Nacht der Bestimmung – Anar Ali

  • CulturBooks-Verlag, 2021

    248 Seiten


    OT: Night of Power

    Aus dem Englischen von Jan Karsten.


    Kurzbeschreibung:

    Es ist das Jahr 1998. Mansoor Visram lebt nun schon seit 25 Jahren mit seiner Frau Layla und seinem Sohn Ashif in Kanada, seit Diktator Idi Amin sämtliche Südostasiaten aus Uganda vertrieben hat. Mansoor musste damals ein erfolgreiches Familienunternehmen aufgeben. Aber in Kanada an alte Erfolge anzuknüpfen und die Familie zusammenzuhalten ist schwierig, und immer deutlicher treten die Risse zutage, die bereits vor Generationen entstanden sind. Vor allem der Konflikt zwischen Mansoor und seinem inzwischen erwachsenen Sohn spitzt sich immer weiter zu.


    In der Nacht der Bestimmung, der wichtigsten Nacht des Ramadan, in der sich das Schicksal für das kommende Jahr entscheidet, kommt es zu einer Tragödie, die die Familie zwingt, sich den Geistern der Vergangenheit zu stellen.


    Über die Autorin:

    Anar Ali lebt in Toronto und arbeitet als Drehbuchautorin für Film und Fernsehen. Ihr erstes Buch, der Kurzgeschichtenband »Baby Khaki's Wings«, stand auf der Shortlist für den Commonwealth Writer's Prize, den Trillium Book Award und den Danuta Gleed Literary Prize. »Nacht der Bestimmung« (Night of Power, 2019) ist ihr Romandebüt.


    Mein Eindruck:

    Dieses Debüt ist ein kanadischer Roman mit interessantem Thema. Die Hauptfigur musste einst mit Frau und kleinem Kind aus Uganda flüchten, weil sie indischer Herkunft waren und von Idi Amins Regime verfolgt wurden.

    Seit langer Zeit ist er jetzt in Kanada mit seiner Reinigungsfirma tätig, auch sein inzwischen erwachsener Sohn ist beruflich erfolgreich. Das bedeutet aber auch Leistungsdruck und es brechen jetzt Konflikte zwischen Vater und Sohn auf.


    Anar Ali hat ihren Roman gut durchkomponiert, arbeitet z.B. viel mit Rückblenden um verschiedene Lebensstationen der Protagonisten sowohl in Uganda als auch in Calgary zu zeigen. Dadurch verdichtet sich der Roman immer mehr.


    Obwohl die ismailitische muslimische Familie in Kanada assimiliert ist, ist ihre Herkunft ist immer noch von Bedeutung.

    Mich überzeugt der Roman als Familiendrama über fehlgeleitete Erwartungen und Verhaltensweisen und es zeigt den hohen Erwartungsdruck den Einwanderer an die Generationen weitergeben.



    ASIN/ISBN: 3959881495

  • Kanada, das Partnerland der Buchmesse 2021, ist eine Einwanderungsgesellschaft - auch wenn man nur das Parlament in Ottawa sehen mus, um zu erkennen, wie sehr die angelsächsische Tradition das Land historisch geprägt hat. Dass de nördliche Nachbar der USA keine Monokultur ist, dafür stehen Autoren wie Anar Ali, die mit ihrem Buch "Nacht der Bestimmung" die Umbrüche und Lebenskrisen einer indo-afrikanischen Familie beschreibt.

    Ali ist Drehbuchautorin - das merkt man diesem Buch an mit seinen schnellen Szenen- und Zeitenwechseln. Das ist einerseits interessant zu lesen, sorgt aber andererseit für Wirbel und Stockungen im Erzählfuss. Manches, von dem ich gerne mehr gelesen hätte, bleibt so nur angerissen, die Skizze überwiegt vor mancher tiefgehender Schilderung.

    Mansoor Visram lebt seit 25 Jahren in Calgary in der kanadischen Prärieprovinz Albera - dem Teil des Landes, wo der American Way of Life, die Philosophie von Selfmademännern besonders stark ausgeprägt sind, anders als in jenen Provinzen etwa im Osten, wo man sich vom Nachbarn im Süden gerne absetzt. Mansoor liegt diese Denkensart nahe, sein Vater war ein erfolgreicher Geschäftsmann und auch für Mansoor ist Selbständigkeit dass große Ziel, als er nach der Vertreibung der indischstämmigen Bevölkerung unter Idi Amin aus Uganda fliehen muss.

    Ehefrau Layla hingegen findet ihren Kokon in der Community der Ismaeliten, einer muslimischen Glaubensgemeinschaft. Das kanadische Umfeld, so scheint es, ist ihr immer ein bißchen fremd geblieben, während Sohn Ashif sich ganz selbstverständlich als Kanadier fühlt - auch wenn ihm struktureller Rassismus nicht fremd ist.

    Das zunächst gezeichnete Bild einer harmonischen Familie und eines als Unternehmer erfolgreichen Einwanderers gerät ins Wanken, je mehr Einblicke und Perspektiven Ali zeigt. Nach und nach erschließt sich der Ursprung des gespannten Verhältnisses zwischen Ashif und seinem Vater, werden Lebenslügen und Verdrängtes offenbar. Mansches davon hätte auch ohne die Einwandererbiographie in einer seit vielen Generationen in Kanada lebenden Familie geschehen können, anderes beruht sicher auch auf dem Erwartungsdruck der neu Angekommenen, es in der neuen Heimat "schaffen" zu müssen. Wie Verletzungen über Generationen weitergegeben werden und wie Liebe auch schwere Enttäuschungen aushalten kann, das gehört für mich zu den Höhepunkten dieses Romans.