Ich denke auch, wenn das Flüchtlingsthema auf dem Klappentext gestanden hätte, hätte das bestimmt einige Käufer von dem Buch abgehalten.
Ich mag ja Bücher, die polarisieren. Ich lese sie gern und schreibe sie auch gern, wohlwissend, dass das riskant ist. Klar schreibe ich, um zu unterhalten, aber nicht nur. Ich schreibe auch, weil ich etwas mitteilen möchte. Jedenfalls meistens. (Das nächste Projekt hab ich einfach aus Spaß gemacht, aber da ist es wieder das venezianische Setting, das mich bei der Stange gehalten hat.)
Mir war auch klar, dass dieses Buch, das wir hier lesen, polarisieren wird. Finde ich nicht schlimm. Meine Agentin hat mich auch von Anfang an gewarnt, dass es schwer verkäuflich sein wird, und das war ja dann auch so. Aber sie hat da hinter mir gestanden und sich wirklich dafür eingesetzt. Dafür bin ich ihr sehr dankbar. Es gibt ja auch Agenturen, die sagen "Nö, nehmen wir nicht, kriegen wir nicht los."
Für mich gehörte das Flüchtlingsthema eindeutig in den Roman und die politischen Einschübe fand ich wohl dosiert.
Ja, ohne dieses Thema wäre es eine komplett andere Geschichte geworden. Mir geht Clemenzas und Federicos Geschichte mindestens genauso zu Herzen wie die von Nina und Tonio, fast noch mehr sogar.
Sicher, ich hätte Federico nach dem Unglück auch nach Afrika zu Ärzte ohne Grenzen schicken können, und nach sieben Jahren wäre er irgendwann aus irgendeinem Anlass, der mir sicher eingefallen wäre, reumütig zurückgekehrt. Aber das wäre nicht halb so stark gewesen. Außerdem fand ich den Gedanken wichtig, die Seenotrettung dem Costa-Concordia-Unglück gegenüberzustellen, um die Frage aufzuwerfen: Ist das Leben der Kreuzfahrt-Touristen mehr wert als das afrikanischer Flüchtlinge? Was passiert da eigentlich an den Außengrenzen unseres Kontinents? Warum schauen die Menschen weg, wenn Migranten im Mittelmeer ertrinken, überschlagen sich aber vor Hilfsbereitschaft, wenn es um europäische Touristen geht?