Ein Tag im Leben des Iwan Denissowitsch von A. Solschenizyn

  • Ein Tag im Leben des Iwan Denissowitsch
    Von Alexander Solschenizyn


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    Buch der 1000 Bücher
    Copyright: Aus Das Buch der 1000 Bücher (Harenberg Verlag)


    Ein Tag im Leben des Iwan Denissowitsch
    OT Odin den Iwana Denissowitscha OA 1962 DE 1963Form Kurzroman Epoche Moderne
    Ein Tag im Leben des Iwan Denissowitsch von Alexander Solschenizyn zählte zu den größten literarischen Ereignissen der Tauwetter-Periode in den UdSSR. Erstmals wagte ein sowjetischer Autor das Tabuthema des stalinistischen Lagersystems unverblümt darzustellen.
    Inhalt: Im Mittelpunkt der Handlung steht der Häftling Nr. S 854 – Iwan Denissowitsch Schuchow, ein Zimmermann, der nach einer absurden Anklage wegen Hochverrats zu zehn Jahren Lager verurteilt wurde, von denen er acht bereits abgesessen hat. Das Geschehen beschränkt sich auf einen einzigen Tag im Januar 1951, dessen monotoner Verlauf stellvertretend für die 3653 Tage steht, die Schuchow insgesamt abzusitzen hat. Der Tagesablauf ist von der Lagerverwaltung streng vorgegeben: Wecken, Essen fassen, morgendlicher Zählappell, Filzen auf verbotene Gegenstände, harte körperliche Arbeit in der »Brigade Nr. 105«, die auf die Baustelle eines Kraftwerks abkommandiert ist, Mittagessen, wieder Arbeit, usw. Diesen Ablauf kennt Schuchow mittlerweile in- und auswendig; er hinterfragt weder die Rituale der Lagerbürokratie noch die Willkür der Bewacher. Schuchow lebt ausschließlich in der Gegenwart, sein Handeln und Denken ist darauf abgestellt, listig und klug sein Überleben zu sichern und innerhalb der Tagesroutine kleine Vorteile für sich herauszuschlagen: etwa für einen Tag ins Krankenrevier eingewiesen zu werden, wo man sich einmal richtig ausruhen kann, oder ein Paar echte Lederstiefel zugeteilt zu bekommen. Insbesondere das Essen besitzt für den ständig hungrigen Häftling eine geradezu obsessive Bedeutung. Über die Welt außerhalb des Lagers erfährt Schuchow so gut wie nichts, und das Wenige, was er in den ein, zwei Briefen erfährt, die ihm seine Frau pro Jahr schreibt, interessiert ihn nicht mehr. Nur indem Schuchow seine sinnlose, entmenschlichte Existenz als Normalzustand akzeptiert, kann er die Kraft zum Überleben finden. Am deutlichsten wird dies in seiner Einstellung zur Arbeit. Die Mitglieder der Brigade kontrollieren sich gegenseitig, da bei schlechter Leistung eines Einzelnen alle bestraft werden, doch nicht nur deshalb packt Schuchow fleißig an. Er ist in positivem Sinne naiv, ein arbeitsamer, bodenständiger Mensch, der es nicht ertragen kann, Dinge halb oder schlecht zu erledigen. Indem er sich mit der Wand, die er mauert, als seinem Werk identifiziert, verleiht er der Zwangsarbeit und seiner ausweglosen Lage einen Sinn, den sie objektiv gesehen nicht haben.
    Wirkung: Der Roman löste bei seinem Erscheinen in der Zeitschrift Novy Mir eine lebhafte Diskussion aus. Der sowjetische KPdSU- und Ministerratsvorsitzende Nikita Chruschtschow (1894 bis 1971) begrüßte das Werk als einen Beitrag zur Entstalinisierung. Als die Spielräume für kritische Literatur ab 1964 wieder enger wurden, kam das Buch auf den Index. Ein Tag im Leben des Iwan Denissowitsch zählt bis heute zu den erschütterndsten literarischen Zeugnissen über die stalinistische Diktatur. B. F. -- Dieser Text bezieht sich auf eine andere Ausgabe:



    Meine Meinung:
    Einen Tag ist der Leser zu Gast in einem Strafgefangenenlager vom Wecken bis zum Zapfenstreich. Ich darf mich jetzt nicht beschweren, da ich mir diese Lektüre selber ausgesucht habe, dennoch ist sie hart. Iwan Denissowitsch empfindet diesen Tag, als einen guten Tag, ich empfinde nur Schwere und Mitgefühl. Es ist ein Wunder, dass das Menschen überlebt haben.
    Ein Buch zum Nachdenken; später ist man mit dem was man selber hat sehr zufrieden …

  • Es ist viele Jahre her, dass ich dieses Buch gelesen habe, weshalb ich mich an keine Einzelheiten mehr erinnern kann; ich weiß nur noch, dass ich es reichlich deprimierend fand.


    Noch härter fand ich allerdings den Archipel Gulag, den ich nur zur Hälfte geschafft habe, weil ich dann geschafft war.

  • Nach diesen zwei doch sehr durchwachsenen Meinungen zu dem Buch möchte ich meine eigene äußern:


    Heidi hat ja den Inhalt sehr ausführlich beschrieben, allerdings fehlt m. E. ein wichtiges Detail: Iwan fühlt sich an diesem Tag krank. Er weiß aber, dass das Melden der Krankheit keine Arbeitserleichterung bringt, sondern eher noch mehr Erschwernisse.
    Die Beschreibung dieses Tages bedeutet also mehr als alle anderen Tage im Gulag für Iwan einen Überlebenskampf. Wie er diesen sachlich, chronologisch beschreibt, fand ich unheimlich berührend.
    Das Hauptthema für mich in diesem Buch war die Frage, wie man auch unter diesen unmenschlichen Umständen seine Würde behält. Iwan behält sie indem er jedes kleine positive Detail für sich bemerkt - z. B. eine Arbeit, die keinen allzu langen Fussmarsch erfordert oder eine doppelte Brotration.
    Zwischendurch scheint immer wieder die Machtlosigkeit durch - der Leser erfährt nicht - und Iwan weiß es wahrscheinlich auch nicht - wie lang er seine Strafe absitzen muss. Iwan thematisiert nicht das Unrecht, dass er im Gulag ist, die Wirkung auf den Leser, der weiß, dass nur ein Bruchteil der Menschen im stalinistischen Gulag sich nach normalen Rechtsvorstellungen etwas zu schulden haben kommen lassen, ist umso größer angesichts dieser Schicksalsergebenheit, die nur bemüht ist, zu überleben und dabei einen Rest Würde zu behalten.


    Solschenizyn hat mich mit diesem Büchlein gefangen, ich mag seine Art des Schreibens sehr.
    Ich habe übrigens meine Probleme mit der Einordnung unter der Rubrik "Autobiographie/Biographie". Es ist eine Erzählung, in die Solschenizyn zwar seine eigenen Gulag-Erfahrungen einspeist, aber ansonsten ist die Beschreibung dieses einen Tages für mich eher in den Bereich "Klassiker" oder wenigstens "Belletristik" einzuordnen.


    Edit: Noch ein paar Infos über Solschenizyn...
    Alexander Solschenizyn wurde 1918 in Kislowodsk geboren. 1945 Verurteilung zu acht Jahren Zwangslager des Gulag. 1953 Entlassung aus der Haft, Verbannung auf Lebenszeit. 1957 offizielle Rehabilitation des an Krebs erkrankten Solschenizyn. 1970 erhielt er den Nobelpreis für Literatur. 1974 wurde er aus der Sowjetunion ausgewiesen, nachdem er "Der Archipel GULAG" zur Veröffentlichung im Westen freigegeben hatte. Er lebte zunächst in Zürich und seit 1976 in den USA. 1994 kehrte er nach Russland zurück. Er starb am 3. August 2008 in Moskau.

  • Das Buch war einst der ersten Bücher, das ich nach der Wende gelesen habe. Vorher gab es die ja nicht zu kaufen. Und es ist eines der wenigen Büchern die ich in einem Zug (hintereinanderweg nicht in der Eisenbahn) gelesen habe. Ich konnte gar nicht mittendrin aufhören. Noch heute kann ich mir den Morgenmarsch im Dunkeln zur Arbeitsstelle vorstellen. Solschenizyn beschreibt besonder gut die kleinen Freuden aber auch die Ängste im Lager. Man fühlt sich mitten im Lager und freut sich wenn man wieder auftaucht in die heutige Welt.


    Gruß kds

  • Ich habe das Buch in den Weihnachtsferien auf Englisch gelesen. Ich wusste gar nicht, dass es eine noch deutsche Ausgabe gibt, die man kaufen kann.
    Mich hat es faziniert, wie es das Buch geschafft hat nur durch die Erzählung eines einzigen Tages so viele Details der Abläufe in den Gulags zu beschreiben und vorallem die Atmosphäre wiederzugeben. Es wird erzählt, als ob alles völlig selbstverständlich wäre. Eine Stelle hat sich bei mir besonders eingeprägt: wie Iwan Denissowitsch beschreibt, dass man glauben könnte, dass wenigstens die Gedanken noch frei sind, aber das sie es eigentlich nicht sind, da man nur darauf fokussiert ist, den Tag zu überstehen.
    Ein klasse Buch, ich kann es nur empfehlen!

    "Von den vielen Welten, die der Mensch nicht von der Natur geschenkt bekam, sondern sich aus dem eigenen Geist erschaffen hat, ist die Welt der Bücher die größte." (Hermann Hesse)

  • Ein Tag im Leben des Iwan Denissowitsch - Alexander Solschenizyn


    Nobelpreis 1970


    Knaur, 144 Seiten


    Kurzbeschreibung:

    Dreitausendsechshundertdreiundfünfzig Tage wird S 854 in Haft verbringen - Tage, die bestimmt sind von einem kaum zu bewältigenden Arbeitspensum, von Hunger und Entbehrung. Von einem dieser Tage in einem der Lager des Gulag handelt Alexander Solschenizyns Erzählung. Vom Weckruf bis zum Löschen des Lichts beschreibt er den Alltag von Iwan Denissowitsch, schildert die Sorgen und Nöte des Inhaftierten - keine Grausamkeiten, sondern die täglichen Schikanen, aber auch die Freude über fünf Minuten Ruhe oder über eine Schüssel Suppe.

    Der Roman schildert einen Tag aus dem Leben eines Häftlings in einem sowjetischen Gulag.


    Über den Autor:

    Alexander Solschenizyn, 1918 in Kislowodsk geboren, war Mathematiklehrer und Schriftsteller. Von 1945 bis 1953 im Konzentrationslager, danach drei Jahre Verbannung. 1957 rehabilitiert. 1969 Ausschluss aus dem sowjetischen Schriftstellerverband, 1970 Nobelpreis, 1974 Ausweisung. Solschenizyn ging zunächst in die Schweiz, lebte dann in Vermont, USA, und kehrte 1994 nach Russland zurück. Er starb am 3. August 2008


    Mein Eindruck:

    Für mein Literaturnobelpreisträger-Projekt habe ich mich jetzt doch einmal an ein Buch von Alexander Solschenizyn herangewagt.

    Dieses Buch berichtet exemplarisch anhand eines Mannes, der stellvertretend für viele steht, vom harten Alltag in einem von Stalins Zwangsarbeiterlager.

    Solschenizyn schreibt realistisch und aus eigenen Erfahrungen

    Hunger,Kälte,Krankheit sind nicht zu vermeiden und permanent da.

    Man erfährt von Details, z.B.von den Abläufen un der Arbeit und was es in der Kälte des Lagers bedeutet, keine ordentlichen Stiefel zu haben.

    Schuchow ist seit 8 Jahren gefangen und hat sich arrangiert. Sein Alltag ist ein ständiger Überlebenskampf. Er ist illusionslos und weiß:

    „Wenn´s dich friert, erwarte kein Mitgefühl von einem, der im Warmen sitzt“.


    Der Text erinnert mich inhaltlich an die Erzählungen aus Kolyma von Warlam Schalamow, den ich literarisch stärker als Solschenizyn empfunden habe.

    Aber thematisch geht es in die gleiche Richtung und wenn man sich den Zustand der Welt ansieht, in den in vielen Ländern Oppositionelle und Dissidenten weggesperrt werden, dann ist dieses Buch immer noch sehr relevant.



    ASIN/ISBN: 3426616262