte sich jeder. Ich habe das überhaupt nicht auf Deutsche allein bezogen oder so gemeint - nur für den Fall, dass das falsch rübergekommen ist.

    Und ja natürlich, auch ohne die persönliche Schuld kann man Empathie empfinden und sich Gedanken machen - das ist absolut wichtig und auch richtig so.


    Bgzl. der "deutschen Schuldfrage" und dem, was andere Völker bzw. ich sage einfach mal "Nicht-Deutsche" davon halten, ist das aber evtl. falsch rübergekommen. Ich schrieb ja in etwa, dass sich viele Deutsche ja gar nicht so richtig damit befassen, wie das andere sehen. Natürlich kann man einwerfen, das ist irrelevant. Es geht ja darum, wie man selbst das findet. Aber Dein "Jeder soll vor seiner eigenen Tür kehren" klingt für mich, als hättest Du mich so interpretiert, dass Nicht-Deutsche finden, der Deutsche hat sich gefälligt schuldig zu fühlen und das tut er in Augen vieler Nicht-Deutscher nicht genug. Falls es so ankam - auch das war so überhaupt nicht gemeint. Im Gegenteil - man kann sich den einen oder anderen Schuh auch ausziehen, den man angezogen bekam. Der heutige Deutsche mag ja irgendwo irgendwie noch mit dem einen oder anderen Menschen aus der NS-Zeit verwandt (gewesen) sein. Aber er trägt nicht die Schuld daran. Und wenn man sich mit der NS-Zeit beschäftigt, Empathie entwickelt und so etwas in der Zukunft nicht mehr zulässt, dann darf man auch aus seinem Schneckenhaus rauskommen und ein bisschen stolz auf sein Land sein - trotz Dinge, die in der Vergangenheit nicht gelaufen sind.


    ich möchte die Untaten der NS-Zeit nicht runterspielen. Ich möchte nicht, dass sie vergessen werden, dass man sich in Schulen nicht mehr damit beschäftigt oder dass Sprüche wie von der AfD kommen "Jetzt ist aber gut damit.". Manche Dinge sollten nie vergessen werden, allein schon als Warnung, dass sowas nicht nochmal passiert, sollten sie im Kopf bleiben. Aber ja, ich als Nicht-Deutsche haben oft selbst das Gefühl, dass sich die Deutschen als Nation schlechter fühlen, als sie sind, eben aufgrund der NS-Zeit. Es kommt mir manchmal so vor, als würde man sich in Deutschland gewisse Dinge nicht trauen oder nicht zugestehen oder gar schlimm finden (z.B. den Stolz auf das eigene Land oder das Raushängen der Fahne usw.) und ich glaube schon, dass vieles davon mit der NS-Vergangenheit zu tun hat. Ich finde es sehr schade. Und ja, mich als Nicht-Deutsche nervt es fast, wie der eine Deutsche dem anderen Deutschen das Raushängen seiner Fahne (als Beispiel) dann madig macht. Wie man immer wieder hört "Wie kann ich auf mein Land stolz sein, ich hab doch hier nichts beigetragen" und Stolz ist in Deutschland überhaupt negativ und bla.


    So, ich schweife mal wieder ab...:lache;)

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  • Das ist es ja, Tante Li. So wie in diesem Buch erwähnt (und da hast Du recht, klar hängt die Schuldfrage mit dem Buch zusammen), kommt es mir oft vor - als würde manche Deutsche denken, sie können kein guter Mensch sein, weil sie ja Deutsche sind und ein Stück NS-Vergangenheit steckt quasi in jedem drin. :gruebel


    Ich bin in der Slowakei geboren, aber seit meinem 14.-15. Lebensjahr in Deutschland. Ich fühle mich schon auch dem deutschen Volk sehr zugehörig, viele in meinem Freundeskreis oder Kollegenkreis sind erstaunt, wenn sie hören, dass ich keine deutsche Staatsbürgerschaft habe (das ist ein komplizierteres Thema, ich hoffe einfach, dass es dieses Jahr klappt...). Ich mag dieses Land und die Menschen, auch wenn natürlich nicht immer alles glatt läuft. Aber da meine Eltern nicht deutsch waren und ich auch nicht mit der NS-Vergangenheit so nah an mir aufgewachsen bin, empfinde ich das etwas anders und beim Lesen Bücher wie dieser wird mir klar, dass ich vieles gar nicht weiß, obwohl ich einiges ja auch noch in Deutschland in der Schule gelernt oder zumindest gehört habe.


    Mit der Geschichte der Slowakei habe ich mich in der Schule beschäftigt, danach in der Tat eher wenig. Ab und zu lese ich was im Internet nach, wenn mir etwas "über den Weg läuft", aber es ist ja einfacher, sich in Deutschland über Deutschland zu informieren als über die Slowakei. Hier gibt es nicht viele Bücher über mein Land, hier gibt es wenig Menschen, mit denen ich mich so austauschen könnte wie mit euch z.B. hier über das Buch und ich kann ja nun auch nicht einfach so die Geschichten zweier Länder im Kopf haben. Aber Deine Frage ist sehr interessant, denn mir fällt oft auf, dass ich über Deutschland vielleicht sogar mehr weiß als über die Slowakei. :gruebel

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  • Ich mag es wenn du abschweifst ;) aber Du bringst Dinge auch wunderbar auf den Punkt. Nicht jeder Deutsche zieht sich den Schuh an. Schuldig fühlen sollten sie sich aber auch nicht, wegen der Dinge, die ihre Väter und Vorväter getan haben.

    Ich ziehe mir auch den Schuh der Türken nicht an die über 1,2 Millionen Armenier abgeschlachtet, verhungern und vertrieben haben, die auf ihren Todesmärschen gestorben sind. Nein, den muss ich mir nicht anziehen aber es macht mich trotzdem betroffen und ich finde es unbegreiflich, dass auch damals kein Land eingegriffen hat obwohl genug Hilferufe nach draußen gingen. Aber auch ich schweife ab, wobei ich auch nicht sagen will, dass eine Schuld durch eine andere aufgehoben werden kann oder aufgerechnet?


    Ich hatte, und das betrifft jetzt nur mich, noch nie das Gefühl als Deutsche etwas besonderes zu sein. Ich weiß nicht, wie das mit Leuten meiner Geburtsjahre auch so ist und inwiefern das etwas mit der Vermittlung in den Schulen zu tun hat.

    Egal, das alles hat ja nichts mehr mit dem Buch zu tun.

  • Ich mag es wenn du abschweifst ;) aber Du bringst Dinge auch wunderbar auf den Punkt. Nicht jeder Deutsche zieht sich den Schuh an. Schuldig fühlen sollten sie sich aber auch nicht, wegen der Dinge, die ihre Väter und Vorväter getan haben.

    Ich ziehe mir auch den Schuh der Türken nicht an die über 1,2 Millionen Armenier abgeschlachtet, verhungern und vertrieben haben, die auf ihren Todesmärschen gestorben sind. Nein, den muss ich mir nicht anziehen aber es macht mich trotzdem betroffen und ich finde es unbegreiflich, dass auch damals kein Land eingegriffen hat obwohl genug Hilferufe nach draußen gingen. Aber auch ich schweife ab, wobei ich auch nicht sagen will, dass eine Schuld durch eine andere aufgehoben werden kann oder aufgerechnet?


    Ich hatte, und das betrifft jetzt nur mich, noch nie das Gefühl als Deutsche etwas besonderes zu sein. Ich weiß nicht, wie das mit Leuten meiner Geburtsjahre auch so ist und inwiefern das etwas mit der Vermittlung in den Schulen zu tun hat.

    Egal, das alles hat ja nichts mehr mit dem Buch zu tun.


    :kiss


    Hast Du türkische Wurzeln oder Vorfahren? Würde das jetzt so interpretieren wegen Deiner Äußerung zu den Türken und Armeniern.

    Ansonsten sind wir uns da, glaube ich, ziemlich einig.

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  • :kiss


    Hast Du türkische Wurzeln oder Vorfahren? Würde das jetzt so interpretieren wegen Deiner Äußerung zu den Türken und Armeniern.

    Ansonsten sind wir uns da, glaube ich, ziemlich einig.

    Nein, habe ich auch nicht, bin sozusagen urdeutsch, gut, was man halt so weiß über die Familie. Meine Tochter hatte eine armenische Freundin, deren Familie wegen immer noch herrschenden Animositäten dort, ausgewandert ist. Das ist alles.

  • Ach so, Danke, dann hab ich das ganz falsch aufgefasst. Danke für die Erklärung.

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  • Es ist schwierig, Dir meine Gefühle zu vermitteln und zu erklären, wenn nur ich sie empfinde, ebenso andersrum. Daher kannst Du zwar lesen, was ich schreibe und versuche zu erklären und vielleicht auch inhaltlich nachvollziehen, aber ich glaube, emotional greifen kannst weder Du meine Empfindungen noch ich Deine. Das ist gar kein Vorwurf, das ist einfach meine Feststellung bzw. meine Sicht, warum es schwierig ist, mich und meine Gefühle diesbezüglich nachzuvollziehen. Du sagst, das hat nichts damit zu tun, dass Du Deutsche bist, aber ich kann mir wiederum nicht vorstellen, dass die Tatsache, dass man quasi mit diesen "Untaten der deutschen Geschichte" aufwächst, wirklich keinen Einfluss hat. Aber wie gesagt, das ist nur meine Sicht auf diese Sachen.

    Ich finde es sehr schön, das wir so gut in einen Austausch kommen. Das vertieft die Lektüre noch einmal viel mehr und die Gedanken gehen tiefer.

    Ich wollte dir deine Sicht der Dinge nicht nehmen, sondern nur erklären, warum mich das Buch so sehr berührt.

    Deine These kann ich nicht überprüfen, weil ich nicht weiß, wie es ist, ohne deutsche Sozialisation aufzuwachsen. Aber ich bin von anderen Unrechten genauso erschüttert, wenn sie nicht von Deutschen begangen werden. Daher mein Gedanke, dass es die Unmenschlichkeit an sich ist, die in jeder Zeile dieses Buches unterschwellig mitschwingt., die mich so durchrüttelt.

    Übrigens fühle ich mich nicht schuldig, allerdings in der Verantwortung, dass die Geschichte nicht vergessen wird, ähnlich wie Findus .

    Die eigentliche Geschichte aber bleibt unerzählt, denn ihre wahre Sprache könnte nur die Sprachlosigkeit sein. Natascha Wodin

  • dann darf man auch aus seinem Schneckenhaus rauskommen und ein bisschen stolz auf sein Land sein - trotz Dinge, die in der Vergangenheit nicht gelaufen sind.

    Das ist ein Punkt, da habe ich generell ein Problem damit. Ich kann mich durchaus freuen oder dankbar sein, in einem demokratischen Land zu leben, in dem ich mich versorgen kann und in dem ich sicher leben kann. Aber stolz kann ich nur auf etwas sein, wozu ich selbst beigetragen oder was ich geleistet habe. Dafür, dass ich Deutsche bin, kann ich nun gar nichts. Ich bin auch nicht stolz auf Olympiasieger, schon gar nicht auf Päpste oder ähnliche Figuren.

    Für mich fühlt sich der Gedanke, stolz auf meine Nationalität zu sein, komisch an.

    Die eigentliche Geschichte aber bleibt unerzählt, denn ihre wahre Sprache könnte nur die Sprachlosigkeit sein. Natascha Wodin

  • Das ist ein Punkt, da habe ich generell ein Problem damit. Ich kann mich durchaus freuen oder dankbar sein, in einem demokratischen Land zu leben, in dem ich mich versorgen kann und in dem ich sicher leben kann. Aber stolz kann ich nur auf etwas sein, wozu ich selbst beigetragen oder was ich geleistet habe. Dafür, dass ich Deutsche bin, kann ich nun gar nichts. Ich bin auch nicht stolz auf Olympiasieger, schon gar nicht auf Päpste oder ähnliche Figuren.

    Für mich fühlt sich der Gedanke, stolz auf meine Nationalität zu sein, komisch an.

    :write:write da muss ich nichts hinzufügen, da sind wird ganz beieinander. :knuddel1

  • Das ist es ja, Tante Li. So wie in diesem Buch erwähnt (und da hast Du recht, klar hängt die Schuldfrage mit dem Buch zusammen), kommt es mir oft vor - als würde manche Deutsche denken, sie können kein guter Mensch sein, weil sie ja Deutsche sind und ein Stück NS-Vergangenheit steckt quasi in jedem drin. :gruebel


    Ich bin in der Slowakei geboren, aber seit meinem 14.-15. Lebensjahr in Deutschland. Ich fühle mich schon auch dem deutschen Volk sehr zugehörig, viele in meinem Freundeskreis oder Kollegenkreis sind erstaunt, wenn sie hören, dass ich keine deutsche Staatsbürgerschaft habe (das ist ein komplizierteres Thema, ich hoffe einfach, dass es dieses Jahr klappt...). Ich mag dieses Land und die Menschen, auch wenn natürlich nicht immer alles glatt läuft. Aber da meine Eltern nicht deutsch waren und ich auch nicht mit der NS-Vergangenheit so nah an mir aufgewachsen bin, empfinde ich das etwas anders und beim Lesen Bücher wie dieser wird mir klar, dass ich vieles gar nicht weiß, obwohl ich einiges ja auch noch in Deutschland in der Schule gelernt oder zumindest gehört habe.


    Mit der Geschichte der Slowakei habe ich mich in der Schule beschäftigt, danach in der Tat eher wenig. Ab und zu lese ich was im Internet nach, wenn mir etwas "über den Weg läuft", aber es ist ja einfacher, sich in Deutschland über Deutschland zu informieren als über die Slowakei. Hier gibt es nicht viele Bücher über mein Land, hier gibt es wenig Menschen, mit denen ich mich so austauschen könnte wie mit euch z.B. hier über das Buch und ich kann ja nun auch nicht einfach so die Geschichten zweier Länder im Kopf haben. Aber Deine Frage ist sehr interessant, denn mir fällt oft auf, dass ich über Deutschland vielleicht sogar mehr weiß als über die Slowakei. :gruebel

    Das ist ja interessant! Unter anderem auch, weil die Slowaken im Laufe der Jahrtausende immer wieder mit den Germanen (Ostfranken, Österreichern, Karpatendeutsche) zu tun hatten und sich wahrscheinlich auch vermischt haben.

    Ich habe mir gerade durchgelesen, was Wikipedia dazu weiß. Dabei bin ich darauf gestoßen, dass sich die Slowakei 1939 am deutschen Überfall auf Polen beteiligt hat, antisemitische Gesetze erlassen und den Großteil der slowakischen Juden 1942 in die Vernichtungslager deportiert hat.

    Vermutlich wurde das in der diktatorischen Zeit nach dem Krieg aus den Schulbüchern entfernt oder gar nicht erst darin aufgenommen. Sowjetische Staaten haben ja gern die Aufarbeitung der Gräueltaten allein den Deutschen überlassen.

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    Von den vielen Welten, [...] ist die Welt der Bücher die größte. (Hermann Hesse)


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  • Ich finde es sehr schön, das wir so gut in einen Austausch kommen. Das vertieft die Lektüre noch einmal viel mehr und die Gedanken gehen tiefer.

    Ich wollte dir deine Sicht der Dinge nicht nehmen, sondern nur erklären, warum mich das Buch so sehr berührt.

    Deine These kann ich nicht überprüfen, weil ich nicht weiß, wie es ist, ohne deutsche Sozialisation aufzuwachsen. Aber ich bin von anderen Unrechten genauso erschüttert, wenn sie nicht von Deutschen begangen werden. Daher mein Gedanke, dass es die Unmenschlichkeit an sich ist, die in jeder Zeile dieses Buches unterschwellig mitschwingt., die mich so durchrüttelt.

    Übrigens fühle ich mich nicht schuldig, allerdings in der Verantwortung, dass die Geschichte nicht vergessen wird, ähnlich wie Findus .


    Die Unmenschlichkeit erschüttert mich ja auch, das kann ich nicht leugnen. Aber ich glaube, auf andere Weise bzw. weniger "mitverantwortlich".


    Den letzten Satz von Dir finde ich sehr treffend. Das find ich ja auch sehr wichtig.


    Was das Thema "Stolz" angeht, ist vielleicht genau dieses Wort nicht so der beste Begriff.

    Dennoch würde ich mal behaupten, dass er in Deutschland noch negativer betrachtet wird (egal, in welcher Verbindung, muss nicht unbedingt nur das Land/die Nation sein). Ist aber nur meine subjektive Wahrnehmung.

    Aber auch wenn ich von dem Wort "Stolz" weggehe und Begriffe wie "Heimatliebe", "Liebe/Zuneigung zu seiner Nation" oder "Patriotismus" nehme - ich habe den (subjektiven) Eindruck, dass dies in Deutschland auch sehr schwierig und verpönnt ist. Das einfache Beispiel mit den deutschen Fahnen kommt mir da immer wieder in den Kopf. Als wäre Patriotismus was Schlimmes. Ich habe auch nichts dazu beigetragen, dass ich Slowakin bin. Und mein kleines, teilweise unbekanntes Heimatland (immer wieder gerne verwechselt mit Slowenien oder bekannt nur als Teil der ehemaligen Tschechoslowakei) hat noch nicht mal so viel "Berühmtheit" (auch positiv) erlangt wie Deutschland - dennoch bin ich in gewisser Weise stolz auf diese Zugehörigkeit. Ich kann diesen "Stolz" nicht erklären. Ich muss es aber auch nicht. Wenn jemand ein Problem damit hat, kann er es behalten. (Und ebenso empfinde ich Scham, wenn mein Heimatland etwas macht, was ich unmöglich finde. Übrigens gibt es ja in Deutschland den Begriff des "Fremdschämens", warum auch nicht den "Fremdstolz..." - aber das ist eine andere Diskussion.)


    Für mich heißt aber Stolz ja nicht unbedingt, dass die anderen (Menschen oder Länder oder was auch immer) schlechter sind.


    Ich glaube, dass diese Problematik des Stolzes oder eben der Heimatliebe und des Patriotismus in Deutschland sehr viel mit der NS-Vergangenheit zu tun hat. Und vielleicht auch damit, dass in der NS- Zeit sich die Deutschen eben für besser gehalten haben im Vergleich zu den Juden. :gruebel

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  • Für mich heißt aber Stolz ja nicht unbedingt, dass die anderen (Menschen oder Länder oder was auch immer) schlechter sind.


    Ich glaube, dass diese Problematik des Stolzes oder eben der Heimatliebe und des Patriotismus in Deutschland sehr viel mit der NS-Vergangenheit zu tun hat. Und vielleicht auch damit, dass in der NS- Zeit sich die Deutschen eben für besser gehalten haben im Vergleich zu den Juden. :gruebel

    Ich glaube ich kann das nicht mehr heraus finden woran es liegt. Ich habe auch keinen Vergleich, wie andere Deutsche damit umgehen. Dass es heutzutage Strömungen gibt, die diesen Nationalstolz auf ihre Fahne geschrieben haben finde ich ja eher bedenklich. Wenn aber Leute feiern, weil ihre Nationalmannschaft gewonnen hat, kann ich das mitfühlen. Ich freue mich auch, wenn die Deutschen im Handball oder Eishockey gewinnen. Das war es aber auch. Ich bin aber auch selten sehr euphorisch, mein Temperament ist eher gemäßigt.


    Wenn ich schon bei meiner Tochter in den USA war, fand ich diesen Nationalstolz der Amerikaner und ihre Angewohnheit ihre Flaggen am Haus und in Vorgärten ganzjährig auszuhängen eher befremdlich.

  • Das ist ja interessant! Unter anderem auch, weil die Slowaken im Laufe der Jahrtausende immer wieder mit den Germanen (Ostfranken, Österreichern, Karpatendeutsche) zu tun hatten und sich wahrscheinlich auch vermischt haben.

    Ich habe mir gerade durchgelesen, was Wikipedia dazu weiß. Dabei bin ich darauf gestoßen, dass sich die Slowakei 1939 am deutschen Überfall auf Polen beteiligt hat, antisemitische Gesetze erlassen und den Großteil der slowakischen Juden 1942 in die Vernichtungslager deportiert hat.

    Vermutlich wurde das in der diktatorischen Zeit nach dem Krieg aus den Schulbüchern entfernt oder gar nicht erst darin aufgenommen. Sowjetische Staaten haben ja gern die Aufarbeitung der Gräueltaten allein den Deutschen überlassen.


    Da weißt Du nun mehr als ich bzw. habe ich ja wieder was gelernt. Falls Du noch weißt, wo Du was gelesen hast, gerne her damit, sonst suche ich ein anderes Mal selbst. Ich glaube, dass ich in der Slowakei im Geschichtsunterricht noch nicht soo viel mitgekriegt hatte über die NS-Zeit. Ich hab ja die Slowakei nach der 7. Klasse verlassen. Bis dahin war in der Geschichte bestimmt was über die Entstehung der Slowakei (woran ich mich kaum noch erinnern kann), viel noch über die Zeit davor (also Mittelalter und so) und slowakische Geschichte. So ausführlich wie in Deutschland später habe ich damals noch nicht über Weltkriege gelernt, zumal Geschichte ja vermutlich frühestens in der 5. Klasse kam.


    Ich kann mir nur daran erinnern, dass sehr lange (im Kommunismus und so) Russland als "der Retter" galt und später dann die USA.


    Was heute in den Schulen gelehrt wird, auch in Bezug auf NS-Zeit, das kann ich Dir überhaupt nicht sagen. Und natürlich ist es auch was anderes, ob ich sowas heute lerne/lese/erfahre oder ob ich mit diesem Gefühl der "Verantwortung" oder gar "Schuld" sozialisiert wurde.


    Aber sehr interessant, was Du da nachgelesen hast.

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  • Wie gesagt war das jetzt nur der Wikipedia-Artikel über die Slowakei (Abschnitt Geschichte).

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  • Ok. Hätte sein können, dass Du weiter "geforscht" oder Dich irgendwo durchgeklickt hast.

    Ich werde nachlesen und dann auch mal sehen, was das slowakische Wikipedia hier so sagt...

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  • Ich hätte hier noch ein Buch im Regal stehen, das sich mit "München 1938" beschäftigt (von Keith Robbins) - aber das habe ich noch nicht gelesen.

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  • Ich glaube, dass diese Problematik des Stolzes oder eben der Heimatliebe und des Patriotismus in Deutschland sehr viel mit der NS-Vergangenheit zu tun hat. Und vielleicht auch damit, dass in der NS- Zeit sich die Deutschen eben für besser gehalten haben im Vergleich zu den Juden.

    Ich habe noch einmal darüber nachgedacht. Ich könnte jetzt niemanden aus meinem Umfeld benennen, der stolz ist, Deutsche(r) zu sein oder mit dem ich schon einmal explizit darüber gesprochen hätte. :gruebel

    Deshalb kann ich nur von mir sprechen. Ich weiß noch, wie FURCHTBAR ich die Schlagzeile "Wir sind Papst" fand, weil ich nichts mit diesem Oberhaupt der katholischen Kirche gemein haben wollte. Im Studium habe ich mich mit einigen seiner Schriften auseinandergesetzt, das hat mir gereicht. Er ist keinen Deut besser, nur weil er aus Deutschland kommt. Und schon gar nicht wäre ich stolz darauf. Das ist vielleicht ein schlechtes Beispiel, aber vielleicht verdeutlicht es doch meine Einstellung.


    Ich finde die Diskussion, die du losgetreten hast, sehr interessant und froh, dass wir in den Austausch kommen.

    Die eigentliche Geschichte aber bleibt unerzählt, denn ihre wahre Sprache könnte nur die Sprachlosigkeit sein. Natascha Wodin

  • Das mit dem "Wir sind Papst" fand ich auch albern und unpassend. Das war nur eine blöde Schlagzeile.

    Aber ich bin wirklich froh Deutsche zu sein und finde, Deutschland kann stolz sein auf die Entwicklung, die es vom Nazi-Staat zur heutigen Toleranz und Demokratie geschafft hat.

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  • Ich finde, dass Deutschland da in den letzten Jahren eher zurück, denn voran geschritten ist.Vor allem was die Toleranz anbelangt. Und die Demokratie ist auch an vielen Stellen sehr wackelig.