Sterbehilfe oder Lebenshilfe?

  • Angeregt durch eine interessante Diskussionsentwicklung im Haustier-Thread, wo es u. a. auch um das Für und Wider von Sterbehilfe ging, hier nun ein eigenes Topic dazu, was dem kontroversen Thema den angemessenen eigenen Raum gibt.


    Zumindest in den Niederlanden ist mittlerweile Sterbehilfe meines Wissens unter bestimmten Umständen straffrei. In Deutschland ist aktive Sterbehilfe laut Gesetz strafbar, wobei sich aber immer wieder Stimmen erheben, die Sterbehilfe befürworten und straffrei sehen möchten.


    Wie ist Eure Meinung zu diesem brisantem Thema? Würdet Ihr einem Verwandten, Euren Kindern, einem Freund passiv oder gar aktiv Sterbehilfe leisten? Würdet Ihr so eine Entscheidung selbst treffen wollen oder lieber den Ärzten überlassen? Was, wenn der Betroffene sich dazu gar nicht mehr artikulieren kann?


    Gruss,


    Doc

  • Ich bin ein entschiedener Gegner der aktiven Sterbehilfe. Eine Überprüfung, ob hier wirklich der Wille des Sterbenden vollzogen wird, dürfte kaum möglich sein. Und gerade die Sterbehilfe öffnet dem Missbrauch Tür und Tor. Aktive Sterbehilfe um schneller ans Erbe zu kommen? Das würde oftmals die wahre Motivation sein.
    Wir sollten die Finger davon lassen.

    Ich mag verdammen, was du sagst, aber ich werde mein Leben dafür einsetzen, dass du es sagen darfst. (Evelyn Beatrice Hall)


    Allenfalls bin ich höflich - freundlich bin ich nicht.


    Eigentlich mag ich gar keine Menschen.

  • Ich empfinde den Gedanken, Menschen die unheilbar krank sind und höllische Schmerzen erleiden zu erlösen, zwar für menschlich, aber sehr naiv.


    Wer entscheidet denn, wer sterben darf und wer nicht?
    Wenn man in die vergangenen Jahrhunderte blickt, schwindet mein Vertrauen in eine aktive Sterbehilfe.
    Zu oft in der Geschichte wurden im Namen der "Erlösung" Menschen in Massen ausgelöscht (zB Spiegelgrund" 3. Reich, Behinderte + Geisteskranke).
    bin mir sicher, auch in der heutigen Zeit würde eine "Sterbehilfe" in allen Belangen ausgenützt werden!


    Ist doch zu schön, wenn der Verwandte ein paar Monate früher das Zeitliche segnet, irgendwann ist es ja sowieso vorbei. Hauptsache, das Geld, das Haus, die Wertgegenstände sind früher da.
    Und was ist, wenn manche eher zur Spritze des Todes greift, um den Sozialstaat zu entlasten?


    Nein!


    Eine Legalisierung der Sterbehilfe birgt ein zu großes Risiko, 1. für Fehlentscheidungen, 2. für ganz bewusstes Töten aus teuflischen Gründen.
    Ich vertraue den Menschen nicht, wenn sie über Tod und Leben entscheiden können.
    Denn diese Macht ist die größte Macht, die ein Mensch haben kann, und was kann alles passieren, wenn ein Mensch soviel Macht haben kann?

    Die Geschichte lehrt die Menschen, daß die Geschichte die Menschen nichts lehrt.


    Mahatma Gandhi, indischer Freiheitskämpfer

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  • Also ich denke das kommt ganz auf die Krankheitssituation an , wenn jemand z.B. nur noch an Maschinen hängt und auch voraussichtlich nicht mehr ohne diese Dinger auskommt , bringt es ihm nicht viel wenn er "dahinsiecht" und vor sich hin leidet. Solche Menschen müsste man dann von ihrem Leiden befreien dürfen. So eine Entscheidung ist natürlich nicht leicht wenn einem jemand nahe steht , sei es der/ein Freund , die/eine Freundin , Eltern etc. aber man will ja auch nicht das der den man liebt leidet , wenn er letzten Endes von diesem Leiden vielleicht doch nicht anders erlöst werden kann. Ich finde auch so eine Entscheidung sollte ein Angehöriger treffen , oder im zweifelsfall ein Freund , denn die kennen denjenigen am besten und können das ganze besser einschätzen , kennen vielleicht sogar den Wunsch desjenigen (sprich wie er wohl möchte was getan wird) , niemals sollte das ein Arzt selbst entscheiden dürfen


    aber wie gesagt ich denke die antwort auf Deine Frage ist eh situationsbedingt

  • Liebe Leseratte,


    Zitat

    Also ich denke das kommt ganz auf die Krankheitssituation an , wenn jemand z.B. nur noch an Maschinen hängt und auch voraussichtlich nicht mehr ohne diese Dinger auskommt , bringt es ihm nicht viel wenn er "dahinsiecht" und vor sich hin leidet.


    Meine Eltern sind beide Krankenpfleger, schon seit 25 Jahren.
    Das ist eine schon sehr große Arbeitserfahrungen, und so wie es ist, wird auch daheim viel über diese harte Arbeit gesprochen, denn sonst könnten die täglich brutalen Erlebnisse kaum verarbeitet werden.
    So bekomme ich natürlich mit, was es alles im Krankenbereich geben kann.
    Außenstehende reden und schimpfen sehr gerne darüber, obwohl sie meistens keinen blassen Schimmer darüber haben ...


    Ich habe schon von zahlreichen Fällen gehört, Menschen an der Schwelle des Todes, Höllenqualen und Schmerzenschreie, von Ärzten totgesagt wie "Das dauert nur noch ein paar Stunden."
    Wochen später waren diesselben Patienten wie durch ein Wunder putzmunter und lebten noch viele Jahre!


    Ich frage daher: Wie soll man eigentlich in allen Fällen erkennen können, ob der Mensch noch wird oder ob es tatsächlich keine Chance auf Heilung gibt?
    "Vorraussichtlich" ist nun einmal "nicht sicher".


    Zitat

    So eine Entscheidung ist natürlich nicht leicht wenn einem jemand nahe steht , sei es der/ein Freund , die/eine Freundin , Eltern etc. aber man will ja auch nicht das der den man liebt leidet , wenn er letzten Endes von diesem Leiden vielleicht doch nicht anders erlöst werden kann.


    Und jetzt etwas ganz hartes:


    Meine Eltern haben die Erfahrung gemacht, dass manche Verwandten psychisch und physisch mehr leiden als die Patienten, und dann eher zu der Aussage kommen: "Kann man den Armen nicht endlich erlösen ...!"


    Sterbehilfewünsche können nämlich auch egoistischer Natur seitens der Gesunden kommen, quasi "Ich halt das nicht mehr aus.", und die Erlösung wird mehr für sich selber gewünscht, als für den Kranken.

    Die Geschichte lehrt die Menschen, daß die Geschichte die Menschen nichts lehrt.


    Mahatma Gandhi, indischer Freiheitskämpfer

  • Also ich kenne eine solche Situation und weiß durchaus wovon ich spreche , es mag ja sein das es einige Patienten gibt die plötzlich , ungeahnt wieder putzmunter sind , aber oft ist es eben auch der Fall das man durchaus erkennen kann ob noch Chancen auf Besserung bestehen oder nicht und eine Entscheidung wie diese zu treffen ist wenn man wirklich liebt nicht einfach , auch wenn mal solche Gedanken aufkommen wie Ich halt das nicht mehr aus , aber das sind eigentlich eher sporadische Gedanken im großen und ganzen ist es einfach grauenhaft jemanden den man liebt leiden zu sehen

  • Über so ein sensibles Thema würde ich nicht in einem jedem zugänglichen Forum reden. Ich habe durchaus eine Meinung dazu, aber die gehört nicht hierher. Es braucht nur 5 Beiträge und schon wird pauschaliert, was das Zeug hält. Deshalb diskutiere ich sowas lieber mit guten Freunden im kleinen Kreis. ;-)

  • hm...schwierige Sache
    Denn entscheiden kann es nur der jeweilige Mensch selbst, und sehr viele Leute bringen sich um...aus welchen Gründen auch immer, aber eben aus eigenem Antrieb und ganz alleine. Muß und kann man aktzeptieren.


    Viele Leute sind dazu meist nicht in der Lage AUS Angst, weil sie nicht wissen wie......weil sie physisch nicht dazu in der Lage sind...oft haben Menschen die sterben möchten, einfach nur Schmerzen, ich sage extra einfach nur, man könnte den Leuten die Schmerzen fast komplett nehmen, aber die Palliativmedizin ist in Deutschland nicht gerade ein Vorreiter.
    Die Schädlichkeit der Medikamente sei hier mal hintenangestellt, denn das ist ja dann mal wurscht, oder?



    Erstmal die Schmerzen genommen...und dann nochmal nachfragen, die meisten Menschen wollen sehr wohl leben.


    So, dann haben wir noch die Apalliker..Leute im Wachkoma, niemand weiß genau, was sie fühlen, denken u.s.w.....Ich möchte die Entscheidung nicht treffen müssen...man geht wahrscheinlich immer von sich aus, würde ich so leben möchten...und oft sagt man zu seinen ahestehenden Leuten.."Gell, wenn ich mal so da liege, dann ziehst du den Stecker"......Tja!


    Wenn man ich wirklich sicher ist, dass man bei bestimmten Vorkommnissen NICHT mehr leben will, dann muß man eine Patienverfügung einleiten, die notariell absichern lassen und am besten 1x im Jahr erneuern lassen.


    So, und diese Krankheiten/Zustände u.s.w. müssen genau dokumentiert werden..und da geht es schon los.

  • Ich denke, man kann diese Disskussion nicht verallgemeinern. Sicher wird es von Zeit zu Zeit "Wunder" geben, bei denen Patienten sich wieder für eine gewisse Zeit erholen und es ihnen besser geht.
    Aber leider gibt es genauso einfach aussichtslose Situationen, in denen alle leiden, nicht nur die Angehörigen.
    Glaubt mir, ich weiß vonvon ich schreibe.

  • Zitat

    Original von leseratte007
    im großen und ganzen ist es einfach grauenhaft jemanden den man liebt leiden zu sehen


    ich fürchte, genau darin liegt die große Gefahr. Wie oben schon gesagt, ist die Belastung häufig für das Umfeld größer als für den Kranken selbst.


    Natürlich gibt es Grenzbereiche, von denen ich zwei nenen möchte, die sich jedoch sehr unterscheiden:


    1. Ein Patient, der entweder nach einem Unfall oder einem schweren Schlaganfall dauerhaft komplett gelähmt ist und seinen eigenen Wunsch aus dem Leben zu scheiden nicht mehr selbst umsetzen kann.


    2. Ein Komapatient, der ein mehr oder weniger vegetatives Dasein führt, aber trotzdem das Leben seiner Familie komplett bestimmt und alle finanziellen Reserven aufzehrt.


    Wie würdet ihr die beiden Fälle bewerten:


    1. Ist es einem gelähmten Menschen, der körperlich nicht inder Lage ist, Selbstmord zu begehen, zuzumuten evtl. noch Jahrzehnte weiter zu leiden?


    2. Ist es einer Familie zuzumuten, alles andere hintenanzustellen, um sich um einen Angehörigen zu kümmern, der davon nichts mitkriegt? (Bitte beschränkt eure Antwort nicht auf die Diskussion, ob der pupillenstarre Komapatient nicht evtl. doch noch was mitkriegt)

  • Zitat

    Original von Idgie
    Über so ein sensibles Thema würde ich nicht in einem jedem zugänglichen Forum reden. Ich habe durchaus eine Meinung dazu, aber die gehört nicht hierher. Es braucht nur 5 Beiträge und schon wird pauschaliert, was das Zeug hält. Deshalb diskutiere ich sowas lieber mit guten Freunden im kleinen Kreis. ;-)


    :write


    Brauche mir bloß die Meinung auf der buchstäblichen Zunge zergehen lassen...Zitat Anfang:"Ach die Verwandten wollen ja doch nur lieber schneller erben"...Zitat Ende


    ...dann wird mir üüüüübel!


    Wer so über seine Mitmenschen denkt, der braucht sich wohl nicht wundern, wenn bei ihm/ihr der berühmte Stecker mal von irgendjemandem auch tatsächlich unter derartigen Motiven gezogen werden wird.


    :hop Gott sei`s gedankt, daß wir mal nix zu vereben haben! :hop


    :wave
    Ikarus

  • Zitat

    Wer so über seine Mitmenschen denkt, der braucht sich wohl nicht wundern, wenn bei ihm/ihr der berühmte Stecker mal von irgendjemandem auch tatsächlich unter derartigen Motiven gezogen werden wird.


    Und warum dann die tausenden Erbrechtsprozesse? :write

    Die Geschichte lehrt die Menschen, daß die Geschichte die Menschen nichts lehrt.


    Mahatma Gandhi, indischer Freiheitskämpfer

  • Zitat

    Original von Perseus


    Und warum dann die tausenden Erbrechtsprozesse? :write


    Kann ICH was dafür, wie beschi...andere sind?


    Btw: was hat das jetzt mit dem Thema zu tun, Perseus?...s.o. Beitrag von Idgie!

  • Soweit ich deine Argumentation verstanden habe, liebe Ikarus, meinst du, dass es etwas verwegen sei, so über seine Mitmenschen zu denken.


    Nun, wenn ich mir den häufigsten Grund ansehe, warum Familien auseinandergehen, und wenn ich sehe, wie häufig sich Gerichte mit lächerlichen Erbschaftsprozesse herumschlagen müssen, dann bin ich schon der Auffassung, dass Habgier bei manchen Menschen durchaus dazu führen könnte, Aktive Sterbehilfe ganz besonders auszunutzen ...


    Gruß

    Die Geschichte lehrt die Menschen, daß die Geschichte die Menschen nichts lehrt.


    Mahatma Gandhi, indischer Freiheitskämpfer

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  • Zitat

    Original von Perseus
    Soweit ich deine Argumentation verstanden habe, liebe Ikarus, meinst du, dass es etwas verwegen sei, so über seine Mitmenschen zu denken.


    Verwegen nicht...und Deiner Meinung auch gewiß gnadenlos realistisch, allerdings möchte ich nicht gerne von solchen Menschen umgeben sein. Mehr habe ich damit nicht gesagt, lieber Perseus :-]



    Zitat

    Nun, wenn ich mir den häufigsten Grund ansehe, warum Familien auseinandergehen, und wenn ich sehe, wie häufig sich Gerichte mit lächerlichen Erbschaftsprozesse herumschlagen müssen, dann bin ich schon der Auffassung, dass Habgier bei manchen Menschen durchaus dazu führen könnte, Aktive Sterbehilfe ganz besonders auszunutzen ...


    Gruß


    Tja...


  • :write


    Als mein Oma schon sehr krank und nur noch Haut und Knochen war, die den lieben Tag lang im Bett lagerten, bat sie mich mal: "Kind, schmeiß doch deine alte Oma vom Balkon. Ich kanns nicht mehr aushalten, ich will nicht mehr!" :-(


    So sehr ich meiner Oma wünschte endlich ein Ende zu haben, ich hätte ihr nie den Wunsch erfüllen können. :-(

    _______________________
    Grüßle, Heaven


    Auch aus Steinen, die einem in den Weg gelegt werden, kann man Schönes bauen. (Goethe) ;-)

  • Zitat

    Original von Idgie
    Über so ein sensibles Thema würde ich nicht in einem jedem zugänglichen Forum reden. Ich habe durchaus eine Meinung dazu, aber die gehört nicht hierher. Es braucht nur 5 Beiträge und schon wird pauschaliert, was das Zeug hält. Deshalb diskutiere ich sowas lieber mit guten Freunden im kleinen Kreis. ;-)


    Ist aber ja nicht so, als ob wir hier nicht schon über andere sensible Themen gesprochen hätten. Und klar wird pauschaliert, abgeschweift, gestritten, vertragen - ist eben so wie in allen Topics, sei es Kindesmissbrauch, Abtreibung, Religion, Wahlen, etc.


    Gruss,


    Doc

  • Irrgend wer hat mal gesagt:
    Wenn auf jedem Grab wo eine Tötung oder sogar ein Mord liegt ne Kerze brennen würde wäre der Friedhof hell erleuchtet.
    Gruß oemchen


    PS: Hoffentlich habe ich richtig zitiert, aber der Sinn ist erkennbar
    :wave

  • Das ist ein wirklich interessantes und wichtiges Thema.


    Ich persönlich finde, dass der Wille des Betroffenen auf jeden Fall zu respektieren ist, ob er pro oder contra Sterbehilfe für sich selbst ist.


    Meine Familie hat Vorsorge getroffen, zumindest hoffen wir das, dass die Formulare dafür ausreichen, die wir ausgefüllt haben. Deshalb sollte jeder rechtzeitig mit seinen nächsten Angehörigen über den "Fall der Fälle" sprechen!!


    Meine Wenigkeit wünscht sich Sterbehilfe, wenn ich todkrank bin, ich Schmerzen erleiden muss, wo keine Schmerzmittel mehr helfen und es keine Aussicht auf Besserung gibt und ich keinerlei Lebensqualität mehr habe. Wann und wie das genau aussieht, sei jetzt erst mal dahingestellt, das muss wohl jeder in der entsprechenden Situation entscheiden.


    Mein Daddy siechte langsam vor sich hin. Er hatte Lungenkrebs im Endstadium. Natürlich ist Sterbehilfe in D verboten, natürlich wurde er nicht totgespritzt, aber der Hausarzt konnte morgens erkennen, das er an diesem Tag sterben wird und gab ihm eine Spritze, die ihm das "herübergleiten" erleichtert hat.
    Mein Vater war schon seit dem Vortag ohne Bewusstsein, aber er hat schmerzvoll nach Luft gerungen - soll man da tatenlos zusehen und Leiden verlängern????????? :fetch


    Um noch mal auf die Haustiere zurückzukommen: ich ringe sehr schwer mit jeder einzelnen Entscheidung, ob ich mein Tier einschläfern lassen soll - letztendlich möchte ich ihm weitere Qualen ersparen.
    Und das, denke ich, ist auch der Hauptgrund für Sterbehilfe - keine Gier nach einem eventuellen Erbe. Dazu mag es Ausnahmen geben, aber die gibt es immer und überall!

    ************


    Hazel


    "Ganze Weltalter voll Liebe werden notwendig sein,
    um den Tieren ihre Dienste und Verdienste an uns zu vergelten."


    Christian Morgenstern