'Die Buchhändlerin' - Seiten 185 - 267

  • Ich denke da an meine Schwiegermutter. Die hat auch kaum gegen ihre Mutter aufbegehrt und die war ähnlich wie Helene. Sie war auch ein Kind ihrer Zeit und hat eigentlich erst mit ihren eigenen Kindern gelernt, das manches auch anders geht. Und nicht jeder ist ein Mensch der aufbegehrt. Viele Frauen fügten sich in ihr Schicksal. Bei Christa habe ich immer den Eindruck, dass sie wenig Sinn darin sieht, ihre Wünsche umzusetzen, das sie unglücklich wäre, wenn dafür ihre Angehörigen zurückstecken müssten. Ihr fehlt es vielleicht etwas an Egoismus. Aber auch irgendwie bewundernswert. Heutzutage denken ja viele immer erst an sich selber. Da ist eine Christa unmgewöhnlich.

    Es ist ja sicher auch so, dass es Christa völlig klar sein muss, dass ein Weiterkommen nur in einer Gemeinschaft funktioniert. Wir können es uns heute viel eher erlauben, in gewisser Weise egoistisch zu sein und unser Leben frei zu gestalten, weil wir eben auf eigenen Beinen stehen, weil es normal ist, einen gewünschten Beruf zu erlernen. Wenn die Eltern früher einen Bauernhof hatten, hat man als Tochter mitgeholfen, da hat auch keiner gefragt, was man denn alternativ machen wollte. Ich denke, dass sich dieses Bewusstmachen der eigenen Wünsche, das Umdenken auch erst richtig in der Nachkriegsgeneration etabliert hat.

  • Wenn die Eltern früher einen Bauernhof hatten, hat man als Tochter mitgeholfen, da hat auch keiner gefragt, was man denn alternativ machen wollte. Ich denke, dass sich dieses Bewusstmachen der eigenen Wünsche, das Umdenken auch erst richtig in der Nachkriegsgeneration etabliert hat.

    Ja, vor allem, wenn in der Familie schwächere da sind, die man unterstützen muss oder wenn der Versorgen - also der Onkel - ausfällt. Und der Krieg hat die Menschen auch zusammengeschweißt. Nur gemeinsam haben sie überlebt. Und es ist ja auch ein Abnabelungsprozess. Den spüre ich bei Christa deutlich. Von den ersten Kämpfen mit der Mutter bis zu späteren Gesprächen, wo beide schon eine Entwicklung durchgemacht haben.

    Hollundergrüße :wave



    :lesend


    Heumahd - Susanne Betz


    (Die Freiheit des Menschen liegt nicht darin,

    daß er tun kann, was er will,

    sondern daß er nicht tun muß,

    was er nicht will - Jean Rousseau)

  • Ich habe den Eindruck, dass es generell eher schwer ist, wenn die Kinder ihr Leben eben ganz anders leben wollen, als die Eltern es getan haben. Als Eltern möchte man ja seine Kinder behütte wissen und wenn das eigene Leben doch gut gelaufen ist, wird es das dann auf die gleiche Weise auch für die Kinder funktionieren.

    Wenn die ganz anders leben wollen, ist das ja auch ein Risiko und man macht sich Sorgen, ob das so klappen wird.

    Vielleicht tun wir uns heute leichter damit, weil sich vieles ja mittlerweile auch einfach sehr schnell ändert. Sehr viel schneller als noch vor 80 Jahren. Und auch da hat sich durch die Industrialisierung vieles beschleunigt und die Menschen nicht immer mitgenommen.


    Bei mir in der Familie sieht man gut, wie unterschiedliche Leben ablaufen können. Meine Großmutter hatte zwei uneheliche Kinder, die sie mit Hilfe ihrer Mutter groß gezogen hat. Als meine Mutter sich dann in meinen Vater verliebt hat, hat sie alles daran gesetzt, diese Ehe zu verhindern, weil sie der Meinung war, meine Mutter müsste doch erst einmal verschiedene Männer kennenlernen, bevor sie sich festlegt. Dafür hat sie sogar versucht meinen Vater beruflich zu ruinieren (Am Ende ist ihr das nicht geglückt und sie war sehr zufrieden mit ihrem Schwiegersohn) Meine Mutter hat dann das typische Ehefrauendasein gewählt, während meine Großmutter ihr Leben lang gearbeitet hat.

    Ich bin die Mischung aus beiden, arbeite Teilzeit und komme mit sehr viel mehr Dingen des praktischen Lebens zurecht als meine Mutter, die diese Dinge gerne meinem Vater überlassen hat. So hat jede ihr eigenes Leben gelebt ohne immer von der Vorgängergeneration verstanden worden zu sein. (Meine Mutter ist heute noch gerne der Meinung, dass ich ohne meinen Mann eigentlich ziemlich hilflos wäre...)


    Ich glaube Helene möchte ihrer Tochter einfach alles mitgeben, auf das sie jemanden finden kann, der dann auf sie aufpasst und ihr Kind sorgenfrei leben kann. In ihrer Welt ist das nun mal nur mit einem Ehemann möglich. Und damals war alles andere einfach auch ein steiniger Weg. Wer sich nicht angepasst hat musste mit schiefen Blicken und dummen Sprüchen oder sogar Einschränkungen rechnen. Das möchte sie Christa einfach ersparen.

    Und Christa liebt ihre Familie, sie will für sie da sein. Die Ereignisse führen jetzt eben dazu, dass sie sich entscheiden muss, ob sie für ihre Familie da sein will oder unbedingt ihr eigenes Ding durchziehen will. Das ist auch keine leichte Entscheidung, vor allem nicht für ein Mädchen, dass noch keine 20 Jahre alt ist. Und ja noch nicht mal volljährig zur damaligen Zeit.

  • Wie seht ihr denn das Thema Solidarität unter Frauen? Wie wäre es Christa denn nach einem Studium ergangen? In der gesamten Verlagswelt gab es keine einzige Lektorin. Hätte es eine Frau wie Christa überhaupt geschafft, sich in einer von Männern dominierten Welt zu behaupten?

    Ich könnte mir schon vorstellen, dass sie sich da behauptet hätte. Mit viel Durchhaltevermögen und mit Vorbildern und Unterstützerinnen wie der Professorin - warum nicht?

    Einfach wäre es wohl nicht geworden, aber nicht unmöglich. Und es sind ja auch nicht alle Männer altmodisch.

    Sie dürfte halt nichts auf das Gerede der Leute geben, sondern ihr Ding durchziehen.

  • Zurück zum Buch:

    Ich weiß nicht so Recht, welches Thema jetzt im Vordergrund des Buches steht. Das Frauen machen, was die Männer sagen oder eben nicht machen konnten was sie wollten?, dass Menschen homosexuell sind?, dass die Liebe nicht immer einfach ist und jeder seine Last mit sich trägt?, dass KZs schlimm waren, wie auch der Krieg? Ich weiß es einfach nicht und es ist für mich auch nicht eindeutig. Das macht das Buch für mich nicht so richtig annehmbar / greifbar.

    Interessant, dass Du diese Mischung als störend empfindest, mir gefällt das gerade. Ich finde, es macht das alles so realistisch, weil jeden etwas anderes beschäftigt oder manchmal auch mehrere Dinge gleichzeitig.

  • Da wird eine Geschichte erzählt, keine Botschaft transportiert. Eine Geschichte, die Geschichte erzählt und erklärt. Es ist bezeichnend- wenn nicht beschämend- dass eine schlecht recherchierte amerikanische Fernsehminiserie das Verhältnis der Deutschen zur Shoa geändert hat. Aus gigantischen, nicht fassbaren Zahlen des Grauens wurde eine Familiengeschichte, die verständlich machte was da war an Leiden. Dieses Buch erhellt eine Zeit, die eigentlich vielen noch nahe ist, über die aber mehr geschwiegen wird als das sie zur Familiengeschichte geworden ist. IRgendiw klafft zwischen 1945- 1957 in den meinsten Familein ein Loch, da war zwar was, aber dass sie hochmoralische Mutter mit Amis geflirtet hat oder der grundehrliche Onkel auf dem Schwarzmarkt eine große Nummer war- das findet in die Familienhistorie keinen Einzug.

  • Ich denke Geschichte kann immer nur an Einzelschicksalen greifbar gemacht werden. Ich hatte einen Geschichtslehrer, der immer von einzelnen Leuten erzählt hat und nicht nur die Zahlen gelehrt hat. Genau dieser Geschichtslehrer hat es geschafft mich für Geschichte zu begeistern.

    Daher finde ich es auch gut, dass jetzt die direkte Nachkriegszeit auch durch Romane greifbar wird.

  • Wie seht ihr denn das Thema Solidarität unter Frauen? Wie wäre es Christa denn nach einem Studium ergangen? In der gesamten Verlagswelt gab es keine einzige Lektorin. Hätte es eine Frau wie Christa überhaupt geschafft, sich in einer von Männern dominierten Welt zu behaupten?

    Schwierig. Ich bin mir bei Christa nicht sicher, ob sie genügend Durchhaltevermögen gehabt hätte. Aber vermutlich wäre das mit dem Älterwerden und mit dem Zuspruch von anderen Kommilitoninnen anders geworden und sie hätte sich auch in einer von Männern dominierten Welt behauptet. Jedoch wäre das ganz, ganz sicher auch von dem Wohlwollen der Männer abhängig gewesen, in den 50ern auf jeden Fall. Das Erstarken der Frauen und das Einsetzen für weibliche Bedürfnisse begann für mich gefühlt erst Ende der 60er und ganz stark in den 70ern.


    Und die Frage, die heute immer noch aktuell ist: Wie viel Weiblichkeit verträgt eine männliche Gesellschaft? Setzen Frauen sich nicht eher durch Anpassung an männliche Strukturen durch? Ja, heute sind Frauen überall zugegen, wir haben heute sogar eine Bundeskanzlerin, aber ich hab dennoch den Eindruck, dass Frau Merkel mehr Beachtung im Hosenanzug als im Kleid findet.

  • Dass es natürlich da einige gab, die die Not der deutschen Frauen ausgenutzt haben, finde ich traurig, aber kann ich mir denken.

    Es gab aber auch Frauen, die haben die Amis ausgenutzt. Für Nylons, Schokolade etc. haben sie sich denen gleich an den hals geworfen. Man kann natürlich sagen, dass die Not sie dazu getrieben hat, aber nicht alle Frauen haben so gehandelt. Viele Frauen haben die Not eher ertragen, als sich auf solche Verhältnisse einzulassen.

    Das hab ich echt gebraucht, damit mir auch richtig klar wurde, dass sie selbst ja noch eine relativ junge Frau ist und das Leben noch lang nicht rum.

    Ja, das ist mir auch nicht so aufgegangen, obwohl es eigentlich klar war.

    Waren die Frauen angepasster als heute? Das mag im Wesen der jeweiligen Person liegen. Natürlich auch an der Gesellschaft ihrer Zeit.

    Es lag auch daran, dass die Frauen abhängiger waren. Studium für Frauen war eine Seltenheit, eine Berufsausbildung gab es häufig auch nicht. Der Mann war der Ernährer. Was wäre, wenn man sich getrennt hätte ohne eigenen Beruf? Da bleib man lieber zusammen und abhängig.

  • Was Jago betrifft frage ich mich schon was da los ist.... Was er wohl verbirgt? Ist er schon verheiratet? Mir fällt ausser dem eigentlich nichts ein, was eine Ehe verhindern könnte...

    Vielleicht hindert ihn auch nur ein Selbstwertgefühl. Er hat nicht und kann Christa daher nichts bieten.

    Was Helene betrifft: Ihre Einstellung Martin gegenüber ist ja wirklich fortschritlich, vermutlich auch, weil sie ihn schon ihr ganzes Leben kennt.

    Helene mag Martin und seine Neigung war ja bisher auch nie ein Thema. Sie hat es gewusst und es hingenommen, weil sie ihn mag. Ich glaube nicht, dass ihre Einstellung so "fortschrittlich" war, dass sie das bei jemand anders so akzeptiert hätte, wenn Martin nicht in ihrem Leben gewesen wäre.

    Und was die Homosexualität betrifft: Wie Ines ja schon bemerkt hat, denke ich dass es in Großstädten nicht mehr so ein Problem ist, auf dem Land schon noch eher.

    Das liegt wohl daran, dass man in Großstädten mehr für sich bleibt und nicht immer unter Beobachtung wie auf dem Dorf. In der Stadt fallen daher die Engstirnigen weniger auf.

  • Es lag auch daran, dass die Frauen abhängiger waren. Studium für Frauen war eine Seltenheit, eine Berufsausbildung gab es häufig auch nicht. Der Mann war der Ernährer. Was wäre, wenn man sich getrennt hätte ohne eigenen Beruf? Da bleib man lieber zusammen und abhängig.

    Natürlich. Die Gesamtumstände waren einfach andere.


    Das liegt wohl daran, dass man in Großstädten mehr für sich bleibt und nicht immer unter Beobachtung wie auf dem Dorf. In der Stadt fallen daher die Engstirnigen weniger auf.

    Was einem toleranten Denken keinen Abbruch tun sollte. Klar fallen anders Lebende eher auf in dörflicher Gemeinschaft. Das Problem ist aber doch, dass sie auch heute noch stigmatisiert werden. Was in einer aufgeklärten Gesellschaft eigentlich nicht sein dürfte.

  • Als Mutter ist es wohl noch schwieriger, das zu akzeptieren. (Ich erlebe das zurzeit bei einer Freundin mit, deren Mutter das einfach totschweigt, dass ihre Tochter mit einer Frau zusammen ist. Und das obwohl ihr Elternhaus absolut tolerant und offen gegenüber allem ist.)

    Man kann noch so tolerant sein bei anderen, wenn es das eigene Kind betrifft, ist alles erst einmal ganz anders.

    Aber ob er sie tatsächlich heiraten möchte? Ich sehe da eher schwarz.

    Ich glaube auch nicht, dass er sie heiraten wird.

    Sie wirkt auf mich wie ein Fähnchen im Wind.

    Klar ist Christa wütend. Aber sie mag Martin auch. In ihr herrscht ein absolutes Gefühlschaos. Auf der einen Seite ihre Wünsche und Träume, auf der anderen ihre Liebe zur Familie (heinz eingeschlossen) und auch Verantwortungsgefühl. Der Krieg und die Not in der Nachkriegszeit haben alle sehr eng zusammengeschlossen, da zieht man dann nicht einfach sein Ding durch, auch wenn es weh tut.

  • Wie seht ihr denn das Thema Solidarität unter Frauen? Wie wäre es Christa denn nach einem Studium ergangen? In der gesamten Verlagswelt gab es keine einzige Lektorin. Hätte es eine Frau wie Christa überhaupt geschafft, sich in einer von Männern dominierten Welt zu behaupten?

    Das ist doch heute auch nicht einfach, wenn man als Frau in einen "Männerbereich" will. Wenn man Glück hat, geht es gut, doch meist muss man mit viel Gegenwind rechnen.

  • Einerseits ja, anderseits überrascht es mich, dass das Jugendamt überhaupt von der Verhaftung erfahren hat. Haben die solche Daten tatsächlich hin und her getragen und abgeglichen?

    Geredet wurde immer und irgendwann kommt es dann an der "richtigen" Stelle an. Oder Jemand hat gezielt denunziert. Oder ein übereifrigen hat Akten gesichtet. Es gibt da einige Möglichkeiten.

  • Vielleicht hat ja bei der Geschichte mit Heinz auch Frau Klein nochmal ihre Rechtschaffenheit unter Beweis stellen müssen. Das geht ja gar nicht was bei den Schwertfegers so abläuft!

    Allerdings würde ich bei ihr denken, dass sie das dann auch noch an die große Glocke hängt