Zum Inhalt:
„Alle Neger sind hinterlistig, feig und faul“ schreibt ein Schüler zu dem von der Aufsichtsbehörde vorgegebenen Thema „Warum müssen wir Kolonien haben“.
Der Lehrer, alleinstehend, 34 Jahre alt, schließt sich dieser aus Vorurteilen bestehenden Gesellschaft mit seinem Denken nicht an, doch nach außen „macht er mit“, weil er Angst um seinen Job hat. Seine Antwort „Neger sind auch Menschen“ bringt ihn in größte Schwierigkeiten mit den Eltern und auch den Spitznamen „Neger“ unter den Schülern.
Mit großem Bedenken beobachtet er die Verrohung der Jugend („alles Denken ist ihnen verhasst. Sie pfeifen auf die Menschen! Sie wollen Maschinen sein, Schrauben, Räder, Kolben, Riemen - doch lieber als Maschinen wären sie Munition: Bomben, Schrapnells, Granaten. Wie gerne würden sie krepieren auf irgendeinem Feld! Der Name auf einem Kriegsdenkmal ist der Traum ihrer Pubertät“), die Vorgabe durch die Medien „was zu denken ist“. Verstärkt wird dieser Verlust der Individualität dadurch, dass die Schüler nur Großbuchstaben statt Namen („Nummern“) haben. Das sogenannte „Zeitalter der Fische“ ist im Anbruch.
Er begleitet seine Schüler auf ein von der Regierung verordnetes Ferienlager zur körperlichen Ertüchtigung. Als dort ein Mord geschieht, in den auch er gewissermaßen am Rande verwickelt ist, tritt er aus seiner Introvertiertheit und Phlegmatik heraus, springt über seinen Schatten und kämpft offen für die Wahrheit und Fairness, ohne Rücksicht auf Verluste.
Der Lehrer hadert mit Gott, kann nicht begreifen, warum Gott solche Zustände zulässt. Doch während des Romans ändert sich auch sein Gottesbild.
Ödön von Horvath:
Geb. am 9.12.1901, als unehelicher Sohn des ungarischen Diplomaten Dr. Edmund Josef Horvath und der Maria Hermine Prehnal im ungarischen Fiume (heute: Rijeka, Kroatien)
Er besucht Schulen in Budapest, Wien und München, studiert Germanistik in München.
Er lebt in Berlin, Salzburg und Murnau (Oberbayern).
1927
Seine frühen Theaterstücke, wie "Revolte auf Côte 3018", zeigen seine Hinwendung zur Volkskultur und politischen Geschichte Deutschlands.
Aufgrund des Erstarkens der Nationalsozialistischen Deutschen Arbeiterpartei (NSDAP) warnt Horváth in seinen Stücken zunehmend vor den Gefahren des Faschismus.
1930
Veröffentlichung des Romans "Der ewige Spießer".
1931
Uraufführung der bedeutendsten Theaterstücke Horváths - "Italienische Nacht" und "Geschichten aus dem Wienerwald" - in Berlin. Durch den Erfolg dieser Stücke wird Carl Zuckmayer auf Horváth aufmerksam. Zwischen beiden entwickelt sich eine Freundschaft.
Horváth erhält für "Geschichten aus dem Wienerwald" den Kleist-Preis.
1933-1938
Nach der Machtübernahme durch die Nationalsozialisten übersiedelt Horváth nach Wien. Er schreibt weiterhin Theaterstücke und Romane.
1937
Uraufführung der Komödie "Figaro lässt sich scheiden" in Prag.
Veröffentlichung des gegen die Diktatur gerichteten Romans "Jugend ohne Gott" in Amsterdam.
1938
Nach dem "Anschluß" Österreichs emigriert Horváth nach Paris.
Er veröffentlicht den Roman "Ein Kind unserer Zeit" in Amsterdam und New York.
1. Juni: Ödön von Horváth wird auf den Champs-Élysées während eines Gewitters von einem Ast erschlagen.
Meine Meinung:
Für mich eines der wichtigsten Werke der Zwischenkriegsliteratur, das in keinem Schulunterricht fehlen darf und auch beim dritten Wiederlesen immer noch wahnsinnig viel hergibt. Ein Buch, das von Erzähltechnik und Stil sehr einfach geschrieben ist, mit seinen knapp 150 Seiten rasch ausgelesen ist, aber über das man stundenlang sinnieren und interpretieren kann. Über Mitläufertum, über den Mut, den Mund aufzumachen, über die Gefahr der Anonymität und der Gleichgültigkeit über die Gefahr der Manipulation, etc.
ABSOLUT EMPFEHLENSWERT!!