'Die Buchhändlerin' - Seiten 001 - 096

  • Ich muss euch unbedingt Recht geben - das Buch entwickelt von der ersten Seite an einen unfassbaren Lesesog. So habe ich auch schon etwas über den ersten Abschnitt hinaus gelesen...


    Den Prolog fand ich heftig. Schon ein einziges, vergessenes Buch hat genügt, um Martin ins KZ zu bringen. Umso froher war ich, dass Martin die Kriegszeit irgendwie überlebt hat. Dass er nicht über diese Zeit sprechen will, kann ich absolut nachvollziehen. Jeder geht anders mit seinen Erlebnissen um und manche Dinge müssen vielleicht einfach totgeschwiegen werden, um sie einigermaßen vergessen zu können. Ich habe aber den Eindruck, dass er sich nicht verkriecht und mit seinem Schicksal hadert, sondern dass er zurück in seiner Familie aufblüht und voll neuem Tatendrang wieder etwas aufbauen will. Die Bücher sind sein Lebenselixier. Auch das finde ich sehr nachvollziehbar. ;)


    Natürlich ist mir Heinz auch ans Herz gewachsen. Er ist ein richtig aufgewecktes Kerlchen mit dem Herz am rechten Fleck. Und seine Handelsfähigkeiten sind beachtlich - er musste in den Kriegswirren und ohne Eltern ja auch schon früh erwachsen werden. Umso schöner finde ich es für ihn nun, dass er eine Familie gefunden hat und dort auch Kind sein darf.


    Christa ist eine junge Frau, die endlich ihr Leben genießen will, die etwas aus ihrem Leben machen möchte. Und sie liebt Literatur. Es ist mehr als verständlich, dass sie gerne studieren möchte. Aber genauso verständlich, d.h. in die damalige Zeit passend, finde ich Helenes Ansichten. Wie Lese-rina schon schreibt, sie lässt Christa große Freiheiten, weil sie ihr ein Abitur ermöglicht und ihr auch ansonsten nicht direkt vorschreibt, was sie machen soll. Aber sie ist natürlich ganz in der damaligen Denkweise verhaftet, dass ein Mädchen sich besser in hauswirtschaftlichen Dingen auskennen sollte, weil sie ja sowieso geheiratet wird.


    Helenes "Erklärung" dazu, ihr Wunsch, in den Vorkriegsalltag mit seinen traditionellen Strukturen zurückzukehren, hat mir sehr gut gefallen. Heute teilen wir diese Ansicht nicht mehr und auch Christa lehnt sich ja dagegen auf, aber es ist gut und wichtig, dass diese Ansicht im Buch thematisiert wird.

    Ich finde gerade diesen Wunsch nach alten Strukturen spannend. Bei Helene frage ich mich, ob sie diese Denkweise hat, weil sie anerzogen wurde oder weil sie sich einfach nach alten Zeiten sehnt. Wahrscheinlich spielt beides eine Rolle.

  • Stimmt, Helene gibt Christa viele Freiheiten, vermutlich damit sie sich ein wenig austobt, solange das noch geht. Aber irgendwann muss auch Schluß sein und sie soll das richtige Leben in Angriff nehmen. Blöd nur, dass Christa die Alternative soviel besser gefällt und sie das was ihre Mutter für sie sieht, eben für sich nicht sieht....

  • Meine Mutter musste vor dem Studium auch ein halbes Jahr die Hauswirtschaftsschule besuchen. Mein Opa wollte einem potentiellen Schwiegersohn keinen „Blaustrumpf“ zumuten. Aber studieren durfte sie dann doch und das 400km weg von zu Hause. Übrigens erst ab 49, weil erst die Kriegsheimkehrer dranwaren.

  • Ihr Lieben,


    Ich verrate es: Christas Vater bleibt verschollen, weil er für die eigentliche Geschichte keine Rolle spielt.

    Das habe ich mir schon gedacht, er findet ja auch kaum Erwähnung in der Familie. Aber vielleicht ist er ja ein Spätheimkehrer...

    Dafür gibt es im 2. Band der Buchhändlerin eine andere Überraschung.

    Jetzt überleg ich schon die ganze Zeit, was das wohl sein könnte. :lache Ich liebe Überraschungen. :S

    Noch schöner ist aber die Tatsache, dass es einen zweiten Band geben wird!

  • Es war gerade so schwer, das Buch beiseite zu legen. Ich würde so gerne gleich weiterlesen. Aber der Haushalt macht sich leider nicht von alleine und so habe ich dann doch die Stopp-Taste gefunden und nutze das aus, meine Gedanken aufzuschreiben. :schuechtern


    Ich kann mich eurer Begeisterung nur anschließen und bin ganz vernarrt in die das Schwertfeger-Quartett. :-]

    Das für mich wesentlichste an diesem Buch ist, dass ein durchaus ernstes Thema in einer sehr lesbaren Schreibe mit Spannung und mit sehr viel Liebe den Protagonisten gegenüber geschrieben ist. Alle Figuren sind nicht eindimensional wachsen dem Leser aber gerade deswegen ans Herz.

    beowulf : Das hast du für mich genau auf den Punkt gebracht. Es gab in diesem ersten Abschnitt einige schwierige Momente und gleichzeitig bin ich so in die Geschichte versunken und liebe es, sie zu lesen.


    So unterschiedlich die Figuren sind, kann ich dennoch für jede nachvollziehen, wie sie auf ihre Art denkt und handelt:


    Martin, der sich schwer tut, über seine Erlebnisse im KZ zu berichten. Es kommt mir auch so vor, als ob er seine Lieben vor diesen Schrecken bewahren möchte. Besonders gut gefallen haben mir die Szenen, in denen er mit Christa den Buchladen geputzt haben. Mit jedem Staubkorn ist hoffentlich zumindest ein kleiner Partikel des Schreckens verschwunden oder zumindest weit weg gewischt worden.


    Helene, die sich um ihre Tochter sorgt und hofft, dass alte Strukturen auch wieder die gute alte Zeit zurück bringen.


    Christa mit ihrem großen Herzen und dem Hunger nach Leben, der auch ein bisschen von Chitto geweckt wird. Ich habe ich so sehr für sie und Marlies gefreut, dass sie einen schönen Tanzabend erleben durften.


    Und dann natürlich Heinz. Diesen Jungen kann man einfach nur lieb haben! Gerade die Szenen, in denen er sein Paket von den Amis auspackt - mir ging schier das Herz auf und das war eine der Momente, in denen meine Augen feucht wurden.


    Ich habe auch geschluckt, als ich von seiner Meerschweinchenzucht gelesen habe. Mir als Meeri-Mama hat da schon ein wenig das Herz geblutet. :zwinker Trotzdem habe ich natürlich vollstes Verständnis dafür. Er ist so ein patentes Bürschchen und tut alles, um seine neue Familie zu unterstützten. Er stellt das wirklich geschickt an und ich kann mir vorstellen, dass aus ihm ein erfolgreicher Geschäftsmann wird.


    Ich muss mich jetzt leider der Wäsche widmen. Aber ich werde heute besonders Gas geben, damit ich so rasch wie möglich weiterlesen kann. :-]

  • Jetzt überleg ich schon die ganze Zeit, was das wohl sein könnte. :lache Ich liebe Überraschungen. :S

    Noch schöner ist aber die Tatsache, dass es einen zweiten Band geben wird!

    Das geht mir genauso. Ich bin doch soooo neugierig... :chen Aber es ist eine wunderbare Nachricht, dass es dann ein Wiedersehen mit den bereits jetzt ans Herz gewachsenen Figuren geben wird. :-]

  • Ich habe auch geschluckt, als ich von seiner Meerschweinchenzucht gelesen habe. Mir als Meeri-Mama hat da schon ein wenig das Herz geblutet. Trotzdem habe ich natürlich vollstes Verständnis dafür.

    Ich war ja schon froh, dass sie nicht erwägen, das Fleisch selber zu essen. Sind ja im Endeffekt Nager wie Kaninchen. Mein Vater hat Kaninchen für den Selbstverzehr gezüchtet. Der war damals ein Teenager.

    Hollundergrüße :wave



    :lesend


    Heumahd - Susanne Betz


    (Die Freiheit des Menschen liegt nicht darin,

    daß er tun kann, was er will,

    sondern daß er nicht tun muß,

    was er nicht will - Jean Rousseau)

  • Ich bin ein bisschen spät, weil ich andere Leserunden erst noch abschließen wollte, bevor ich mich in Neues stürze, und heute versuche ich schon den ganzen Morgen, einen Impftermin zu bekommen, doch das System funktioniert mal wieder nicht.


    Was für eine schreckliche Zeit und was für furchtbare Menschen es gibt. Das Verhalten der Kleins ist ja nicht unüblich, aber immer wieder kann ich nicht begreifen, wie sich Menschen so verhalten können. Dabei spürt man es in den jetzigen Zeiten auch wieder, dass Denunziantentum sich ausbreitet und Menschen rücksichtsloser werden.


    Das Schicksal von Martin ist schlimm. Ich kann mir vorstellen, dass Christa sich die Schuld gibt, aber so etwas kann passieren trotz aller Vorsicht. Ein Buch von vielen und dann so eine schreckliche Bestrafung. Nachdem Martin wieder frei ist, verschließt er alles in sich. Das haben so viele Menschen gemacht. Sie wollten einfach nicht darüber reden. Gefallen hat mir, dass der Amerikaner Martins Handeln zu schätzen gewusst hat.


    Es hat mir gefallen, wie sich Christa um Fritz gekümmert hat und dass sie ihn nicht einfach alleine gelassen hat. Fritz hat schon Furchtbares hinter sich und er ist dadurch erwachsener geworden, als es ein Junge in seinem Alter sein dürfte. Aber er ist auch gewieft und geschäftstüchtig. Das wird wohl dabei helfen, durch diese Notzeiten zu kommen.


    Helenes Ansichten stören mich aus heutiger Sicht betrachtet. Vielleicht ist das so, weil ich von solchen Ansichten auch noch so viel mitbekommen habe. Als ich aufgewachsen bin, gab es auch so viele einengende Regeln, die oft nicht begründet werden konnten. „Es ist halt so“, „das tut man nicht“, „was sollen denn die Leute sagen“ – da lief man oft gegen Wände. Helene steht doch auch ihre Frau. Warum würde sie das alles wieder aufgeben, wenn ihr Mann zurückkommen würde? Oft wurde ja gesagt, dass die Frauen den Männern den Job wegnehmen würden. Doch es gab so viel zu tun in jener Zeit. Ich denke eher, dass die Männer ihre Macht nicht abgeben wollten.

  • Es hat mir gefallen, wie sich Christa um Fritz gekümmert hat und dass sie ihn nicht einfach alleine gelassen hat. Fritz hat schon Furchtbares hinter sich und er ist dadurch erwachsener geworden, als es ein Junge in seinem Alter sein dürfte. Aber er ist auch gewieft und geschäftstüchtig. Das wird wohl dabei helfen, durch diese Notzeiten zu kommen.

    Der Kleine heißt allerdings Heinz. ;)

  • Aber die Ansichten waren zu der Zeit und auch noch viele Jahre später nicht veraltetet, sie waren normal.

    Man kann ja die Ansichten haben aber dennoch seine Tochter unterstützen und mit ihr auf eine Weise reden, die nicht suggeriert, dass die Tochter nichts zu sagen hat. Ja, das war damals auch noch so. Aber wir können natürlich nur nach heutigen Maßstäben empfinden. Weil wir halt heute leben. Und wenn ich an meine Großeltern denke, dann gab es durchaus Eltern, die ihren Töchtern (Meine Mutter und meine Tante) eine gute Ausbildung und so viele Freiheiten wie möglich wünschten.

    Helene ist wohl auch eher der ängstliche Typ. Sie traut Christa gar nichts zu.

    Hollundergrüße :wave



    :lesend


    Heumahd - Susanne Betz


    (Die Freiheit des Menschen liegt nicht darin,

    daß er tun kann, was er will,

    sondern daß er nicht tun muß,

    was er nicht will - Jean Rousseau)

  • Man kann ja die Ansichten haben aber dennoch seine Tochter unterstützen und mit ihr auf eine Weise reden, die nicht suggeriert, dass die Tochter nichts zu sagen hat. Ja, das war damals auch noch so. Aber wir können natürlich nur nach heutigen Maßstäben empfinden. Weil wir halt heute leben. Und wenn ich an meine Großeltern denke, dann gab es durchaus Eltern, die ihren Töchtern (Meine Mutter und meine Tante) eine gute Ausbildung und so viele Freiheiten wie möglich wünschten.

    Helene ist wohl auch eher der ängstliche Typ. Sie traut Christa gar nichts zu.

    :write

    Und gerade weil sie ja erlebt hat, dass sie sich alleine durchschlagen muss ohne Unterstützung eines Ehemanns müsste ihr doch noch mehr daran gelegen sein, dass die Tochter in Zukunft (wenigstens im Zweifelsfalle) auch allein zu Recht kommt.

    Eigentlich... aber auch heute verlassen sich noch so viele nur auf ihre Ehemänner...

  • Helene ist wohl auch eher der ängstliche Typ. Sie traut Christa gar nichts zu.

    Das empfinde ich gar nicht so. Sie sorgt sich halt, als Mutter. Man darf ja auch nicht vergessen, dass Christa mit 19 Jahren noch gar nicht volljährig ist. Ansonsten habe ich aber den Eindruck, dass sie durchaus in die Entscheidungen der Familie einbezogen wird.

  • Martins Schicksal ist natürlich auch hart, ich hoffe, dass er sich gut erholen kann.

    Ja, das ist schrecklich. Aber ich weiß nicht, ob Martin so einfach davon kommt, denn er ist ja ein "Hundertfünf...", wenn Frau Klein recht hat. Das war nicht nur zu der Zeit ein Problem, sondern noch sehr lange, denn der Paragraf galt noch bis 1969 in der Form weiter und wurde danach mehrfach geändert und erst 1994 aufgehoben.


    Ich denke, da kommt noch was.

  • Ja Heinz ist wirklich eine tolle Figur. Es ist echt erstaunlich, dass er so optimistisch und fröhlich geblieben ist, bei allem was er so durchmachen musste. Und er hat ja zum Glück wirklich eine tolle Ersatzfamilie gefunden. Christa kümmert sich um ihn, wie wenn er ihr echter Bruder wäre. Das finde ich toll! Obwohl die Familie selbst nicht viel zum Leben hat uns so beengt wohnen muss, teilen sie doch alles ohne zu Zögern mit Heinz.

    Ich mag den kleinen Kerl auch sehr. Aber er nimmt ja nicht nur die Hilfe der Familie an, er gibt auch zurück, das heißt er erkennt an, was die anderen für ihn tun.

    Schon im Prolog fand ich es so super, wie er das Schaufenster der Buchhandlung mit dem Roman "Heitere Tage unter braunen Menschen" dekoriert hat. Was für ein passender Titel für diese Zeit!

    Ein Wunder, dass das Buch nicht verboten war - schon aufgrund des Titels -, auch wenn der Inhalt harmlos war.

    Die Bekanntschaft von Christa mit dem Amerikaner Chitto ist ja auch sehr interessant. Ich könnte mir vorstellen, dass aus dieser Bekanntschaft noch etwas mehr wird.

    Ich denke nicht, dass daraus mehr wird, könnte mir aber eine Freundschaft vorstellen, die vielleicht anhält.