Nuala O'Connor - Nora Joyce und die Liebe zu den Büchern

  • Herausgeber : Insel Verlag; Deutsche Erstausgabe Edition (18. April 2021)

    Sprache : Deutsch

    Broschiert : 461 Seiten

    ISBN-10 : 3458681426

    ISBN-13 : 978-3458681427



    Über die Autorin:

    Nuala O'Connor, geboren 1970 in Dublin, lebt im County Galway in Irland. Nora ist ihr fünfter Roman. Sie hat außerdem Erzählungen und eine Lyriksammlung veröffentlicht. 2018 wurde sie mit dem britischen Short Fiction Prize ausgezeichnet und 2019 mit dem Preis des James Joyce Quarterly.


    Meine Meinung:


    Die größte Enttäuschung seit Langem.


    Dies wird gewiss eine meiner kürzesten Rezensionen werden, da ich es nach dem Motto halte: 'Wenn man nichts Nettes zu sagen hat, soll man den Mund halten'; dennoch möchte ich zumindest darlegen, warum dieser biographische Roman aus der Feder der irischen Autorin Nuala O'Connor leider so gar nicht meinen Geschmack getroffen hat.



    Einige inhaltliche Elemente der stark an die Realität angelehnten Geschichte waren mir bereits bekannt, zum Beispiel die vielen wechselnden Wohnorte des Paares, James' teilweise manische Fixiertheit auf seinen großen Romanerfolg sowie seine gesundheitlichen Probleme, insbesondere seine schwindende Sehkraft. Als Fan von James Joyce bzw. von seinen Werken hoffte ich auf eine stimmungsvolle Erzählung der familiären Hintergründe und war enorm gespannt auf diesen Roman. Im Nachhinein werde ich mich bemühen müssen, das hier Gelesene bei einer zukünftigen Joyce-Lektüre auszublenden, da es meinen Eindruck von ihm und Nora nicht gerade positiv geprägt hat. Beide Figuren wirken in ihrem Verhalten weder liebenswert noch sonderlich nachvollziehbar – James verschließt vor allem Negativen die Augen, handelt hauptsächlich egoistisch, selbstherrlich und so kindisch, dass man die Hände überm Kopf zusammenschlagen möchte; Nora toleriert seine (Alkohol-)Exzesse immer wieder und widmet ihr Leben - ein Leben in Armut, wohlgemerkt - einem Mann, der sie noch nicht einmal heiraten möchte. Beide haben keine Hemmungen, andere Menschen permanent um Geld anzuschnorren und auszunutzen.


    Der Schreibstil brachte für mich keinerlei Emotionen rüber, wirkte unterkühlt und nüchtern. Am schlimmsten empfand ich die unnötig vulgäre, ins Pornographische abdriftende Ausdrucksweise in den zahlreichen 'Erotik'-Szenen; wahrscheinlich sollte dies feurige Leidenschaft darstellen, aber es war einfach nur obszön, niveaulos und schlichtweg furchtbar unangenehm zu lesen. Apropos 'lesen': der Untertitel »…und die Liebe zu den Büchern« ergab für mich keinen Sinn; davon ist im Laufe der gesamten Handlung rein gar nichts zu spüren.


    Fazit: Ein absoluter Flop! Statt einem atmosphärischen historischen Roman mit einer starken weiblichen Protagonistin gab es unsympathische Figuren, einen plumpen, nicht ansprechenden Schreibstil, null Flair und überbordende, graphische Sex-Szenen. Ich ringe mich durch zu einem Stern für das schöne, dem Genre entsprechende Cover sowie die angenehme Kapitellänge.


    ASIN/ISBN: 3458681426

    (Edit: ISBN zur Verlinkung und Coverabbildung nachgetragen. LG Wolke)

  • Eine runde Sache


    Irland, 1904:

    Die zwanzigjährige Nora Barnacle hat es von Galway nach Dublin verschlagen, wo sie als Zimmermädchen in einem Hotel anheuert. Eines Tages begegnet sie James „Jim“ Joyce. Obwohl Barnacle & Joyce aus verschiedenen sozialen Schichten stammen, verbindet sie sofort eine starke erotische Anziehungskraft. Joyce ist ein unangepasster Künstler, Nora wird zu seiner Muse, er weigert sich zunächst, sie zu heiraten. Die praktisch veranlagte Nora ist lange Zeit die Hauptverdienerin der Familie, sie folgt ihrer großen Liebe James durch ganz Europa. Zu den Stationen gehören Triest, Zürich und Pula; fern der Heimat kämpfen Nora, James und ihre Kinder um’s Überleben, als mittelloser Schriftsteller kann der Mann die Familie kaum ernähren, seine Anstellung als Lehrer ist nicht von Dauer. Immer ist es Nora, die einspringt, auch, als James sich dem Alkohol hingibt und sein gesundheitlicher Zustand sich rapide verschlechtert.

    Die Durststrecke endet erst, als der berühmte Roman „Ulysses“ publiziert wird. Nora soll als „Molly Bloom“ in die Literaturgeschichte eingehen…


    Eine süßlich – kitschige Fleißarbeit (viele Romanbiographien fallen in diese Kategorie) oder eine feministische Abhandlung darf man bei „Nora Joyce und die Liebe zu den Büchern“ nicht erwarten; der Originaltitel “Nora. A Love Story of Nora and James Joyce“ ist viel aussagekräftiger, da eine Amour fou geschildert wird. Wenn es um den körperlichen Aspekt dieser Liebesgeschichte geht, wird dieser sprachlich derb und unverblümt gezeigt.

    Auch den Roman „Ulysses“, in welchem ein Tag im Leben des Leopold Bloom (der 16. Juni 1904) geschildert wird, fanden viele Kritiker „vulgär“. Daher denke ich, dass die Autorin Nuala O’Connor ganz bewusst keine blumigen Formulierungen verwendet; ihre Ich-Erzählerin Nora nimmt auch das F-Wort in den Mund. Diese Art der Darstellung ist sicher nicht jedermanns Sache.

    Nuala O’Connors biographische Fiktion habe ich sehr gern gelesen, da Fakten auf unterhaltsame Art & Weise präsentiert werden, es gibt auch durchaus poetische Passagen und anrührende Szenen:

    „Für Jim bin ich Irland“, sagt Nora.

    O’Connors Roman ist in meinen Augen eine runde Sache, sie präsentiert am Ende der Erzählung ein Glossar der irischen Begriffe und räumt ein, manche Details zu „dramaturgischen Zwecken“ verändert zu haben. Auch die Lebenswege von Joyces Nachfahren streift sie im Anhang. Man muss also kein Anglist sein, um dieses Buch zu verstehen, da sich „Nora Joyce und die Liebe zu den Büchern“ nicht an eine rein akademische Leserschaft wendet, dieser Ansatz gefällt mir gut. Man wird „zum Weiterlesen“ animiert und kann nach der Lektüre von „Nora Joyce und die Liebe zu den Büchern“ zu einer kritischen Biographie greifen, wenn man möchte.

    Von mir gibt's die volle Punkt-bzw.Eulenzahl!


    ASIN/ISBN: 3458681426

    "Literatur ist die Verteidigung gegen die Angriffe des Lebens."


    "...if you don't know who I am - then maybe your best course would be to tread lightly."