'Das Kaffeehaus - Falscher Glanz' - Seiten 299 – 444

  • Das Buch liest sich sehr gut und flüssig, da machen die längeren Abschnitte gar nichts. Die Handlung lief genau so flüssig voran (trotz der teils größeren Zeitabstände), daß ich so viel jetzt gar nicht schreiben kann, da sich Etliches schlicht wiederholt.


    Das unverständliche Verhalten Sisis etwa. Ich kann gut nachvollziehen, daß Außenstehende sich fragen, ob die Kaiserin nicht mehr ganz bei Sinnen ist. Etwa bei S. 297 habe ich selbst den Vermerk „War die verrückt?“ notiert (als Sisi rundherum verkünden ließ, sie wolle keine Namenstags-, Geburtstags- und sonstige Glückwünsche mehr). Als sie dann noch ihre ganze Garderobe verschenkt ... die tickte wirklich nicht mehr richtig.


    Dabei kommt auch die Bosheit der Marie Festetics offen zutage, indem die Sophie die Brosche, welche sie zuvor gar nicht interessierte, streitig machen will. Sisis Reaktion hat mich dann überrascht, aber ich vermute, Sophie hat recht: nun hat sie eine erbitterte Feindin. Wer weiß, was der noch einfällt, Sophie zu schaden. Ob das etwas mit diesem Grafen Szalay zu tun hat?


    S. 313: „Unsinnige Vorschriften“, „starre, längt überkommene Etikette“ - besser kann man den Habsburgerhof in Wien wohl nicht beschreiben - und vermutlich so manchen anderen auch nicht, bis in die heutige Zeit und nicht nur in „royalen Umgebungen“.


    Die Zustände, die Richard bei seiner Untersuchung offen legt, sind zum Himmel schreiend. Ich frage mich, wie man bei so einer Behandlung davon ausgehen konnte, daß die Armee im Ernstfall überhaupt noch einsatzfähig war? Bei den Konsequenzen wird dann wieder peinlich darauf geachtet, daß nichts nach draußen dringt, und niemandem Höheren zu fest auf die Zehen getreten wird. Alles wie gehabt...


    Bei der Szene im Garten in Wiesbaden (S. 376ff) habe ich mich gefragt: Fakt oder Fiktion? Also entspringt die der Phantasie der Autorin oder gibt es eine reale Grundlage dafür?


    S. 381, schon nach knapp zwei Stunden konnte der Zug weiter fahren? Das erscheine mir arg früh nach dem Unglück, es sei denn, die Wagen wurden ausgetauscht. Ich kann mir nicht vorstellen, daß man damals in der kurzen Zeit den Zug wieder auf die Gleise hat setzen können - das würde ja heute mit modernem Gerät länger dauern. Andererseits - zu der Zeit waren weder Lokomotiven noch Wagen so groß, wie wie sie heute kennen (oder die bald nach der Jahrhundertwende waren). Der Hofzug wird vielleicht so ungefähr wie auf diesem Bild ausgesehen haben (ungefähr, weil der Zug des Bildes 1891 gebaut wurd und damit sicherlich "moderner" war als der, den Sisi benutzte.


    Am Ende hat Richard einen weitern heiklen Auftrag - und trifft dabei auf einen Cousin als Hauptübeltäter! Was da wohl noch herauskommt?!

    Unter den Büchern finden wir wieder, was uns in der Fremde entschwand, Frieden im Innern und Frieden mit unserer Umgebung.
    (Gustav Freytag, 1816 - 1895, aus "Die verlorene Handschrift")

  • Ich frage mich sehr häufig, welche Szenen mit Sisi auf historischen Berichten fußen und welche Marie Lacrosse sich ausgedacht hat.

    "Verrückt" ist ein sehr negativ besetztes Wort, das zudem sehr ungenau ist. Aber depressiv ist Sisi in meinen Augen definitiv. Manche Leute würden das auch als verrückt bezeichnen. Sie ist vielleicht Herrin ihrer Sinne, aber sie leidet unter einigen psychischen Krankheiten. Magersucht ist nur eine davon...

    Sophie scheint aber ein gutes Verhältnis zu Sisi aufgebaut zu haben. So gut, dass sie ihr erstmal verspricht, in ihrem Dienst zu bleiben. Also ist der ungarische Graf damit abgehakt? Was genau an ihm so unsympathisch ist, bleibt ja leider offen. Hier hätte ich mir mehr Informationen gewünscht oder habe ich diese einfach überlesen?


    Auch Mili scheint eine ausgeprägte Borderline-Störung zu haben. Aber was hat sie ausgelöst? Ist es wirklich "nur" die harte Erziehung bzgl. ihrer schulischen Leistungen? Und haben ihre Mutter und Sophie wirklich keinen Handlungsspielraum? Klar, das Wort des Stiefvaters ist Gesetz, aber hätte Sophie Mili nicht anders ihr Geschenk überreicht können?


    Was mir ein wenig negativ aufstößt... Es wird sich viel Zeit dafür genommen, die Unterschiede zum Kaffeehaus und Café herauszuarbeiten, was mir sehr gut gefällt. Aber dann wird im weiteren Verlauf Kaffeehaus synonym zum Café verwendet (wenn Sophie es besuchen will), was meinem Verständnis nach, aber dann doch einfach falsch ist, oder? Hier würde ich mir mehr Genauigkeit wünschen.

  • Dieser Abschnitt ist, im Gegensatz zu den anderen, ziemlich brutal. All diese Dinge, die Richard aufdeckt - man oh man. Da kann man wirklich nur mit dem Kopf schütteln. Dennoch denke ich, dass so etwas früher und in anderer Form auch heute noch stattfindet. Sicherlich gibt es genügend Menschen, die sich, durch ihre "Macht"Position, dazu berufen fühlen, andere zu schikanieren.


    Auch die Szenen mit Sisi sind schon sehr interessant. Ob sie wirklich diese seltsamen Anfälle ihrer Melancholie hatte? Ich weiß es nicht, da ich kein Sisi Fan bin und mich noch nie mit ihr beschäftigt habe. Aber sie scheint schon eine komische Frau gewesen zu sein. Ihre Optik hin oder her in jungen Jahren.


    Der Konkurrenzkampf um die Gunst von Sisi beginnt und obwohl Sophie dort gar nichts mit zu tun haben will, zieht Sisi sie mehr und mehr hinein. Ob das noch lange gut geht?


    Ich bin gespannt, wann Richard und Sophie sich wieder begegnen. Bitte, liebe Marie Lacrosse, lass es nicht erst im nächsten Band passieren.

  • Sisis Melancholie ist historisch belegt und wurde öfter schon mal aufgegriffen. Die ist ja beispielsweise auch in ihrem Musical Thema. Wie diese sich allerdings genau geäußert hat, weiß ich nicht. Aber da steht sicherlich was im Nachwort zu. Aber ich frage mich bei gezielten Szenen immer mal wieder, ob Marie Lacrosse diese irgendwo so ähnlich in der Literatur gefunden hat. Würde mich nicht wundern. :)

  • "Verrückt" ist ein sehr negativ besetztes Wort, das zudem sehr ungenau ist.

    Ich weiß, daß man heute die Sprache gewaltsam ändern will. Aber ich bin inzwischen in einem Alter, da ich nicht mehr alles mitmachen muß - und das ganz gewißlich nicht.


    Ich weiß, daß der von mir verwendete Begriffe negativ konnotiert ist - deshalb habe ich ihn auch bewußt verwendet, und das nicht im medizinischen (ich bin kein Arzt oder Psychologe), sondern im umgangssprachlichen Sinne.


    Was genau an ihm so unsympathisch ist, bleibt ja leider offen.

    Ich weiß nicht mehr genau wo, aber an einer Stelle wird seine Erscheinung recht genau beschrieben. "Unsympathisch" wäre da eines der freundlichsten Worte, die mir für ihn einfallen würden.

    Unter den Büchern finden wir wieder, was uns in der Fremde entschwand, Frieden im Innern und Frieden mit unserer Umgebung.
    (Gustav Freytag, 1816 - 1895, aus "Die verlorene Handschrift")

  • Der Abschnitt gefiel mir richtig gut.


    Die Darstellung Elisabeths mit ihren "Macken" - die heute als psychische Störungen erkannt werden würden.

    Ich hätte sie in der Hinsicht ja wirklich gern persönlich kennengelernt und mit ihr gesprochen, ihr zugehört. Das hätte mich richtig interessiert. Auch ob sie offen für Hilfe gewesen wäre, wenn es damals schon psychologische Therapie gegeben hätte.

    Ich sag ja - ein hochkomplexer, interessanter Charakter aus psychologischer Sicht.


    Aber Sophie tut mir schon doch leid, muß sie sich nun verpflichten, bzw. fühlt sich verpflichtet, nun bei Elisabeth zu bleiben.

    Ok, besser als der olle ungarische Graf - der so beschrieben wird, daß ich ihn mir als schmierigen nach außen charmant tuenden Mann vorstelle, der alles was er so an Schmeichelein raushaut, eh nicht ernst meint, da er nur an sich selbst denkt. :grin



    Milli macht mir Sorgen, so wie es beschrieben wird, klingt es wie das heutige sogenannte "ritzen" Selbstverletzendes Verhalten.

    Bei ihr denke ich, daß das wohl durch den Stiefvater ausgelöst wurde - dem ich immer noch alles zutraue....

    Daß das ritzen als sogenannter Abbau eines starken inneres Durcks angewendet wird.


    Und richtig spannend fand ich diesmal die "Richard-Szenen" bei seinen Aufkläungen im Militärischen.

    Puhh, was da zutage tritt.

    Schämen die Ofiiziere sich nicht? Also haben sie in ihrer Ausbildung nicht gelernt, daß sie anderen, gerade schwächere Menschen, eigentlich schützen sollen, statt sie zu schädigen?


    Aber vermutlich waren die Herren Offiziere in einer derart dekadenten Denkweise verstrickt, die ja auch durch das Verhalten, Protokoll der damaligen Zeit noch eher befördert wurde.

    Hielten sich für besser und kamen trotz Christlichsein, nicht auf die Idee, daß das vielleicht ja gar nicht stimmen könnte.


    Mir gefällt von Abschnitt zu Abschnitt besser, kann ich gerade nur sagen.

  • Ich frage mich sehr häufig, welche Szenen mit Sisi auf historischen Berichten fußen und welche Marie Lacrosse sich ausgedacht hat.

    Ich vermute mal, dass die meisten Szenen historisch zu belegen sind. Gibt ja einiges an Material über Sisi. Marita recherchiert ja immer sehr intensiv.

    Hollundergrüße :wave



    :lesend


    Heumahd - Susanne Betz


    (Die Freiheit des Menschen liegt nicht darin,

    daß er tun kann, was er will,

    sondern daß er nicht tun muß,

    was er nicht will - Jean Rousseau)

  • Die Darstellung Elisabeths mit ihren "Macken" - die heute als psychische Störungen erkannt werden würden.

    Ich hätte sie in der Hinsicht ja wirklich gern persönlich kennengelernt und mit ihr gesprochen, ihr zugehört. Das hätte mich richtig interessiert. Auch ob sie offen für Hilfe gewesen wäre, wenn es damals schon psychologische Therapie gegeben hätte.

    Ich sag ja - ein hochkomplexer, interessanter Charakter aus psychologischer Sicht.

    Ohne Grund hat sie sich nicht so gut mit König Ludwig verstanden. Zwei wirre geplagte Seelen. Beide etwas größenwahnsinnig und im Inneren vielleicht unsicherer, als man dachte.

    Hollundergrüße :wave



    :lesend


    Heumahd - Susanne Betz


    (Die Freiheit des Menschen liegt nicht darin,

    daß er tun kann, was er will,

    sondern daß er nicht tun muß,

    was er nicht will - Jean Rousseau)

  • Und richtig spannend fand ich diesmal die "Richard-Szenen" bei seinen Aufkläungen im Militärischen.

    Puhh, was da zutage tritt.

    Schämen die Ofiiziere sich nicht? Also haben sie in ihrer Ausbildung nicht gelernt, daß sie anderen, gerade schwächere Menschen, eigentlich schützen sollen, statt sie zu schädigen?

    Haben sie sicherlich nicht gelernt. Damals waren Untergebene und schwächere Menschen weniger wert. Schützen musste man den Kaiser und das Reich. Es ging sicher nicht um den kleinen Mann/Frau.

    Hollundergrüße :wave



    :lesend


    Heumahd - Susanne Betz


    (Die Freiheit des Menschen liegt nicht darin,

    daß er tun kann, was er will,

    sondern daß er nicht tun muß,

    was er nicht will - Jean Rousseau)