Souad - Bei lebendigem Leib

  • Kurzbeschreibung:
    Vorab gleich eine Warnung: Souads Bei lebendigem Leib ist nichts für schwache Nerven. Wer sich aber einlässt auf die Lebensgeschichte der Autorin, der bekommt ein Stück schockierender Literatur über das, was durch gesellschaftliche Zwänge bis heute auf der Welt -- in diesem Fall im Westjordanland in den 50er-Jahren -- im Namen der Gerechtigkeit an Ungerechtigkeit passiert.


    Souad ist 17 Jahre, als ihre Eltern beschließen, sie umzubringen. Denn das unverheiratete Mädchen ist schwanger geworden und hat somit Schande über die Familie gebracht. Deshalb wird sie von ihrem Schwager mit Benzin übergossen und angezündet. Wie durch ein Wunder überlebt Souad den "Ehrenmord" -- ebenso wie ihr Kind -- und kann mithilfe einer Französin vor ihren Häschern fliehen.


    Autorenportrait:
    Heute lebt sie, inzwischen um die 50 Jahre alt, mit falscher Identität gemeinsam mit ihrem Mann und drei Kindern "irgendwo in Europa". Die Fragen ihrer Kinder zu beantworten ist ihr leichter gefallen, als die "verborgensten Erinnerungen aus meinem Gedächtnis hervorzuholen". Wie eindringlich ihr dies gelungen ist, davon zeugt dieses Buch.


    Meine Meinung:
    Dieses Buch hat mich mehr als nur tief bewegt... Ich hatte "das Übliche" erwartet, Erzählungen, wie ungerecht Frauen in diesem Land behandelt werden - und war zutiefst geschockt, als ich die Wirklichkeit erkannte... unglaublich, unglaublich furchtbar und traurig. Ich kann meine Gefühle noch nicht richtig in Worte fassen, es ist einfach zu unvorstellbar, dass überhaupt ein Lebewesen so behandelt werden kann!
    Der Klappentext übertreibt kein bisschen, und ich bin eher jemand, der viel aushalten kann.

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    Hazel


    "Ganze Weltalter voll Liebe werden notwendig sein,
    um den Tieren ihre Dienste und Verdienste an uns zu vergelten."


    Christian Morgenstern

  • Hallo Hazel,


    das Buch hat mich sprachlos gemacht und ich war unglaublich erschüttert. Gerade weil es nicht "nur" eine Geschichte sondern Wirklichkeit ist, war mir tagelang richtig übel und ich habe das Buch nicht mehr aus dem Kopf bekommen.


    Liebe Grüße
    nic

  • Hallo nic!


    Ja, genau, auch mir war - und ist! - noch richtiggehend übel.
    Am schlimmsten fand ich, dass Souad wochenlang mit schwersten Verbrennungen im Krankenhaus gelegen und sie keinerlei medizinische Versorgung - nicht mal Schmerzmittel!!! - erhalten hat!! Da bin ich fast bei der Vorstellung in Tränen ausgebrochen!!!;-(

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    Hazel


    "Ganze Weltalter voll Liebe werden notwendig sein,
    um den Tieren ihre Dienste und Verdienste an uns zu vergelten."


    Christian Morgenstern

  • Ja, es ist unfassbar, dass selbst Ärzte und Krankenschwestern nicht wirklich etwas getan haben, um ihr zu helfen, weil sie der Ansicht waren/sind, dass ein Ehrenmord schon korrekt ist, wenn eine Frau sich "falsch" verhalten und der Familie Schande bereitet hat.
    Diese Mentalität ist eben nicht nachzuvollziehen.

  • ... und es wird noch schlimmer... Ich kann es gar nicht fassen, dass Frauen irgendwo auf dieser Welt - in diesem angeblich so aufgeklärten Jahrtausend - so *mir fehlen die Worte* behandelt werden!

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    Hazel


    "Ganze Weltalter voll Liebe werden notwendig sein,
    um den Tieren ihre Dienste und Verdienste an uns zu vergelten."


    Christian Morgenstern

  • Als sie das erstemal erzählte, wie ihre Mutter die "überzähligen" und "unnötigen" Schwestern sofort nach der Geburt umgebracht hat ( und das ist in diesem Land/diesem Dorf scheinbar völlig "normal"......... ) fiel mir sofort der Fall ein, der letzthin durch die Medien ging. Diese Frau, die auch ihre Babys getötet hat.


    Was für uns hier das schlimmste und unvorstellbarste Verbrechen ist, ist dort etwas alltägliches und wird von niemandem verurteilt. So kam es zumindest für mich rüber............. :wow

  • Zitat

    Original von nic
    Ja, es ist unfassbar, dass selbst Ärzte und Krankenschwestern nicht wirklich etwas getan haben, um ihr zu helfen, weil sie der Ansicht waren/sind, dass ein Ehrenmord schon korrekt ist, wenn eine Frau sich "falsch" verhalten und der Familie Schande bereitet hat.
    Diese Mentalität ist eben nicht nachzuvollziehen.


    Ich kann es auch nicht nachvollziehen. So etwas geht über meinen Horizont. Wenn ich so etwas lese, frage ich mich, wie jemand das seinem Fleisch und Blut antun kann. Wie nur?! Und alles im Namen der Ehre. Muss eine ziemlich verkorkste Ehre sein, wenn man bereit ist, seine Familie dafür zu opfern.
    Vor ein paar Monaten las ich in der TDF-Zeitschrift einen Bericht über Ehrenmorde. Das geht wirklich unter die Haut.


    Zitat aus der TERRE DES FEMMES-Zeitschrift:
    "Ich sehe die betroffenen Mädchen häufig zweimal in meinem Institut", berichtet der aus Jordanien angereiste Gerichtsmediziner Dr. Hani Jahshan. "Das erste Mal zur Untersuchung nach einer Vergewaltigung. Und das zweite Mal obduziere ich dann ihre Leiche nach einem Ehrenmord."


    Ich könnte jedesmal heulen, wenn ich so etwas lese.


    ***
    Aeria

  • Es ist und bleibt abscheulich!!!! :hau


    Ich verstehe auch absolut nicht und niemals, warum das vergewaltigte Mädchen/Frau getötet wird????? Ehre????? Was geschieht mit dem Vergewaltiger? Klopft man dem auf die Schulter für seine Tat oder was?


    Warum werden die Opfer getötet? Ehrlich, das geht über meinen Horizont und über mein begreifen... Vor allem, wenn man bedenkt in wie vielen Ländern so etwas "normal" zu sein scheint...
    Und Rosenstolz : Ja, auch mir kam beim Lesen sofort die Erinnerung an die Babymörderin... :fetch

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    Hazel


    "Ganze Weltalter voll Liebe werden notwendig sein,
    um den Tieren ihre Dienste und Verdienste an uns zu vergelten."


    Christian Morgenstern

  • Dieses Buch habe ich noch nicht gelesen.Ich glaube mich zu erinnern das ich so ähnliches gelesen habe.


    Ich finde es immer noch schlimm, dasEhrenmorde gibt. Jedes bin ich wirklich erschüttert und traurig. Aber auch andere Gewalttäigkeiten gegen Frauen in anderen Ländern bleiben oft versteckt, bis ein Buch erscheint.
    Ich hoffe das das Thema irgenwann mehr präsent ist.


    Zofie :-(

  • Ich habe das Buch gerade erst angefangen und es hat mich schon voll gepackt.


    Mein Gott, das ist unvorstellbar, was dort geschildert wird! Es kommt einem vor wie eine Geschichte aus einem anderen Jahrhundert - und doch passiert es "fast nebenan".


    Vor allem habe ich mir mal durch Kopf gehen lassen, das Souad gerade mal fünf, sechs jahre älter ist als ich. Während ich mit 13 / 14 eine problemlose Jugend mit allen erdenklichen Freiheiten erleben durfte hat sie nur ein paar Flugstunden von mir entfernt unbeschreibliches erleiden müssen: unterdrückt, geschlagen, und von der eigenen Familie zum Tode verurteilt ... das muss man sich mal klarmachen!

  • Als ich vor zwei Jahren das Buch las war ich erschüttert und empfand gleichzeitig einen unbändigen Zorn auf eine Gesellschaft, die solche Ehrenmorde zulässt. Auch in Deutschland werden Mädchen und Frauen von Onkels, Brüdern, Vätern ermordet, wenn sie sich nicht dem Kodex der Famillie entsprechend verhalten. Täter verlassen ungerührt und ohne sich einer Schuled bewusst zu sein das Land. Ich werde es niemals fassen können.

  • Ich habe auch schon einige wenige Bücher über Ehrenmorde und Beschneidungen gelesen und könnte mich jedes mal aufs Neue darüber aufregen über diese (Un)moral! Ich kann und werde es nie verstehen, wie man ohne jede Gefühlsregung einen Menschen so verstümmeln oder umbringen kann! Ich finde solche Bücher haben generel keinen guten Schreibstil und, dass sie sich nicht sehr gut lesen, aber ich lese die Bücher auch nciht wegen dem Lesen sondern um mich näher darüber zu informieren!

  • So schrecklich das klingt, man kann es nur ansatzweise nachvollziehen, wenn man sich klarmacht, dass die Menschen dort in einem völlig anderen Kulturkreis leben und deren Werte von unseren so weit weg sind, wie der Mond von der Erde. Ich will das nicht schönreden, aber derartige Einstellungen ändert man nicht über Nacht. Das was dort unter Ehre verstanden wird und so verschieden von unseren Vorstellungen ist, kann man vielleicht überhaupt nicht ändern. :-( Die Menschen haben bei Ehrenmorden kein Unrechtsbewußtsein, sie sind so erzogen worden, dass ihre Handlungsweise von der Gesellschaft, in der sie leben, akzeptiert, wenn nicht sogar verlangt wird. Uns erscheint das barbarisch, sie handeln innerhalb ihrer Umgebung gesellschaftskonform.


    So, wie wir uns niemals vorstellen können, unsere Werte denen der Menschen im Westjordanland anzupassen, sowenig können sie das umgekehrt.


    Ein Vergleich mit den Babymorden hierzulande drängt sich mir nicht auf, da es sich bei den hiesigen Morden eben nicht um Werteverletzungen handelt, sondern wahrscheinlich um Menschen, die überhaupt kein Wertegefühl haben, statt ein von uns differierendes.

  • Idgie


    Das hast du schön erklärt, mit dem Ehrenkodex, den Traditionen, die anerzogen werden und als gut und ehrenvoll gelten. Nur, warum empfindet das dann die ERzählerin nicht so? Auch sie wuchs dort auf, sie lernte und erfuhr die Werte in ihrem Kulturkreis, wendete sich letztendlich aber gegen ihn. Warum? Wenn es dort doch so üblich ist, kann sie doch eigentlich geduldig ihr Schicksal erwarten, Inschalllah -

  • das mit dem Kulturkreis - SO weit weg ist das gar nicht.


    Erst vor gar nicht langer Zeit wurde Hatin Sürücu in Berlin von ihrem Bruder ermordet - und das ist [URL=http://www.dw-world.de/dw/article/0,2144,1501093,00.html]kein Einzelfall[/URL].


    Ihre Eltern sind Kurden, stammen also aus der Türkei, einem Land, welches immerhin der EU beitreten will. Die Eltern leben seit über 30 Jahren in Deutschland, die Kinder und auch der Bruder, der geschossen hat, sind in Deutschland aufgewachsen - das klingt alles nicht nach weit weg...