Das feine Leben der Geliebten - Christine Weiner

  • Etwas zum Inhalt



    Das überwältigend schöne Gefühl der Liebe kann so gut tun, aber es macht auch verletzlich, wer hat es nicht schon einmal verspürt? - Die Liebe zu einem verheirateten Mann hat sie aus der Bahn geworfen, die Protagonistin dieses Buches. Ihren Namen habe ich in der Geschichte nicht gefunden und er spielt auch keine Rolle, umso leichter fällt es einem, sich mit ihr zu identifizieren, ihre Gefühle, ihre Gedanken nachzuvollziehen. Sie hält diese Beziehung, hält ihr Leben als Geliebte eines Tages nicht mehr aus, setzt sich in ihr Auto und fährt los, einfach so. Sie landet in Frankreich und mietet sich in einer kleinen Pension ein. Warum sie das tut, erschließt sich nicht sofort. Will sie vergessen, will sie verarbeiten, oder nur eine Pause von dem Mann, der sie immer wieder zu verletzen scheint, in dem er sie in die zweite Reihe, sozusagen auf die Ersatzbank schiebt? Sie beginnt in ihrem kleinen Zimmer, in das die Wirtin ihr einen Schreibtisch gestellt hat, zu schreiben. Ein Tagebuch ihrer Gedanken und Gefühle, dass sie in Briefform an ihre Freundin verfasst. Mijou heißt die Freundin, sie hat sie gewarnt vor diesem Mann, und ihre Zeilen an sie lassen alles fühlen, was in ihr vorgeht.



    Leseprobe


    Schon der Beginn des Buches rührte mich an, und so habe ich ihn als Leseprobe gewählt.“ Wenn ich an dich denke Mijou, dann fehlen mir noch immer deine Worte und dein Arm, der sich sanft um meine Schulter legt. Mir fehlt das Lachen deiner Augen. Das Gurren deiner Stimme. Es geht mir nicht gut, Mijou. Meine Augen leuchten nicht mehr. Sie sind genauso stumpf, wie du es mir immer vorhergesagt hast. Wenn du bei diesem Kerl bleibst, hast du gesagt, dann werden deine Augen leer werden und dein Lachen wird verstummen. (…) Du wirst dich zu einem Warten verwandeln, zu einem Warten auf „Kommt er?“ oder „ Kommt er nicht?“ – Willst du das? Hast du mich gefragt. Willst du das wirklich riskieren? Und ich habe genickt, Mijou, weil ich nicht anders konnte. Weil ich süchtig nach ihm war. Mich hingeben wollte, wann immer wir uns sahen. An das Warten dazwischen wollte ich nicht denken. Ich dachte, ich könnte es wegblättern, wie man die Seiten eines Kataloges umblättert, ohne genau hinzusehen. Ich wollte nur das Schöne sehen, Mijou, und das war es auch. Es war schön, und es tat so weh. Zu weh.“


    Wie geht es weiter?


    - Und so sitzt sie in ihrer Pension, nimmt kaum ihre Umwelt wahr, weil sie nur an ihn denkt. Sie durchlebt noch einmal ihre Gefühle, die Verletzungen, die sie erlitten hat, und die Zeit, in der er ihr so nahe war, dass er sich von seiner Frau trennen wollte. Er war nahe dran, und sie voller Hoffnung, bis er dann mit seiner Frau zusammen wegfuhr und ihr bei der Rückkehr sagte, dass es nicht ginge. Ganz langsam und unmerklich nimmt sie wieder ein wenig am Leben teil und vielleicht auch durch die Briefe an Mijou setzt ein Heilungsprozess ein. Wird sie zu ihm zurückgehen, oder steht sie am Ende da, als eine Frau, die aus dieser Beziehung gereift hervorgeht? Das herauszufinden bleibt denen überlassen, deren Interesse nun geweckt worden ist.


    Etwas über die Autorin


    Christine Weiner ist 1960 in Gießen geboren, ist Heilpädagogin, Betriebswirtin, Journalistin und Schriftstellerin. Sie lebt in Mannheim, wo sie für den SWR arbeitet und andere Autoren coacht und vermittelt. Sie ist als Beraterin, Dozentin und Redakteurin tätig, und betreut als Autorin Frauen in bestimmten Lebensprozessen, gibt ihnen Beispiele, Anregungen, Hintergründe. Wer Interesse daran hat, mehr über sie zu lesen, der kann im Internet unter www.christine-weiner.de nachsehen.




    Meine Meinung


    Vor einiger Zeit las ich eine Statistik, die besagte, dass in jeder 3. festen Beziehung ein Partner fremdgeht, oder schon einmal fremdgegangen ist. Sehr viele Menschen also, die auf einmal als „ Geliebte“ oder „ Geliebter“ da stehen. Über die Bedeutung des Wortes habe ich so oft nachgedacht. Es klingt nach Liebe, nach geliebt werden, aber eben auch nach Heimlichkeit und nach Verrat, ja auch ein wenig verrucht. Wird diese Bezeichnung aber dem jeweiligen Umstand, der zu diesem Status geführt hat, gerecht?
    Welche Motive führen dazu, dass der Partner, der Mensch, dem man vielleicht Treue versprochen hat, nicht mehr genügt? – Ist es die Lust am Abenteuer, das Prickeln und das Herzklopfen, das sich nach einer gewissen Zeit der Gemeinsamkeit legt? - Oder ist es die große Liebe, die einem begegnet, wenn man schon lange nicht mehr an sie geglaubt hat?


    – Welche Gründe auch immer dazu führen, ohne Gefühle geht es selten ab. – Diese Gefühle schildert Christine Weiner in ihrem Buch mit einer Intensität, die aufzeigt: „ Geliebte“ haben in unserer Gesellschaft keine Lobby, sie müssen ihre Liebe heimlich leben, dürfen so viele kleine Dinge, die in einer offiziellen Partnerschaft selbstverständlich sind, wie z.B. der Besuch bei den Eltern des Partners, das Bummeln Hand in Hand in der Öffentlichkeit, nicht leben. Wenn man verliebt ist, möchte man es allen erzählen, es in die Welt hinausschreien, möchte allen Freunden und Bekannten zeigen: "Das ist der Mensch, der mich liebt und er gehört zu mir!" Als Geliebte bleibt ihr das aber versagt. Liebe, die so gut tut, eben weil der oder die Liebste dem anderen eine gewisse Exklusivität seiner Gefühle schenkt, wird auf Dauer schal, und verletzt mit dem Gedanken, das man nur in der zweiten Reihe steht. Sie beschreibt es so treffend mit:„ Man kann den leeren Teller auf dem gedeckten Tisch nicht dauerhaft ignorieren. Der Platz ist frei, aber die abwesende Person sitzt dennoch drauf.“
    Das Buch hat mich traurig gemacht, es hat mich berührt, mit der Protagonistin fühlen lassen, was es bedeutet, die ewige Zweite zu sein. Es hat Emotionen geweckt und mich mit seiner wunderschönen poetischen Sprache so bezaubert, dass ich es nun schon dreimal gelesen habe.