Die Netzflickerin - Maarten`t Hart

  • Aus der Amazon.de-Redaktion


    Bei uns wurde der Niederländer Maarten 't Hart mit seinem Roman Das Wüten der ganzen Welt auf einen Schlag berühmt.
    Sein neues Buch Die Netzflickerin erzählt das Leben des Apothekers Simon Minderhout. Geboren wurde er 1914 und schon in der scheinbar unbeschwerten Kindheit treten ihm die Fragen entgegen, die ihn sein ganzes Leben beschäftigten werden. Ist er Schuld am Tod seines Freundes? Die beiden hatten sich darum gestritten, wer den Rest in der Bierflasche bekommen sollte. Keiner ahnte, daß sie ein Pflanzengift enthielt. Simons Ruhelosigkeit besänftigt nur die Musik. Sein Vater versucht ihn zu trösten: "Alles, was du tust und läßt, hat meistens keine, aber manchmal ganz plötzlich unheimlich weitreichende Folgen. Fast immer geht es gut, aber ein einziges Mal nicht."


    Ein ergreifend schönes Buch, das unbedingt mit der dazugehörenden CD, die die passende Musik von Bruckner enthält, genossen werden sollte. --Manuela Haselberger


    Kurzbeschreibung
    Diesmal ist es der Apotheker Roemer Simon Minderhout, der im Mittelpunkt des Geschehens steht, und dessen kurze, heftige, um so unvergeßlichere Liebe zu der Netzflickerin Hillegonda während der deutschen Besatzungszeit in den Niederlanden. Eine Liebe, die ihn 50 Jahre später auf eine beklemmende Weise einholt...


    Meine Meinung:
    Dieses Buch ist eine wunderbare Ergänzung zum „Das Wüten der ganzen Welt“.
    Es beschreibt den Lebensweg des Simon Minderhout (der sein Klavier zur Verfügung stellte), und zum Schluss kommt es wieder zur Begegnung mit Aaron (dem Musiker).
    Auch dieses Mal steht die klassische Musik im Vordergrund sowie die Philosophie, der zweite Weltkrieg und die deutschen Judenhasser (Luther/Hegel/Schopenhauer u.a.).
    Maarten`t Hart hat eine große Begabung, den Leser in seinen Bann zu ziehen, und ich werde bestimmt noch weitere Bücher von ihm lesen.

  • Hallo, Heidi Hof.


    Ich fand's damals eher zwiespältig:


    Roemer Simon Minderhout, der von seinem lebenslustigen, eloquenten, etwas lausbübischen Papa "Roemer" genannt wurde, während seine bodenständigere Mama "Simon" bevorzugte, ist das späte Kind der siebenundvierzigjährigen Ex-Witwe und ihres jungen Mannes. Die Geburt wird überschattet vom Tod des Zwillingsbruders, ein Ereignis, das man - neben einigen anderen - viel, viel später auf eine Liste mit Vorwürfen setzen wird, die gegen Minderhout erhoben werden. Der Tod eines Klassenkameraden, der Gift aus einer Bierflasche trinkt, der Anschlag seiner geistesgestörten Schwester auf sein eigenes Leben, die Gespräche mit den "Moffen", den Nazis im besetzten Holland, und eine Vielzahl Geschehnisse mehr - alle, mit denen uns Hart im Laufe der Geschichte konfrontiert - werden dem alten Minderhout als Indiz dafür ausgelegt, daß er tatsächlich getan hat, was ihm fast achtzigjährig vorgeworfen wird: Verrat an einer holländischen Widerstandsgruppe. Dabei hat Simon nur die geheimnisvolle junge Frau gesucht, die Netzflickerin, die in seiner Apotheke Medikamente für den Untergrund holte, und die eine Nacht blieb, für beide, wie sich später herausstellt, ein singulares Erlebnis, jedenfalls in dieser Qualität - ein Erlebnis, dessen Konsequenz Jahrezehnte später eine Hetzkampagne gegen den verschlossenen, zurückhaltenden, besonnenen Apotheker sein wird. Selbst seine lange verschollene Examensarbeit zum "Judenhaß in der deutschen Philosophie" wandert in die Indizienkiste, hastig und ungelesen als antisemitistisch eingestuft.


    Maarten t' Hart ist sehr populär in Holland, sein Roman ist auch ganz wundervoll geschrieben; der Übersetzer hätte allerdings ein paar holländische Begriffe und Ortsbezeichnungen streichen können - die kleinsten Völker haben die lustigsten Sprachen, vielleicht ist eines die Ursache des anderen, wer weiß. Die Kinder- und Jugendjahre Minderhouts, die ersten beiden Drittel des Romans, fließen überzeugend und sehr eindringlich zum Leser. Wie dann aus einer wenig haltbaren und ziemlich weit hergeholt anmutenden Behauptung die "Bedrohung" des alten Apothekers wird, wie ausnahmslos alle Ereignisse der Jugend zu seiner Belastung verkehrt werden, wie die Medien sich auf fadenscheinige Aussagen, Zeugen und Berichte stürzen - all das kommt ziemlich konstruiert, unwirklich daher, fast lächerlich aufgebauscht, in seiner willkürlichen Zufälligkeit unglaubwürdig.
    Das ist schade, weil es am Ende den Eindruck erweckt, die Lebensgeschichte sei, so wundervoll sie auch erzählt ist, alleine zu dem Zweck entstanden, dieses fragwürdige Ende zu untermauern. Hinzu kommt, daß Hilflosigkeit, Zorn und die Wahrnehmung der Geschehnisse zwar eindringlich vermittelt werden, aber es läßt sich nicht herausfinden, worauf Hart hinaus will, ob es Medienkritik ist, allgemeine Lebensphilosophie, Diskussion der
    Vergangenheitsbewältigung, Positionierung von Schuldfragen, ein bißchen von allem oder nichts von alledem. Schade.

  • An deiner Kritik, Tom, ist schon viel Wahres dran.
    Ich kann es nachvollziehen, und ich bin dir dankbar, dass du es hier niedergeschrieben hast. Selber hätte ich es erstens gar nicht so formulieren können, ja auch fehlt mir zweitens in gewisser Hinsicht das Studium :grin
    Eine Leere hinterlässt dieses Buch auf jedem Fall, auch wenn es so wunderschön geschrieben ist.
    Was die Philosophie angeht, das kann ich eigentlich gar nicht beurteilen. Ich hoffe mal, dass Hart nichts Falsches schreibt.
    Ist es so, Tom, mit den deutschen Philosophen, waren die durchweg "Judenhasser"?

  • Habe von ihm gerade "Das Wüten der ganzen Welt" gelesen. Ist der Simon Minderhout der "Netzflickerin" der, der mir hier auch begegnet?
    Das Buch hat mir gut gefallen, allerdings ist auch bei diesem Buch festzustellen, dass die ganze Geschichte -so schön sie alles in allem ist- stellenweise zu konstruiert wirkt. Auch ist glaube ich die Übersetzung nicht ganz so gut. Stellenweise. Die Qualität des Schreibstils, wenn man das so sagen kann, variiert an manchen Stellen so dermaßen, dass ich es mir nur mit der Übersetzung erklären kann.
    Abgesehen davon wirklich kein schlechtes Buch!

  • Die ersten beiden Drittel von "Die Netzflickerin" fand ich ganz großartig, fesselnd erzählt, mit toller Figurenzeichnung und bemerkenswerten Gedankengängen. Umso mehr ist es schade, daß im letzten Teil des Buches eine so hanebüchene, konstruierte mediale Verfolgung des ergreisten Protagonisten einsetzt und vieles aus seiner Kindheit und den jungen Mannesjahren aus dem Zusammenhang gerissen gegen ihn verwendet wird. Das wirkt allzu zusammengeschustert, undurchdacht und in sich nicht logisch und vor allem nicht realistisch und mindert den bis dahin sehr guten Gesamteindruck doch deutlich.
    Dennoch werde ich wohlwollend an diesen Roman zurückdenken, vor allem dank der überaus sympathischen Figuren Vater und Sohn Minderhout, auch wenn mich die holländischen Begrifflichkeiten und Ortsbezeichnungen mitunter mächtig genervt haben.


    Insgesamt finde ich mich mit meinen Leseeindruck übrigens gut in Toms Rezension wieder, der das halt ein wenig eloquenter formuliert hat. ;-)