Every - Dave Eggers

  • Seiten: 592

    Herausgeber: Kiepenheuer & Witsch

    Erscheinungsdatum: 7. Oktober 2021

    Preis: 25,00 € (gebunden), 19,99 € (E-Book)



    Ich merke immer wieder, dass ich Bücher, die in einer nahen Zukunft spielen wirklich gerne lese. Ein wenig holt mich das dann wieder auf den Boden der Tatsachen zurück und zeigt mir, dass all der Fortschritt zwar richtig und gut ist, aber dass damit auch viel Missbrauch getrieben werden kann. Wie in dem Fall von Every.


    Zitat

    Vorbemerkung: Diese Geschichte spielt in der nahen Zukunft. Versuchen sie nicht herauszufinden, wann. Eventuelle zeitliche oder physikalische Anachronismen sind gewollt. Alle Fehler in Bezug auf Technologie, Chronologie oder Urteilsvermögen sind Absicht und in Ihrem Interesse.


    Schon die Vorbemerkung hat es in sich und trifft genau das, was das Buch ausmacht. Delaney Wells hat nur ein Lebensziel: Every vernichten. Aber was ist Every? Every ist ein Unternehmen, das aus dem Circle (das ist Teil 1 der Reihe) entstanden ist und das mittlerweile so viel Macht über die Menschheit hat, dass einem als Leser Angst und Bange wird. Es herrscht die totale Überwachung (natürlich nur zum Wohle der Gesellschaft) und es gibt keine Nachrichten mehr, denn alles verbreitet sich über Social Media – um nur mal einen winzigen Teil dieser erdachten und nicht erstrebenswerten Zukunft zu nennen. Every ist aber nicht nur schlecht, gleichzeitig ist es aber ein Sinnbild für Teile der heutigen Menschheit, die alles Gute oder Dinge, die gut gemeint sind, gnadenlos auf die Spitze treibt: Die Mitarbeiter müssen zu bestimmten Zeitpunkten am Schreibtisch Sportübungen machen, auf dem Campus sind nur ethisch vertretbare Waren erlaubt und so weiter. Delaney versucht also sich bei Every einzuschleusen und durch allerlei Tricks das Unternehmen mit den eigenen Mitteln zu zerschlagen.


    Besonders schwer im Magen lag mir, dass Every den Menschen absolut gar nichts mehr zutraut. Niemand muss mehr selber denken und diverse Nachrichtenverläufe, die der Autor erdacht hat, erinnerten sehr stark an so manche abstruse Facebook-Diskussion, die es auch jetzt schon gibt. Dadurch, dass allen das Denken abgenommen wird, werden sie träge, haben eine sehr kurze Aufmerksamkeitsspanne und können einfache Dinge, wie zum Beispiel ein Buch lesen oder ihre eigenen Befindlichkeiten feststellen, nicht mehr. Dieses Zukunftsszenario hat Dave Eggers zum Teil humorvoll, zum Teil mit sehr harten Aussagen hervorragend umgesetzt. Ab und an habe ich mich auch selber erwischt, dass ich manches mache, was ich im Roman nicht passend fand. Das Buch lebt von den Übertreibungen, die der Autor auf die Spitze getrieben hat und die einem zunächst total absurd vorkamen. Nach einiger Zeit des Nachdenkens ist mir aber klar geworden, dass wir uns bereits auf den Weg dorthin befinden und zudem in einer Zeit der Meckerer und Nörgler, die sich über jeden kleinen Mist beschweren und die zum Teil hinter ihrem Bildschirm pseudobetroffen sind. Im Buch sind diese Leute überall zu finden.


    Während des Lesens war mir klar, dass ich niemals in einer Welt wie sie im Buch beschrieben wird, leben möchte. Zum Teil erinnerten mich einige Ideen des Autors an eine Mischung aus der Serie „Black Mirror“ und dem Buch „1984“, die ich beide genauso faszinierend fand wie „Every“. Ich kann ausnahmslos jedem das Buch ans Herz legen, auch wenn du „The Circle“ noch nicht gelesen hast, so wie es bei mir der Fall war. Die Vorgeschichte wird in diesem zweiten Teil ausreichend erklärt, so dass ich keine Verständnisprobleme hatte.


    Ich habe das Buch vom KiWi-Verlag zur Verfügung gestellt bekommen und bedanke mich herzlich dafür.


    ASIN/ISBN: 3462001124

  • Danke für die Rezension.
    Ich hatte das Buch heute schon bei Hugendubel in der Hand, hab aber irgendwie Respekt davor.
    Der Circle hat mir so gut gefallen, dass ich das Buch gelesen habe, 2x das Hörbuch gehört habe und den Film gesehen habe (der nicht so toll war!)

    Und bei Fortsetzungen liegt die Latte ja dann ziemlich hoch

    Wenn du den roten Faden verloren hast, halte nach einem anderem ausschau, vielleicht ist deiner BUNT
    (Das Leben ist (k)ein Ponyhof - Britta Sabbag)

  • Ich habe dann gestern „The Circle“ bestellt. Eigentlich überhaupt nicht mein Beuteschema, aber irgendwie spricht mich die Kurzbeschreibung an.

    Eines der wenigen Bücher, die ich aufgrund der Empfehlung der Buchhändlerin mitgenommen habe, weil ich mich an meinem Beuteschema "satt gelesen" hatte. Gutes Buch. Deshalb habe ich auch obiges Buch gekauft. Viel Spaß beim lesen :-)

  • Ich habe „Every“ jetzt in zwei Tagen gelesen.


    Damals hat mir „The Circle“ echt gut gefallen, es war eine düstere Zukunftsvision, die teilweise schon die Realität abbildete.

    Einige Jahre nach dem Circle setzt nun Every ein. Every ist eine Weiterentwicklung der Vorgängerfirma Circle, die aber noch viel umfassender ist. Wer keinen „HereMe“ (eine Form von Alexa) hat, ist suspekt. Ecken, die nicht durch „SeeMe“ überwacht werden, gelten als gefährlich. Durch diverse Apps nimmt Every den Menschen Entscheidungen ab und bevormundet sie, so scheint es Delaney, also setzt sie sich dafür ein, bei Every einen Job zu bekommen, um das Unternehmen durch die Ideen von immer dubioseren Apps von innen heraus zu zerstören.


    Wenn es den Vorgängerband nicht gegeben hätte, hätte mich Every bestimmt mehr begeistern können, doch so schien es mir wie eine Wiederholung, die noch übertriebener und überspitzter ist.


    Allein die Episode „Welcome2me“, als Delaney ihren „Einstand“ gibt, um sich vorzustellen und dafür einen Busausflug an einen Strand plant, wo Seekühe und Seeelefanten sich paaren und ihre Jungen zur Welt bringen, ist ein gutes Beispiel dafür, wie aus einem eigentlich guten Plan ein Horrortrip wird, bei dem es hinterher 98% traumatisierte Teilnehmer gibt, angefangen davon, dass der Bus durch freie Landschaft mit weidenden Tieren fährt, die Playlist nicht konform ist, der Strand ungeschützt zugänglich ist, viele der Jungtiere sterben werden und auf der Rückfahrt auch noch ein Schaf angefahren wird, das einige Tage später verstirbt. Wenn es Bedenken gibt, muss der nächste die Bedenken des vorherigen noch übertreffen und das führt zu einer Spirale an Negativität.

    Ich fand das Buch teilweise langatmig, die vielen Namen haben mich verwirrt, ich konnte mir die wenigsten der Apps merken, was wahrscheinlich auch gar nicht nötig ist, denn die herausragenden sind bekannt. Andererseits war es auch spannend, teilweise witzig in seinen Anspielungen oder Ausführungen.


    Wahnsinn, was die Menschen mit sich haben machen lassen. Dass niemand protestiert, dass Every eine solche Macht hat, ist und bleibt hoffentlich eine Dystopie.


    Andererseits ist es vielleicht ein guter Gedankengang, inwieweit wir uns heute schon von Apps das Leben „erleichtern“ und damit die Entscheidungsgewalt abnehmen lassen und dadurch beeinflussbar sind.


    Von mir 7 von 10 Punkten

  • Es ist schon eine Weile her, dass ich „the circle“ gelesen habe, aber ich glaube, dass mir der erste Teil besser gefallen. Die Geschichte um Mae ist interessant, aber noch nicht so überspitzt. Vor allem erfährt man die Hintergründe der Gründer.

  • Eine Fortsetzung, die ich sicher nicht gebraucht hätte. Im gleichen Stil und leider auch mit sehr ähnlichem Inhalt erzählt Eggers die Welt des „Circle“ weiter, wobei diese Vorkenntnisse aber nicht notwendig sind.


    ... doch so schien es mir wie eine Wiederholung, die noch übertriebener und überspitzter ist.


    :write Dazu hat mich vor allem die mangelnde Plausibilität und nicht nachvollziehbaren Handlungen der Protagonisten genervt. Das Buch besteht aus einer Aneinanderreihung vieler einzelner Ideen, die insgesamt aber wenig stimmig verwoben sind. Delaney, die Hauptperson, lernt eine erschreckende App nach der anderen kennen, aber davon abgesehen passiert wenig. Einzelne, durchaus interessante Aspekte gehen in dem Wust von Schrecken und Personen einfach unter bzw. Ansatzpunkte, die Spannung versprechen, verlaufen ins Leere.


    Um aber auch was positives zu finden: das Buch lässt sich sprachlich gut lesen. Weder überfordert es mit komplizierten Satzbauch noch mit großen Ansprüchen zum Mitdenken. Was uns der Autor sagen möchte wird schnell klar, mir hat aber eine differenziertere Betrachtungsweise gefehlt. Wobei Eggers natürlich recht hat mit seiner Botschaft: wir müssen alle aufpassen, was wir uns von der Technik abnehmen lassen wollen und was dies für (auch negative) Konsequenzen hat. Doch muss das dermaßen mit dem Holzhammer serviert werden?


    Fazit: Nein, das war – für mich – nichts. Während mich „Circle“ fesseln konnte, fand ich diesen Band zu sehr Wiederholung und zu undurchdacht. Man wird erschlagen mit Ideen, wirkliche Spannung kam nicht auf. Für mich daher nur 4 Eulenpunkte (von 10). Ohne schöne Querbeetleserunde hätte ich es vermutlich irgendwann abgebrochen bzw. quergelesen.

    "Alles vergeht. Wer klug ist, weiß das von Anfang an, und er bereut nichts." Olga Tokarczuk (übersetzt von Doreen Daume), Gesang der Fledermäuse, Kampa 2021