Uwe Wittstock - Februar 33. Der Winter der Literatur

  • Titel: Februar 33. Der Winter der Literatur

    Autor: Uwe Wittstock

    Verlag: C.H. Beck

    Erschienen: Oktober 2021

    Seitenzahl: 288

    ISBN-10: 3406776930

    Preis: 24.00 EUR


    „Es ging rasend schnell. Der Februar 1933 war der Monat, in dem sich auch für die Schriftsteller in Deutschland alles entschied. Uwe Wittstock erzählt die Chronik eines angekündigten und doch nicht für möglich gehaltenen Todes. Von Tag zu Tag verfolgt er, wie das glanzvolle literarische Leben der Weimarer Zeit in wenigen Wochen einem langen Winter wich und sich das Netz für Thomas Mann und Bertolt Brecht, für Else Lasker-Schüler, Alfred Döblin und viele andere immer fester zuzog.“

    (Auszug aus dem Klappentext).


    Es ist erschreckend wie schnell alles ging. Die Vielfalt der Literatur wurde rasend schnell zerstört. Auch die Autoren wurden nicht verschont – ganz im Gegenteil.


    Dieses Buch zeigt wie anfällig die Literatur ist. Sie hat kaum eine Chance gegen Zensur und Unterdrückung. Und es zeigt auch, wie wichtig Toleranz und Vielfalt in der Literatur ist.


    Und wenn man heute sieht, wie schnell man Verlagen irgendwelche Etiketten anheftet (z.B. „rechte Verlage“) dann ist es nicht weit her mit Toleranz und literarischer Vielfalt. Die Boykotteure der Frankfurter Buchmesse sollten wirklich überlegen, ob sie auf dem richtigen Weg sind. Und was sind denn „rechte bzw. linke Verlag“?

    Wittstock macht deutlich, wie schnell aus Vielfalt ein sehr enges Gefängnis werden kann.

    Heute geht man mit sehr kleinen Schritten beharrlich den Weg der Zensur und dem Abbau der Vielfalt.


    Man kann Bücher und Verlage mit aller Kraft kritisieren – aber man hat sie und ihre Programm gefälligst zu tolerieren. Aber Toleranz ist leider etwas, was in der heutigen Zeit nur noch sehr klein geschrieben wird.


    Man kann dieses Buch kaum aus der Hand legen – wenigstens ging es mir so und es zeigt auch wie wichtig es ist, kulturelle Vielfalt (und nicht nur die literarische Vielfalt) zu erhalten.


    Und die selbstgefälligen Krakeeler die sofort „rechts“ oder „das sind ja Nazis“ schreien, könnten die neuen Totengräber der literarischen Vielfalt werden.


    Viele der verfolgten Autorinnen und Autoren haben wichtige Fußabdrücke in der Literatur hinterlassen und dieses Buch war für mich eine Aufforderung, wieder einmal die Bücher dieser Autoren in die Hand zu nehmen.


    Sehr lesenswert – für mich ein Highlight dieses Jahres.


    ASIN/ISBN: 3406776930

    Ich mag verdammen, was du sagst, aber ich werde mein Leben dafür einsetzen, dass du es sagen darfst. (Evelyn Beatrice Hall)


    Allenfalls bin ich höflich - freundlich bin ich nicht.


    Eigentlich mag ich gar keine Menschen.

  • Wie kann man nur dem Jungeuropa-Verlag das Etikett rechts anheften?

    Möglicherweise weil sich eine der führenden Kräfte selbst als Rechtsradikaler bezeichnen würde. Weil dieser Philip Stein in Rom mit der rechtsradikalen Casa Pound marschiert und den Arm zum römischen Gruß erhebt. Oder weil auch der Verfassungsschutz das ganz ähnlich sieht.


    Vielleicht auch wegen solcher Ansichten: Deutscher sei man "nicht seines Passes, sondern seines Blutes wegen".

    Oder weil er die Abschiebung der Autorin Jasmina Kuhnke forderte, die wegen Bekanntgabe ihrer Adresse und diversen Drohungen bereits mit ihrer Familie umziehen musste.

    Ich kann jedenfalls gut nachempfinden warum sie nicht in nächster Nähe solcher Gestalten eine Lesung halten wollte.


    Der Boykott dieser Veranstaltung hat nichts mit Zensur zu tun.

    Die Organisatoren der Buchmesse hätten mit der Platzierung dieses Verlages wirklich mehr Fingerspitzengefühl zeigen können.

    Aber vielleicht ist auch hier der Eklat willkommene Werbung.


    Die "Krakeeler" sitzen jedenfalls auf der anderen Seite, es sind eben solche Netzwerke, die überall ihre widerwärtigen Hassbotschaften verbreiten. Botschaften, die immer häufiger auf fruchtbaren Boden fallen.

    Diese Leute machen keinen Hehl aus ihren Zielen, nämlich wieder solche Verhältnisse zu schaffen, wie sie wohl in dem hier besprochenen Buch beschrieben werden.


    Ja, für mich sind das Rassisten, und ich werde den Teufel tun und Rassisten tolerieren, schon gar nicht gefälligst.

  • Dazu hat Uwe Wittstock sich am Samstag in Frankfurt ganz anders geäußert. Zu Meinungsvielfalt und Toleranz hat er aufgerufen, da ging es ihm jedoch um ganz Anderes. Er machte deutlich, dass die Ereignisse der im Buch geschilderten 44 Tage nur möglich waren, weil die NSDAP und ihre Sympathisanten nicht ernst genug genommen wurden. Und er dieses Buch u.a. schrieb, damit sich Ereignisse wie in Thüringen mit Bodo Ramelow und der Afd nicht widerholen. Der Infotext beim Verlag ist da mMn eindeutig, wer für die Zensur und Zerstörung der Literatur- und Theaterszene verantwortlich war. Nicht jene, die vor der Gefahr von rechts warnten.


    https://www.chbeck.de/wittstock-februar-33/product/32447676

    http://www.uwe-wittstock.de/buch/februar-33


    „Er vergegenwärtigt die Atmosphäre dieser Tage, die von Angst und Selbsttäuschung unter den Schriftstellern, von Passivität bei den einen und Entschlossenheit bei den anderen gezeichnet ist. Wer schmiegt sich den neuen Machthabern an, wer muss um sein Leben fürchten und fliehen?“

    "It is our choices, Harry, that show what we truly are, far more than our abilities." Albus Dumbledore
    ("Vielmehr als unsere Fähigkeiten sind es unsere Entscheidungen, die zeigen, wer wir wirklich sind.")


    "An allem Unfug, der passiert, sind nicht etwa nur die Schuld, die ihn tun, sondern auch die, die ihn nicht verhindern."

    Erich Kästner.

  • (...) Heute geht man mit sehr kleinen Schritten beharrlich den Weg der Zensur und dem Abbau der Vielfalt. (...) Man kann Bücher und Verlage mit aller Kraft kritisieren – aber man hat sie und ihre Programm gefälligst zu tolerieren. Aber Toleranz ist leider etwas, was in der heutigen Zeit nur noch sehr klein geschrieben wird. (...)

    Hier steckt ein schwerwiegender intellektueller Fehlschluss drin, lieber Voltaire.

    Toleranz gegenüber den Feinden der freiheitlichen Demokratie, denen also, die genau das bewirkt haben, was Wittstock in seinem Buch so eindrucksvoll darlegt (die Gleichschaltung der Kultur im nationalsozialistischen Sinne nämlich), ist eben genau die falsche Haltung. Viel zu viele haben sich seinerzeit in Toleranz geübt nach dem Motto: Das muss man nicht so ernst nehmen, das wird sich schon wieder geben, das sind alles nur Einzelfälle usw., usw. Diese Haltung falsch verstandener Toleranz hat den Weg in die Diktatur bereitet, der erst zwölf Jahre später auf den Trümmern halb Europas, vor den Krematorien und den Leichenbergen der KZ endete.

    Es hat nichts mit Zensur zu tun, wenn man gegen Verlage aufsteht, die mit ihren Büchern genau den Geist wieder reaktivieren und transportieren, der diese Menschheitskatastrophe biblischen Ausmaßes begründet hat.

  • Dieter

    Danke Dir, so konnte ich das letzte Nacht bzw. überhaupt nicht auf den Punkt bringen.


    Genau das machte Uwe Wittstock bei der Veranstaltung sehr deutlich.

    "It is our choices, Harry, that show what we truly are, far more than our abilities." Albus Dumbledore
    ("Vielmehr als unsere Fähigkeiten sind es unsere Entscheidungen, die zeigen, wer wir wirklich sind.")


    "An allem Unfug, der passiert, sind nicht etwa nur die Schuld, die ihn tun, sondern auch die, die ihn nicht verhindern."

    Erich Kästner.

  • Unabhängig von der inhaltlichen Diskussion ist mir aufgefallen, dass einige Äußerungen in diesem Strang mehr als starke Ähnlichkeiten mit diesem Artikel aufweisen, den ich vor ein paar Tagen gelesen habe:

    https://www.t-online.de/region…e-jungeuropa-verlag-.html

    Ich möchte davon ausgehen, dass es sich um einen Zufall handelt.

    Ansonsten würde ich es begrüßen, wenn in Zukunft eine Quelle angegeben wird.

  • @Salonlöwin

    Ich nehme an, du meinst mich.


    Nein, das ist natürlich kein Zufall,

    Ich habe diesen Artikel gestern für Information in den ersten beiden Absätzen meines Postings benutzt.

    Und nun?

    In den letzten Tagen habe ich zu dem Thema einiges gelesen oder gehört. Zufall war es allerdings, dass ich gestern genau diesen Artikel genutzt habe, hätte auch der Eintrag bei Wikipedia zu Philip Stein sein können oder irgend eine andere der Quellen, die diese Information zu der Person verbreiten.


    Ich gebe hier keine Doktorarbeit ab oder bin journalistisch tätig.

    Mir war auch nicht bewusst, dass hier zu jeder Info eine Quelle angegeben werden muss. Sehe ich auch so nicht in anderen Beiträgen, außer es wird gleich der ganze Artikel verlinkt.


    Mir ging es um das Thema, auch wenn das an anderer Stelle schon als müßige Debatte bezeichnet wurde.

    Einen rechtsradikalen Rassisten werde ich immer als solchen bezeichnen. Und Philip Stein ist ein solcher, dazu kann jeder

    genügend eigene Quellen suchen und finden.

    Er wurde nicht zensiert, macht von seinem Recht auf freie Meinung Gebrauch, wie andere aus diesem Umfeld.

    Die Gegenseite dazu hat dieses Recht aber ebenso.

    Sie deshalb als selbstgefällige Krakeeler zu bezeichnen, als Gefahr für freie Literatur und gar in Zusammenhang mit der Nazidiktatur zu erwähnen, hat mich gestern ziemlich fassungslos gemacht.

  • Das kann ich unterschreiben, ich hätte wohl auch erst einmal noch eine Nacht drüber schlafen sollen, wahrscheinlich hätte ich es dann

    aber ganz sein lassen, wie meistens. Wäre vielleicht auch besser gewesen.

    Nein, wäre es nicht, liebe vev. Es besteht kein Grund, dieses Forum von der Auseinandersetzung über derart wichtige Themen wie den Umgang mit antidemokratischen literarischen Veröffentlichungen frei zu halten - im Gegenteil. So schön es sein mag, sich in epischer Breite über mehr oder weniger relevante Bücher auszutauschen - und da mache ich ja selbst immer gern mit -, so wichtig ist es, auch über die Haltung zu problematischer Literatur und deren Verlagen zu diskutieren. Und da MUSS man Flagge zeigen, nicht zuletzt, damit sich die Vorgänge von 1933, die hier in Rede stehen, niemals wiederholen.

  • @Dieter Neumann


    Du hast natürlich völlig recht, es ist sehr wichtig, ich weiß das auch.

    Hier bei den Eulen geht es zum Glück auch sehr zivilisiert zu.

    Meine Empfindlichkeiten sind eben mein Problem, bei den wirklich heftigen Auseinandersetzungen, die es im Netz so gibt, könnte ich mich gar nicht beteiligen, nur das Lesen macht mich schon fertig.

    Ich rege mich einfach zu schnell auf und habe dann auch Bedenken, ob mein Tonfall immer angemessen ist - oder ankommt.

  • (...)

    Die Gegenseite dazu hat dieses Recht aber ebenso.

    Sie deshalb als selbstgefällige Krakeeler zu bezeichnen, als Gefahr für freie Literatur und gar in Zusammenhang mit der Nazidiktatur zu erwähnen, hat mich gestern ziemlich fassungslos gemacht.

    Genau deshalb ist es wichtig, dann nicht zu schweigen. Danke, dass Du gestern zuerst reagiert hast. :-)

    "It is our choices, Harry, that show what we truly are, far more than our abilities." Albus Dumbledore
    ("Vielmehr als unsere Fähigkeiten sind es unsere Entscheidungen, die zeigen, wer wir wirklich sind.")


    "An allem Unfug, der passiert, sind nicht etwa nur die Schuld, die ihn tun, sondern auch die, die ihn nicht verhindern."

    Erich Kästner.