Verschwörung gegen Amerika - Philip Roth

  • Kurzbeschreibung
    Amerika 1940. Charles Lindbergh, Fliegerheld und Faschistenfreund, verbucht bei den Präsidentschaftswahlen einen erdrutschartigen Sieg über Franklin D. Roosevelt. Unter den amerikanischen Juden breitet sich Furcht und Schrecken aus - auch bei der Familie Roth in Newark. Aus der Sicht des 8-jährigen Philip schildert der Autor, was passiert wäre, wenn ...


    Rezension:


    Ein Roman, wo ich wirklich (begeistert) völlig durchgedreht bin.


    Roths Intellekt am Höhepunkt, was anderes kann man dazu kaum sagen.


    Was wäre wenn - von pathetischen Fragen halte ich eigentlich recht wenig.


    Wenn nicht Roth ein so tolles Thema vorgegeben hätte: Was wäre gewesen, wenn Lindbergh - ein bekennender Antisemit - die Wahlen 1940 gewonnen hätte?


    Roth beschreibt eposartig ein Alptraumszenario mit allen Facetten.


    Das Buch entführt dich in eine andere Fantasy-Weltgeschichte mit der Hauptfigur des Autors Identität - anfangs verwirrend, geht es schnell inst brilliante, intelligente, ins Unfassbare ...


    Das Hauptanliegen Roths war es sichtlich, zu offenbaren, wie schnell Menschen sich gegen eine Volksgruppe wenden können, wie schnell Menschen unkritisch werden, wenn sie von einem willkürlichen Regime manipuliert und gesteuert werden.


    Dieses Werk kann sich ruhig mit Orwells "1984" vergleichen.


    Welch ein Genuss, dieses Werk zu lesen.

    Die Geschichte lehrt die Menschen, daß die Geschichte die Menschen nichts lehrt.


    Mahatma Gandhi, indischer Freiheitskämpfer

  • Tja, ich bin ja auch bekennender Philip-Roth-Fan....aber einen Höhepunkt seines Schaffens kann ich mit diesem Werk leider nicht feststellen.
    Die Verschwörungsmasche hat ihm am Ende den Gaul durchgehen lassen. Das und ein abruptes Ende - als hätte die Zeit nicht mehr gereicht - hinterlässt eher ein Fragment mit effekthaschendem Schluß.
    Da lobe ich mir doch den MENSCHLICHEN MAKEL, SABBATHS THEATER.......


    Sorry, Perseus, aber das ist ja das Gute, daß jeder seinen Geschmack hat, sonst wäre es ja fade.... :-)


    Ciao


    Meph

  • Was wäre gewesen, wenn F. D. Roosevelt 1940 nicht abermals zum amerikanischen Präsidenten gewählt worden wäre, sondern stattdessen Charles Lindbergh, der amerikanische Held, Atlantik-Überquerer und bekennende Hitler-Verehrer, als Kandidat der Republikaner? Die Antwort auf diese Frage legt Philip Roth in seinem neuesten Buch vor, einer Utopie über ein faschistisches Nordamerika.


    Im weitgehend jüdischen Teil Newarks leben die Roths. Der Vater ist Versicherungsvertreter, Mutter Bess hütet Haus und Kinder, die Jungs Sandy und Philip sind 10 und 7 Jahre alt, außerdem lebt Vetter Alvin im Haushalt. Das Leben ist einfach und übersichtlich, hat seine Rituale und seine kleinen Katastrophen, aus denen große werden, als der charismatische Lindbergh zum Herren des Weißen Hauses bestimmt wird. Alvin zieht für Kanada in den Krieg – und verliert ein Bein. Sandy wird zum Vorzeigejuden für ein obskures Programm, dessen Ziel darin besteht, die jüdischen Amerikaner umzusiedeln und ihre sozialen Strukturen aufzubrechen. Einzig Papa Roth leistet Widerstand gegen die Deportationspläne.
    Philip Roth hat sich in seiner sieben Jahre alten Fassung zum Ich-Erzähler gemacht; die Geschichte endet seltsam und verstörend abrupt.


    Das Buch bietet einen hohen Wiedererkennungswert; Teile der Kindheitsgeschichten sind ähnlich in einigen Büchern des häufig geehrten Autors, der auch immer wieder für den Literatur-Nobelpreis gehandelt wird, erzählt worden. Leider gelingt ihm das im vorliegenden Roman weniger gut, dessen Aufbau und Konzeption noch einige andere Schwächen aufweist. Vor allem aber enttäuscht das Buch sprachlich; sinnarme Bandwurmsätze und seitenlange Aufzählungen wirken nachgerade zersetzend auf den Erzählfluß, der auch sonst nicht so recht aufkommen will. Anders gesagt: „Verschwörung gegen Amerika“ ist streckenweise sterbenslangweilig.


    Die Tragödie der Familie soll exemplarisch sein für die Auswüchse des Monstrums Faschismus, aber es liest sich, als hätte Roth beim Schreiben die ganze Zeit mit einem Fuß auf der Bremse gestanden, als wäre das überhaupt nicht das Buch, das er schreiben wollte, als hätte sich die – möglicherweise nicht einmal schlechte – Ausgangsidee gegen den Autor gewendet. Die Bedrohung wirkt häufig sehr diffus, andererseits erscheint vieles vorhersehbar, zu konsequent und auf dramatische Weise undramatisch. Das Schicksal der amerikanischen Juden nimmt sich, so, wie Roth es erzählt, zuweilen beinahe banal aus gegenüber dem Schicksal der europäischen Juden, wohinter natürlich auch eine Absicht steht, aber es geht hier um die Konsequenz. Letztlich zeigt Roth lediglich, daß es möglich gewesen wäre – und immer noch ist, denn der Roman hat durchaus seine aktuellen Bezüge -, aber Ansatz und Setting verweigern sich dem zu sehr, um tatsächlich ein Exempel zu liefern. Größter Kritikpunkt an diesem sehr unbefriedigend endenden Roman ist jedoch sein sprachliches Scheitern, an dem die unglückliche und gelegentlich sehr unglaubwürdige Erzählperspektive ihren Anteil hat. Großes Thema, schwaches Buch.

  • Zitat

    Original von Tom
    .... einer Utopie über ein faschistisches Nordamerika.


    ... als hätte sich die – möglicherweise nicht einmal schlechte – Ausgangsidee gegen den Autor gewendet. ...


    Ich bin mir ziemlich sicher, daß irgendwann in den 80ern, in der uralten Heyne SF-Reihe, genau diese Grundidee bereits verwurstet wurde. Mir fällt nur partout der Titel nicht ein und ein Blick ins Regal sagt mir nur, daß ich das Buch nicht (mehr?) habe.


    Gruss,


    Doc

  • Endlich geschafft! Es war schon ein hartes Stück Arbeit, bei diesem Buch bis zum sehr schwachen Ende durchzuhalten.
    Philip Roth hat sich mit diesem Thema völlig übernommen. Lieblos werden die Protagonisten gezeichnet, lieblos wirkt das ganze Unterfangen.
    Anfangs ist noch alles sehr routiniert, dann nur noch schlimm konstruiert.
    Das was sich bereits bei letzten Büchern von Roth angekündigt hatte ist eingetreten, er wird auf seine alten Tage immer schlechter.
    Schade um die Lebenszeit die ich mit dem Lesen dieses Buches vergeudet habe. :-( :-(

    Ich mag verdammen, was du sagst, aber ich werde mein Leben dafür einsetzen, dass du es sagen darfst. (Evelyn Beatrice Hall)


    Allenfalls bin ich höflich - freundlich bin ich nicht.


    Eigentlich mag ich gar keine Menschen.

  • Zitat

    Original von Tom
    Voltaire : Hättest Du mal auf mich gehört. :wave


    Wäre wohl wirklich besser gewesen. :grin
    Aber so sind wir wenigstens auch mal einer Meinung........ :-) :wave

    Ich mag verdammen, was du sagst, aber ich werde mein Leben dafür einsetzen, dass du es sagen darfst. (Evelyn Beatrice Hall)


    Allenfalls bin ich höflich - freundlich bin ich nicht.


    Eigentlich mag ich gar keine Menschen.

  • Glück im Unglück wie mir scheint....wollte es nähmlich vorgestern erwerben, aber mir fehlten ein paar Euro, also hab ich es gelassen...
    ...Nach Toms Vorstellung und einer weiteren negativen Meinung lasse ich es auch fürs erste...
    Danke.


    :hop

    "Ich habe von Freud geträumt. Was bedeutet das?"
    "Sein Gewissen war rein. Er benutzte es nie."
    "Sogar in seinem Schweigen gibt es Sprachfehler"
    :gruebel

  • Bei diesem Buch fällt es mir schwer, eine eindeutige Beurteilung abzugeben.


    Über die ersten 100 Seiten habe ich mich gequält, dann habe ich Feuer gefangen und es wurde eine sehr interessante, fesselnde Geschichte. Die letzten 100 Seiten (das Buch hat insgesamt ca. 400) waren sehr langatmig, bestanden eigentlich aus einer Aneinanderreihung von Leuten, Organisationen, Nachrichtenmeldungen, etc.


    Angesprochen hat mich natürlich die zu Grunde liegende Idee. "Was wäre wenn ...", ein einzelnes Rad der Geschichte anders als im Geschichtebuch läuft ... was sind die Konsequenzen, wie würde die Welt aussehen.


    Brillant gelungen ist die Verwebung von historischen Fakten und Fiktivem. Wie auch das Nachwort erklärt, sind sämtliche im Buch genannten Personen authentisch, in ihrer Rolle, in ihrer Haltung, in ihrem Auftreten. Diese Personen haben im Buch einen anderen „Mitspieler“, nämlich Charles Lindbergh, seinerseits (auch historisch) eine antisemitische, nazifreundliche Haltung. Mit dem "Wahlkampfthema", Amerika vor dem 2. Weltkrieg verschonen zu wollen, gewinnt er die Wahl gegen F.D.Rooseveldt.


    Ebenso brillant die Figur des 8-jährigen Philip Roth (das Buch trägt starke autobiografische Züge), mit all seinen Ängsten, seinen Befürchtungen und seiner Verwirrung. Philip ist schlichtweg überfordert mit der Situation. Seine Eltern wollen das Kind natürlich verschonen, er bekommt dann doch einiges mit und kann mit all den Eindrücken nicht fertig werden. Er sieht wie langsam aber sicher seine heile Familien- und Umwelt aus den Fugen gerät, fühlt sich selber irgendwie schuldig, will verhindern und helfen und fühlt im Grunde wie ausgeliefert und machtlos er ist und dass es auch kein Entrinnen gibt.


    Sehr gut beschrieben ist auch die Systematik der Propagandamaschinerie. Subtil und verdeckt, aber sukzessive werden „Meinungen“ gebildet, die Juden assimiliert, durch (beruflich bedingte) Versetzungen übers Land verteilt. Durch die gezielte Propaganda gewinnt die Regierung auch die Zustimmung vieler Juden. Die ganz wenigen, die das System durchschauen bzw. ihm kritisch gegenüberstehen, werden aus dem Verkehr gezogen (z.B. der Journalist Walter Winchell).


    Diese ganze Thematik, diese Schilderungen entgleisen allerdings meiner Meinung nach ab Mitte des Buches. Roth verzettelt sich hier in Namen von Leuten, Namen von Organisationen, irgendwelche Kindheitserinnerungen und das Buch verliert leider sehr dadurch. Ebenso das abrupte, einfallslose Ende von Charles Lindbergs Gegenwart hat mich doch einigermaßen erstaunt und passt eigentlich nicht zum Buch.


    Am Roman angeschlossen ist ein sehr ausführliches Nachwort, mit sämtlichen Lebensläufen der im Buch genannten Personen bzw. auch den politischen Zuständen der damaligen Zeit. Ein Stück Zeitdokument, aus der Sicht Amerikas.

  • Zitat

    Original von Tom
    Vor allem aber enttäuscht das Buch sprachlich; sinnarme Bandwurmsätze und seitenlange Aufzählungen wirken nachgerade zersetzend auf den Erzählfluß, der auch sonst nicht so recht aufkommen will. Anders gesagt: „Verschwörung gegen Amerika“ ist streckenweise sterbenslangweilig.


    Wegen ebendieser sprachlichen Mängel habe ich diesen Roman nun nach 100 Seiten abgebrochen. Die Ausgangsidee ist ja ganz reizvoll, aber das ist alles sprachlich so mühsam und holprig vorgebracht, daß ich gar nicht weiterlesen mag.