Der 21. Dezember von polli
Eine Nikolausgeschichte
Im Dezember ist es meist langweilig zu Hause. Außer an dem Tag, als der Nikolaus und sein Ruprecht zu Besuch kamen. Die beiden sahen so aus, wie Erwachsene sich den Nikolaus und seinen Mitarbeiter vorstellen: Langer roter Bademantel mit weißem Fell an den Rändern und Kapuze, angeklebter Bart, Sneakers. Der andere mit schwarzen Anziehsachen und einer schwarzen Skimütze. So eine, die man bei Banküberfällen braucht.
Ich tat meinen Eltern den Gefallen und sagte ein Gedicht auf. Nur bei dem Weihnachtslied streikte ich. Das hat dann meine Mutter gesungen und sich danach beim Nikolaus für mich entschuldigt. „Er ist ziemlich schüchtern, wissen Sie!“
Ich gucke dann immer starr auf meine Fußspitzen, das funktioniert auch in der Schule, und dann lassen sie dich in Ruhe. Danach las der Nikolaus einen Zettel mit Mamas Handschrift vor. Da steht jedes Jahr so ziemlich das Gleiche drauf. Drei Sachen, die Mama gut findet an mir und zwei Sachen, die ich im nächsten Jahr besser machen soll. Dieses Mal war zum Beispiel dabei, dass ich so viel zu Hause bin und zu wenig an der frischen Luft.
Ich musste versprechen, dass ich mich furchtbar anstrenge, viel an der frischen Luft zu sein. Danach gab es Geschenke. Die fallen bei uns immer zu groß aus. Weil ich ein Nachzügler bin, sagt die Nachbarin immer. Und zu ihrer Zeit hätte es höchstens Nüsse und eine Apfelsine gegeben.
Der Ruprecht fummelte ziemlich ruppig die beiden sperrigen Riesenkisten aus dem Sack heraus. Ich an seiner Stelle hätte mich gar nicht erst von Papa beschwatzen lassen, die Sachen da reinzutun. Irgendwann klappte es doch und dann zwangen sie mich, dem Nikolaus „DankeschönfürdieschönenGeschenke“ zu sagen. Als ob er das Zeug selbst gekauft hätte. Sie standen alle um mich herum und ich musste die Pakete auspacken.
Der Nikolaus wollte schnell weiter, er sprang auf und rannte in den Hausflur. Papa hielt ihn fest und schüttelte ihm die Hand, etwas zu lange, weil ich nicht mitkriegen sollte, dass sie einen Briefumschlag mit Geld für den Auftritt dabei hatten, und danach war das Schauspiel zu Ende. Nein, nicht ganz. „Ruprecht, trödel nicht rum!“, rief er und dann kam der Mitarbeiter eilig heraus und die beiden winkten noch, ehe sie verschwanden.
Ich weiß nicht, warum ich die beiden seltsam fand. Es war nur so ein Gefühl. Und deshalb zog ich meine Winterstiefel und die dicke Jacke an und sagte meinen Eltern, dass ich heute schon mit der vielen frischen Luft anfangen wollte. Das fanden sie gut. Mama rief mir noch hinterher, dass ich mein Handy zu Hause lassen soll. Ich weiß, ich könnte es verlieren oder jemand klaut es. „Ja, Mama!“, rief ich und schob mein Handy tief in die Jackentasche.
Draußen sah ich gerade noch rechtzeitig den Nikolaus und seinen Ruprecht an der Ecke abbiegen. Sie waren ziemlich schnell und ich hatte Mühe, ihnen zu folgen. Nach ein paar Minuten stoppten sie an meiner alten Schule und ich fragte mich, was sie dort wollten. Schließlich war dort alles dunkel. Dann sah ich, dass das Tor zum Lehrerparkplatz offen stand und ein kleiner Lieferwagen dort parkte. Ich schlich mich näher heran und versteckte mich hinter einem der alten Bäume, die auf der Schulwiese neben dem Parkplatz stehen.
Sie öffneten die Seitentür und stellten den Geschenkesack drinnen im Wagen ab. Der Nikolaus griff hinein und holte einen dunklen Kasten heraus. Als es ihm nach mehreren Anläufen nicht gelang, ihn aufzuklappen, fluchte er.
Ich hätte ihm locker sagen können, dass an jeder Seite ein kleiner Stift ist, den man hineindrücken muss. Wenn man das geschafft hat, springt der Deckel auf und dann sieht man alle Uhren, die Papa gesammelt hat. Aber ich war einfach nur sauer, dass der Nikolaus und sein Helfer so gemein waren, uns zu beklauen. Ich bin schnell runter vom Schulgelände und dann habe ich von draußen das Tor vom Lehrerparkplatz zugeknallt. Ohne Schlüssel geht das Schloss nicht auf. Die beiden haben total geflucht, sie haben am Tor gerappelt, aber sie konnten es nicht öffnen. Ich habe mich auf der anderen Straßenseite versteckt und mit meinem Handy die Polizei angerufen. Ziemlich bald kam dann ein Streifenwagen und die Polizisten haben gesehen, dass der falsche Nikolaus und sein Helfer zu Fuß abhauen wollten, über den Zaun vom Schulgelände. Das war cool, wie die Polizisten die beiden gefangen haben. So wie im Film, nur besser. Und in echt.
Später haben sie mich mit dem Streifenwagen nach Hause gefahren, das war toll. Aber am allerbesten war Papas Überraschung, als er die Haustür aufgemacht hat und dann die Polizisten und mich und seinen Sammlerkasten gesehen hat.
Jetzt, kurz vor Weihnachten, habe ich meine Eltern zu einem ernsten Gespräch gebeten. Sie mussten mir versprechen, dass sie nie wieder einen Nikolaus für mich engagieren. Und dass ich mein Handy überall hin mitnehmen darf, wann immer ich das für richtig halte.