Michael Wilckes "Hexentage" ist ein durchwegs spannender Roman über den Hexenwahn in den deutschen Landen. Er beschränkt sich auf Osnabrück (übrigens ein hübsches Städtchen) und das Hin und Her zwischen katholischer und protestantischer Obrigkeit während des 30jährigen Krieges und behandelt die Geschichte der Apothekersfrau Anna Ameldung und die Ratsherrenwitwe Anna Modemann, die 1636 Opfer einer lokalpolitischen Intrige sind. Wilhelm Peltzer, protestantischer Bürgermeister von Osnabrück, festigt seine Macht, indem er den Hexenwahn schürt und auf diesem Wege seine Kritiker mundtot zu machen, weil auch deren Familien der Vorwurf der Hexerei droht.
Der junge Mindener Jakob reist 1636 mit seinem Onkel nach Osnabrück, um einen Hexenprozess zu beobachten. Er lernt die schwangere Sara kennen, Tochter eines Goldschmieds, und verliebt sich in sie. Als auch sie in den Verdacht der Hexerei gerät, entwirft er einen verwegenen Plan zu ihrer Rettung - selbst auf die Gefahr hin, dass er sich dabei nicht nur mit Peltzer überwirft, sondern seine gesamte Zukunft aufs Spiel setzt.
Die Geschichte ist wirklich spannend geschrieben, obwohl ich dicke Kröten schlucken musste: Sara ist nämlich eine viel zu moderne Frau. Das ist zwar damit begründet, daß sie mit ihrem Vater weit gereist ist, aber mir wollte es einfach nicht einleuchten - auch nicht, dass ein damaliger "anständiger" Junge wie Jakob sich in ein Mädchen verliebt, dass sich von einem wildfremden Kerl hat schwängern lassen.
Dafür ist der juristische Teil des Romans mindestens so spannend wie die sattsam bekannten US-Gerichtsthriller (vor allem, weil mich die juristischen Verhältnisse in den USA nicht die Bohne interessieren - aber dafür die hiesigen).
Außerdem räumt Wilcke entschieden mit dem nicht tot zu kriegenden Vorurteil auf, der Hexenwahn sei ein Phänomen des Mittelalters - nein, es ist ein Produkt der Neuzeit, genährt von Reformation und Gegenreformation und politischen Wirren, und wurde weniger von "der Kirche" betrieben als von lokalen Mächtigen und fanatischen Pfarrern in den Gemeinden. Das macht Wilcke wirklich sehr, sehr gut und spannend und beweist, dass man die historische Realität nicht verdrehen muss, um eine tolle Geschichte zu schreiben.
Fazit: gute Unterhaltung und man erfährt eine Menge über die Zeit des 30jährigen Krieges, speziell (aber nicht nur) in und um Osnabrück.