'Berlin Alexanderplatz' - 1. + 2. Buch

  • Puuuuuh die Sprache IST grauenhaft!!! :wow


    Ich habe gestern das erste Buch (bis S. 45 - alle Seitenzahlen beziehen sich auf die dtv-Ausgabe aus dem ersten Beitrag) gelesen und muss sagen "Mein lieber Scholli"....


    Ich hab mir immer wieder eingetrichtert, dass es in den 20er Jahren spielt, aber irgendwie hat das auch nicht viel genutzt, und irgendwie liest es sich eher so wie die sozialkritische Pulp-Fiction Version der 20er Jahre, im Drogenrausch erzählt :lache Also zumindest konnte ich mit der Erklärung einigermaßen leben :lache


    Noch ein paar Anmerkungen/Fragen zum ersten Buch (dass vor jedem Buch so eine Kurzzusammenfassung steht finde ich übrigens gut, auch dass die einzelnen Unterkapitelchen in jedem Buch relativ kurz sind, dann kann man zwischendurch immer tief durchatmen...):


    • Was mich wirklich irritiert, ist, dass zwischen dieser anstrengenden Sprache diese lexikonartigen Absätze eingefügt sind (S. 34+36 die Abschnitte über Potenz oder S. 38 über Ehebruch mit dem Freund des Mannes)
    • S.36: Was ist Mampe???
    • Am Anfang bleibt ja völlig unklar, warum er überhaupt im Gefängnis gelandet ist, später wird dann von Körperverletzung gesprochen und dass eine Ida daran schuld sei und erst ganz zum Schluss vom ersten Buch wirds deutlicher. Dafür dass er sie "zur Hure machte und bei einer Schlägerei tödlich verletzte" (S. 45) wird von ihm noch ganz schön neutral gesprochen.
    • Apropos Idas Schwester: Hat ER ihr dabei (bei der Vergewaltigung??) ein blaues Auge geschlagen? Und warum hat sie sich nicht gewehrt? Ich frag mich nach seinem Verhalten Idas Schwester gegenüber: DAS versteht er unter anständig???
  • Ich wollte schon längst viel weiter sein, aber irgendwie finde ich es anstrengend, dieses Buch zu lesen. Ein Text ohne viele Absätze, der Wechsel zwischen persönlicher Rede in der Ich-Form und Erzählung, dann wieder Gedanken, dann noch der Dialekt...


    Bin noch im ersten Buch, habe ca. 36 Seiten. Das kann ich nicht am Stück lesen, glaube ich.


    Mampe? Irgendwas flüssiges auf jeden Fall. Aber was?

  • Habe gestern noch ein paar Seiten geschafft, aber irgendwie... HMPF. Neben den ganzen Sprachschwierigkeiten hab ich den Eindruck, es werden auch wichtige Informationen einfach weggelassen. Also auf einmal kommt ein Dialog, man weiß nicht, wer da warum mit wem redet und das alles wird erst Seiten später in einem Nebensatz erwähnt. Beim ersten Mal hab ich noch zurückgeblättert, beim nächsten Mal war ich einfach nur genervt :fetch


    Ich überlege ob ich mir nicht zum allerersten Mal ein Zweitbuch zum Parallel-Lesen raussuchen soll :gruebel

  • Stimmt, ich muss mich auch sehr konzentrieren, um mitzukriegen, wer denn nun spricht.


    Hab mich auch gefragt, was die Geschichte mit den Juden sollte. Der Rote, der Braune, der Alte,... Sollte die Geschichte von Stefan Zannuwitsch (oder so, hab das Buch nicht hier) eine Lehre für ihn sein? Bestimmt, sonst würde sie von dem Braunen nicht so dringlich erklärt werden. Aber die Art des Schreibens... :rolleyes

  • ja ich glaube schon, so nach dem Motto: Siehste, so kanns einem gehen! Wobei der eine bestimmt jedem diese Geschichte erzählt, egal obs passt oder nicht :lache


    Bevor ichs vergesse: Richtig GUT hat mir ein Absatz gefallen am Anfang des zweiten Buches, wo die Personen beschrieben werden, die in die Bahn einsteigen (ab S. 53), vor allem den über Max Rüst, die Idee fand ich sehr gut. Ist aber nur 1 Absatz...

  • Also mir fehlen noch 4 oder 5 Seiten, dann hab ich das erste Buch fertig.


    Ich lese auf jeden Fall parallel noch ein anderes, dieses hier ist mir echt zu mies zum alleinigen Lesen.


    Mampe... tja das weiß ich auch nicht, vor allem weil der Satzbau rund um dieses Wort so verschieden ist, dass man selbst daraus keinen Schluss ziehen kann.


    Am Anfang habe ich gedacht, wenn dieser chaotische Satzbau seine Verwirrung, seine Umstellung von Knast auf Freiheit und die hektische Welt "draußen" anstatt der ruhigen, geregelten drinnen darstellt, dann ist es ziemlich gut.
    Allerdings geht das ja das ganze Buch so....


    Das IST aber auch anstrengend das zu lesen, mann mann mann.
    Mein Plan derzeit ist pro Tag ein Buch durchzulesen, mehr als eins davon schaffe ich glaube ich nicht.

  • Zitat

    Original von geli73



    Hab mich auch gefragt, was die Geschichte mit den Juden sollte. Der Rote, der Braune, der Alte,... Sollte die Geschichte von Stefan Zannuwitsch (oder so, hab das Buch nicht hier) eine Lehre für ihn sein? Bestimmt, sonst würde sie von dem Braunen nicht so dringlich erklärt werden.


    Ja das ist auch so eine Sache.
    Scheinbar soll es eine Lehrer sein, aber ich versteh nicht was für eine bezogen auf Franz Biberkopf. Vielleicht hab ich einfach nur irgendeine Kleinigkeit übersehen, aber durch dieses verdammt verwirrenden Satzbau hat man einfach kein Überblick.

  • Ich hatte mir schon einmal gedacht, ob die Farben die dazugehörige politische Denkweise meinen, sprich rot und braun?
    Was meint Ihr?


    Ansonsten habe ich in meiner Lektürenhilfe über die Sprache gelesen: großartig :pille
    Was vielleicht stimmt, ist, dass diese Einschübe (Potenz usw.) oft aus Zeitungen, Flugblättern usw. stammen, und dadurch ist dieses Werk ein echter Zeuge der Zeit. (Aber muss es so verwirrend geschrieben sein?)

  • Die Einschübe sind ja wirklich anders geschrieben, nichts mit Dialekt, eine andere Ausdrucksweise, gewählter. Wenn das so ist, wie Heidi meint, ist das vrständlich. An so etwas hatte ich gar nicht gedacht.


    Sterntaler : Mein Ziel war zum einen, 100 Seiten/Tag zu lesen und zum anderen am Samstag durch zu sein, abr das schaffe ich nicht.


    Ich gucke morgen mal in der Bücherei, ob es eine Lektürehilfe dazu gibt.

  • Also ich lese es auf jeden Fall zuerst und dann die Sekundärliteratur.
    Aber wie lange ich dafür brauchen werde, weiß ich noch nicht. Es ist echt übel zu lesen.

  • Unbedingt weiterlesen! Ich fand's beim ersten Versuch auch grauenhaft, beim zweiten Mal, ohne Parallellektüre und recht zügig, kam ich plötzlich rein, und die Sprache wurde wie Musik. Rhythmisch und mit vielen kleinen Motiven, die immer wieder auftauchen, mit Variationen.


    Als Zeuge der Zeit beschäftigt sich das Buch wohl auch mit dem aufkommenden Kino, der Schreibstil ist irgendwie "filmisch".

  • Zitat

    Original von Heidi Hof
    Ich hatte mir schon einmal gedacht, ob die Farben die dazugehörige politische Denkweise meinen, sprich rot und braun?
    Was meint Ihr?


    Hmm könnte sein, aber ein Jude mit politisch brauner Denkweise? :gruebel


    Zitat


    Was vielleicht stimmt, ist, dass diese Einschübe (Potenz usw.) oft aus Zeitungen, Flugblättern usw. stammen, und dadurch ist dieses Werk ein echter Zeuge der Zeit. (Aber muss es so verwirrend geschrieben sein?)


    Hey so hab ich das noch gar nicht gesehen, guter Gedanke!


    Zitat

    Original von geli73
    Ich gucke morgen mal in der Bücherei, ob es eine Lektürehilfe dazu gibt.


    lol zwei Leute, ein Gedanke... Ich war in der Mittagspause in der Stadt und bin schnell in meine Buchhandlung reingesprungen und habe die Lektürehilfe (s.u.) gekauft. Mit 2,60€ auch gar nicht so teuer. Deshalb kann ich jetzt auch enthüllen:


    Mampe = Kräuterlikör der gleichnamigen Firma


    Die Interpretation dadrin lese ich aber auch erst gegen Ende, aber für die Wörter und den zeitlichen Hintergrund etc. ist es bestimmt nicht schlecht.

  • Hallo!


    Ich habe heute erst begonnen und bin noch nicht sehr weit.
    Ich muss sagen, dass die Sprache wohl gewöhnungsbedürftig und sehr anstrenged ist, aber grauenvoll finde ich sie nicht. Nein, kann ich nicht sagen.


    Wegen der Farben /rot/braun/ bzw. /alt/ ist mir nur Folgendes aufgefallen:


    Es wird ziemlich zu Beginn (Bei mir auf S. 10 (dtv von 1988 ) von einem Juden mit rotem Vollbart gesprochen (der ihn aufgelesen hat). Ich denke, dass sich somit das "rot" auf das Erscheinungsbild/Aussehen des Mannes bezieht. Ebenso beim "Braunen" (bei mir auf S. 20: ... an der Tür hatte schon etwa fünf Minuten ein Mann mit braunem Kräuselbart gestanden). -


    Von den "roten" Mauern spricht er immer im Zusammenhang mit dem Gefängnis. Da weiß ich aber keine Erklärung.


    Ich möchte auf jeden Fall heute noch das erste Buch fertiglesen!


    Liebe Grüße!!

  • Zitat

    Original von JerseyIch muss sagen, dass die Sprache wohl gewöhnungsbedürftig und sehr anstrenged ist, aber grauenvoll finde ich sie nicht. Nein, kann ich nicht sagen.


    Mittlerweile geht es bei mir auch schon besser :P
    Ich musste mich aber ganz schön umstellen, vom flüssigen Lesen zum Kurz-Happen-Menü, das ist schon ein gewaltiger Sprung.


    So, werde gleich auch wieder etwas lesen,
    bis morgen dann :wave


  • :bonk Natürlich, du hast recht Jersey! Für die mit der neuen Ausgabe sind das übrigens S. 17 und 27.


    Den roten Mauern im Gefängnis habe ich gar keine Bedeutung beigemessen, ich dachte einfach, es waren halt rote Backsteinmauern.


    Ich hoffe, dass ich heute das 2. Buch beenden werde.

  • Ich hab das erste Buch geschafft und so langsam wird es, wenn ich nur mehr Zeit hätte, seufz...


    Ich glaube, ich werde einfach mal lesen, ohne mir Gedanken über das Verständnis machen, evtl. komme ich dann besser rein.


    @ Milla: Gute Idee, für so manches Wort brauche ich es auch.


    Hatte neulich das Hörbuch, gesprochen von Ben Becker, aber da kam ich auch schlecht rein, wegen des Dialekts und weil es auch mit direkter und indirekter Rede kreuz und quer geht. Schwer zu verfolgen.

  • Habe gestern tatsächlich noch das 2. Buch geschafft, juhuu!


    Ich muss euch recht geben, es wird besser, bleibt aber meiner Meinung nach immer noch anstrengend, nur man gewöhnt sich dran ;-)


    Zitat

    Original von Lemon
    Als Zeuge der Zeit beschäftigt sich das Buch wohl auch mit dem aufkommenden Kino, der Schreibstil ist irgendwie "filmisch".


    Hi Lemon,
    ich glaube, ich weiß, was du meinst, kann dem aber für mich nur begrenzt zustimmen, ich empfinde es weniger als "filmisch", sondern eher als Mosaik oder Collage, und zwar beinahe im wahrsten Sinn des Wortes, siehe z.B. die Piktogramme am Anfang des zweiten Buches, die da völlig kommentarlos eingefügt sind. Genau das ist es auch, was für mich den anstrengenden Stil ausmacht. Es werden einfach Sätze, Episoden, Gedanken, Bilder, Personen vorgesetzt ohne einen Zusammenhang herzustellen.



    Erste Anmerkungen zum 2. Buch:


    Jetzt übt Franz also diverse Jobs aus, mit seinen guten Vorsätzen geht es also ganz gut los, erst Schlipsverkäufer, dann vertreibt er völkische (antisemitische) Zeitungen. Wie sich im Lauf des Buches herausstellt, tut er dies nur bedingt aus politischer Überzeugung, hauptsächlich ist dies eben eine Einnahmequelle für ihn. Dennoch ist er politisch eher rechts angesiedelt, er glaubt, dass eine solche Politik am ehesten in der Lage dazu ist, für "Ruhe und Sicherheit" zu sorgen, die ihm anscheinend wichtiger sind als alles andere (S. 94).


    Gut gefallen mir - wie auch schon im ersten Buch - die Beschreibungen der Personen, die sich im Umfeld von Franz bewegen (z.B. S. 78/79), mit ihm direkt aber nichts zu tun haben. Bei ihnen gibt sich Döblin mehr "Mühe", enthüllt Motive, Tätigkeiten, Folgen ihres Handelns. Ein bisschen so wie bei "Lola rennt", wenn ich das mal so einfach vergleichen kann. Schade, dass es nicht mehr solcher Stellen gibt!!


    Richtig ungewöhnlich ist der Rückblick auf den Mord an Ida, der am Schluss des Buches noch einmal aufgegriffen wird. Auf distanzierte, rein physikalische Weise wird er im Detail beschrieben, aber kein Wort darüber, was Franz darüber denkt/empfindet, von Reue keine Spur. Finde ich ein bisschen seltsam, vor allem, nachdem sich Franz ja völlig besorgt über den kleinen Vogel gibt, der in der Kneipe auf einer Stange sitzt und den ganzen Rauch einatmen muss (S. 88).