Der Pfeiler der Gerechtigkeit - Johanna von Wild

  • ASIN/ISBN: 3839200121

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    Würzburg 1574: Bäckerlehrling Simon leidet unter seinem brutalen Stiefvater und dessen Sohn Wulf. Als die Streitigkeiten eskalieren, muss er die Stadt verlassen und erlernt in Venedig die Kunst der Zuckerbäckerei. Nach Jahren in der Ferne kehrt Simon nach Würzburg zurück. Dort übernimmt er die Backstube des Juliusspitals und gewinnt die Zuneigung des mächtigen, unnahbaren Fürstbischofs Julius Echter. Doch Simons Stiefbruder Wulf, getrieben von Neid und Missgunst, lässt nichts unversucht, um ihm zu schaden …


    Licht und Schatten in Würzburg im 16. Jahrhundert...


    Für mich war „Der Pfeiler der Gerechtigkeit“ bereits der dritte historische Roman von Johanna von Wild – und ich habe wieder jede einzelne Zeile genossen!

    Mir gefällt der Schreibstil der Autorin ausgezeichnet, die Recherchen sind umfangreich und exakt, sie fängt Zeit- und Lokalkolorit wunderbar ein, sie ergänzt ihre Bücher durch ein ausführliches Personenverzeichnis (was ich aber selten benutzen muss) und ein Nachwort mit Zeittafeln, Quellen und Anmerkungen runden die Geschichte perfekt ab – also all das, was für mich zu einem guten historischen Roman gehört!

    Diesmal war Fürstbischof Julius Echter von Mespelbrunn die zentrale historische Figur des Romans (ich gestehe: vorher hatte ich noch nie von ihm gehört, aber jetzt muss ich unbedingt mal nach Würzburg), er lebte von 1545 bis 1617. Außer einer kurzen Episode in Julius Kindheit begleiten wir ihn von 1572 (ein Jahr später wird er Fürstbischof von Würzburg) bis 1583, wir erleben mit, wie er z.B. das Juliusspital und die Universität von Würzburg gründet.

    Ihm gegenüber steht die (fiktive) Person Simon Reber, er ist anfangs Bäckerlehrling bei seinem Stiefvater, geht später nach Venedig, lernt dort das Zuckerbäckerhandwerk, nach seiner Rückkehr nach Würzburg übernimmt er die Bäckerei im Juliusspital. Durch ihn lernen wir das Alltagsleben der damaligen Zeit kennen, z.B die Zunftordnungen, ihre Regeln und Bräuche. Wir erfahren u.a. einiges über die Lebensumstände in jenen Tagen, die Rechte und Möglichkeiten von Frauen (eigentlich gar keine!), das Apothekerwesen, die Gerichtsbarkeit.

    Julius und Simon werden Freunde (klar, im „richtigen“ Leben passiert so etwas selten oder nie), aber es war ein gelungener „Trick“ der Autorin, uns alle Facetten des Lebens in Würzburg im ausgehenden 16. Jahrhundert darzulegen.

    Ich will hier gar nicht so stark auf den Inhalt des Romans eingehen: nur so viel: es gibt Licht und Schatten, Liebe, Intrigen, Neid, Missgunst...Es ist spannend geschildert, so dass man quasi durch die Seiten fliegt und das Kopfkino Bilder produziert! Wir nehmen Anteil an Simons und Julius Leben und an ihren Entscheidungen. Beide sind keine „weißen Ritter“, sondern Menschen mit Ecken und Kanten, ich war bei beiden nicht mit allen Handlungen einverstanden... Julius erschien mir in seinem katholischen Glauben lange Zeit zu fundamentalistisch (gut, die Reformation lag noch keine 100 Jahre zurück), aber letztendlich habe ich mich mit ihm „versöhnt“... Auch Simon hat „schwarze Flecken“, aber auch er konnte dann doch wieder bei mir Punkte sammeln...

    Aber gerade das mag ich bei den Protagonisten von Frau von Wild: sie sind Menschen mit Fehlern, aber meistens können wir Leser*innen erkennen, warum sie so und nicht anders handeln (können). Anders als in den vorherigen Büchern endet dieser Roman „gut“, aber durch die Handlung sehr stimmig, ein anderer Schluss hätte mich doch etwas enttäuscht.

    Mein Lieblingsbuch dieser Autorin bleibt noch immer „Die Erleuchtung der Welt“, aber das wird sicherlich auch daran liegen, dass ich mich dort mit den Hauptfiguren stärker identifizieren konnte; das soll wirklich keine Wertung sein, sondern nur mein ganz persönliches Gefühl (wie die Frage nach dem Lieblingskind...).

    „Der Pfeiler der Gerechtigkeit“ hat mich sehr beeindruckt, mich eine Zeitlang in das 16. Jahrhundert „gebeamt“, ich habe wieder viel Neues gelernt und last but not least: ich habe mich wunderbar unterhalten gefühlt – für Liebhaber*innen von historischen Romanen eine absolute Leseempfehlung!


    Zur Autorin:

    Johanna von Wild ist das Pseudonym für Biggi Rist. Gemeinsam mit Liliane Skalecki hat sie mehrere Kriminalromane veröffentlicht, u.a. "Elitewahn", das ich auch sehr empfehlen kann!