"Christentum, Katholizismus, Kirche"

  • Das ist fein! Dann können wir hier frisch fromm fröhlich frei die Ansichten des Herrn Professor Ratzinger :grin mal auf den eigenen Prüfstand legen und über die Dinge diskutieren, die uns angeregt vom Buch auf und unter den Nägeln brennen.


    Ich würd ja am liebsten gleich mit der von Heidi angesprochenen Frage nach dem Verhältnis von Christentum und Marxismus loslegen ... aber macht ihr mal! :-)


    Nur eine Bitte habe ich: Alle Themen, die mit Religion zu tun haben, sind ziemlich sensibel, manchmal sogar heikel; deshalb sollten wir uns trotz konträrer Ansichten auf keinen Fall gegenseitig an die virtuelle Gurgel gehen -- ist das okay?

  • Mich würde brennend interessieren, warum Ihr das Buch lest?
    Vielleicht klärt diese Frage auch schon im Vorfeld einige Fragen (unter uns).


    Also bei mir ist das so:
    Ich würde gerne klären wie viel mein Gott"glauben" noch mit der kath. Kirche gemeinsam hat.

  • Ich lese das Buch im Moment, weil ihr es auch lest :grin


    Im Ernst: Im Studium habe ich vielleicht mal einen Blick hineingeworfen (aber das ist 20 Jahre her).


    Jetzt in einer Zeit, in der der Verfasser sozusagen mein oberster irdischer Chef ist, interessiert es mich schon, auf welchen Grundannahmen seine Theologie fußt. Spannend ist auch, ob das, was er vor 37 Jahren veröffentlicht hat, heute noch in ihm sichtbar ist.


    Was die Frage "Glauben und Kirche" angeht, ist es meine persönliche Überzeugung, dass ich nicht "alleine" in dem Sinne glauben kann, wie ich Jesus verstehe: Glauben bedingt Gemeinschaft ("communio").


    Das heißt zwar, ich brauche Gemeinschaft, nicht aber unbedingt einen Gleichschritt im Denken und in den Aussagen. "Katholisch" im Sinne von "umfassend" lässt viele verschiedene Richtungen durchaus nebeneinander möglich sein (was streng "römisch"-katholische Kollegen allerdings strikt zurückweisen...;-) )

    „Streite niemals mit dummen Leuten. Sie werden dich auf ihr Level runterziehen und dich dort mit Erfahrung schlagen.“ (Mark Twain)

  • Warum ich das Buch lese? Eine scheinbar leichte Frage, die gar nicht so leicht zu beantworten ist.


    Zum einem sicher auch, weil ich mich in letzter Zeit etwas stärker mit Glaubensthemen befasse und mich mehr dafür zu interessieren beginne. Wenn man so will (und Ratzinger glaubt), versuche ich genauer herauszufinden, welchen Glauben ich denn nun empfangen habe.


    Zum anderem ist es auch das Interesse an der Position Ratzingers. Das erste Mal auf ihn gestoßen bin ich vor knapp eineinhalb Jahren, als ich mich für die Geschichte Matura mit dem Spezialgebiet Inquisition beschäftigt habe und da kann man am Präfekten der Glaubenskongretation nicht vorbei. Kurz darauf habe ich dann auch ein ausführliches Interview mit ihm im Fernsehen gesehen und die Reportage "Mein Vatikan" und damals ist er mir schon aufgefallen und ich hatte mir vorgenommen "Einführung in das Christentum" zu lesen, wie dass dann aber immer so ist, verschiebt sich alles und die Papstwahl war dann eine willkommene Gelegenheit, denn Worten Taten folgen zu lassen.

  • Mir geht es wie Taciturus -- die Frage klingt so schlicht und einfach, aber die Antwort ist kompliziert ...


    Ich bin in einer Mischung aus bürgerlich-aufgeklärtem Liberalismus und rheinländischem Katholizismus aufgewachsen, habe im Teenageralter den Bezug zum Christentum verloren, bin dann über die Beschäftigung mit der Philosophie zunehmend auf Fragen gestoßen, die sich mit einer rein empiristischen Denkweise nicht erklären lassen.
    Irgendwie war dieser Themenkomplex viel zu faszinierend, um ihn mit einem barschen "Alles Quatsch!" vom Tisch zu wischen. Ich spielte also eine Menge Stückchen auf der Metaphysik :grin, Ontologie und Theologie (speziell Antike und MA) und gelangte irgendwann an den Punkt, wo die Theorie sich als Praxis im Leben verwirklichen will.
    Der Buddhismus ist verheißungsvoll, aber vieles ist mit meiner Weltsicht nicht vereinbar, und "nur" Meditation ist mir zu wenig.


    Ich denke, daß die richtige Gemeinde mich schon zum Mittun bewegen könnte. Wie Churchill schon schrieb: Es gibt nicht nur eine Richtung. Und der örtliche Pfarrer soll ja ein ziemlicher Intellektueller sein ... :-)

  • Ich lese das Buch, weil ich mir dadurch mehr Hintergrundwissen über "meinen" Glauben erhoffe. Hintergrundwissen, das sich z. B. durch Gespräche in der örtlichen Gemeinde so nicht für mich erschließen lässt.


    Mein Glaubenswerdegang ist dem von Iris gar nicht so unähnlich. In der Jugendzeit habe ich fast jeglichen Bezug zu Religion, Glaube, Gott verloren und mich als junger Erwachsener auf die Wissenschaft gestürzt und gestützt.
    Erst so nach und nach kamen dann Fragen über die Welt, den Menschen und seinen Platz darin, die die Wissenschaft nur unzureichend beantworten konnte, wenn überhaupt. Das war der Zeitpunkt, wo ich mich wieder an Gott erinnnert, und mich intensiver mit Glauben auseinandergesetzt habe.


    Übrigens stimme ich churchills Posting weiter oben voll und ganz zu. Glauben bedingt Gemeinschaft. Alleine im stillen Kämmerlein zu glauben funktioniert nur unzureichend, ist nicht komplett. Das allerdings war auch ein Prozess, der gedauert hat.


    Gruss,


    Doc

  • Hui, da sind wir ja schon eine kleine Gemeinschaft, klasse :wave


    Denn die Gemeinschaft fehlt mir auch ungemein, ich würde mich gerne wieder Menschen anschließen. Leider ist das hier in unserem Dorf nicht möglich, zu hinterwäldlich *schade*.
    Ja, und genau wie Iris schon sagte, der Buddhismus ist eine gute Form wieder zu dir selber zu finden, mit dir ins Reine zu kommen, aber nur Meditation, da fehlt mir ganz viel.

  • Ich kann mich den Äußerungen von Iris und Doc anschließen. Hinzu kommt, dass es die Achse JP II und Ratzinger war, die mich in den 80er-Jahren endgültig dazu bewogen hatte, aus der kath. Kirche auszutreten.


    Das daraus entstehende Loch habe auch ich versucht mit Buddhismus zu füllen, was sogar bis zu einem gewissen Grad geglückt ist, aber ... es fehlt eben das Moment der Gemeinschaft.


    Erstaunlicherweise waren es dann ausgerechnet wieder JP II und Ratzinger, die mich in Richtung Kirche zurückgelockt haben (auch wen manch intolerante Äußerung ungenießbar ist). Meine - noch immer unregelmäßigen - Kirchenbesuche zeigen mir deutlich, was mir gefehlt hat.


    Aber natürlich gehe ich heute mit einem ganz anderen Bewusstsein mit Glauben um, als in meinen Kindertagen. Deshalb interessiert mich dieses Buch und ich finde es sehr interessant und in mancher Hinsicht erhellend und hilfreich (und in manchen Teilen gefährlich, aber dazu äußere ich mich lieber im anderen Thread).

  • Ich bin recht streng katholisch erzogen worden. Bei uns war es selbstverständlich, dass an jedem Sonntag, an jeden Feiertag und gerne auch mal an sonstigen besonderen und weniger besonderen Tagen in die Kirchge gegangen wird. Ich hatte keine andere Wahl, als mich da meinen Eltern zu fügen. Gesprochen wurde über den Glauben oder die Kirche allerdings nie. Nur fleißig gebetet. Vor- und nach dem Essen. Vor dem zu Bett gehen...


    Ich war dann einige Zeit in unserer katholischen Jugend aktiv. Die allerdings nicht sehr katholisch war. Wir mussten halt einige Dinge organisieren und mitmachen. Ansonsten waren es wahrscheinlich zu meiner Zeit größten Teils auch Leute, die halt von ihren Eltern in die Kirche geschickt wurden. Und mir gefiel es besser aktiv daran teilnzunehmen und zu gestalten, als nur dabei zu sitzen.


    Irgendwann hab ich dann nach einer recht überzeugten "Jesus-liebt-dich"-Zeit beschlossen mich zu trauen und nicht mehr in die Kirche zu gehen.


    Allerdings mache ich mir immer noch meine Gedanken zum Thema: Glaube und Kirche.


    Deshalb interessiert mich dieses Buch, weil ich mir davon etwas "Basis-Wissen" und Denkanstöße erhoffe.


    Außerdem interessiert mich natürlich, was genau Ratzinger denkt oder dachte.

  • Meine Großeltern waren sehr gläubig und haben auch bei schweren Schicksalsschlägen nie den Glauben verloren. Im Gegenteil, sie haben bei Gott ihren Trost gefunden. Das fand ich schon als Kind sehr erstaunlich.


    Meine religiöse Erziehung nahmen eigentlich meine Großeltern in die Hand. Dies hatte zur Folge, daß ich bis zu meinem 14. Lebensjahr jedes Wochenende in die Kirche mußte, regelmäßig zur Beichte etc.


    Ab dem Alter, in dem ich meine eigenen Entscheidungen treffen durfte, habe ich mich der Kirche abgewandt. Meinen Glauben habe ich nie verloren, aber mit der Institution der Kirche, mit den Gottesdiensten etc. hatte ich einfach nichts mehr am Hut. Ich fand das alles langweilig und altmodisch.


    Eine Annäherung fand erst in den letzten Jahren statt - und da auch durch die Begegnung mit Menschen, die nicht nur "für sich alleine" glauben, sondern auch ihren Glauben leben.


    Was ich dabei feststellen konnte ist ebenfalls, daß es mehr "Spaß" macht (wenn man es denn so nennen kann), seinen Glauben in Gemeinschaft zu leben. In die Kirche gehe ich deswegen zwar nicht öfter, aber wir haben im Freundeskreis schon sehr viele interessante Gespräche und Diskussionen über Glauben geführt.


    Ich lese das Buch, weil ich mir dadurch mehr Hintergrundwissen über "das Glauben" an und für sich erhoffte. Was es bedeutet, zu glauben etc.


    Ich habe ja schon "Salz der Erde" von/über Ratzinger gelesen und fand das Buch faszinierend, weil es in mir mehr Toleranz für bestimmte Verhaltensweisen der Kirche geweckt hat. Etwas, das ich vorher nicht für möglich gehalten habe.


    Allerdings muß ich gestehen, daß dieses Buch nun mein erstes wirklich rein theoretisch-wissenschaftliches Buch ist und ich teilweise echte Verständnisprobleme dabei habe... selbst beim 3. Durchlesen eines Absatzes. :-(

    Lieben Gruß,


    Batcat


    Ein Buch ist wie ein Garten, den man in der Tasche trägt (aus Arabien)

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  • Zitat

    Original von BatcatAllerdings muß ich gestehen, daß dieses Buch nun mein erstes wirklich rein theoretisch-wissenschaftliches Buch ist und ich teilweise echte Verständnisprobleme dabei habe... selbst beim 3. Durchlesen eines Absatzes. :-(


    Geht doch nicht nur dir so, mir ja auch :wave
    Wir "schlagen" uns da schon durch, gelle :grin

  • Ich lese Ratzingers Buch, weil ich es vor gut 20 Jahren schon einmal im Studium gelesen habe. Jetzt - mit mehr Muße zum Nachdenken - leiste ich mir den Luxus, es nicht einfach so durchzulesen, sondern Seite für Seite intensiv durchzugehen. Dabei ist mir aufgefallen, dass Ratzinger eine Menge philosophisch-theologisches Grundwissen voraussetzt, was mich wieder zum Blättern und Nachlesen zwingt ...
    Ich hatte das Buch angefangen, als Ratzinger Papst wurde, brauche aber, um durchhalten zu können, eine Gruppe von Gleichgesinnten.


    Lieben Gruß


    polli

  • Zitat

    Original von polli
    ... Dabei ist mir aufgefallen, dass Ratzinger eine Menge philosophisch-theologisches Grundwissen voraussetzt...


    Und ich habe weder das eine noch das andere! :cry

    Lieben Gruß,


    Batcat


    Ein Buch ist wie ein Garten, den man in der Tasche trägt (aus Arabien)

  • Dadurch dass wir den Ratzinger verschoben haben, tanze ich nun auf zwei Hochzeiten gleichzeitig. Zuerst habe ich mir das nicht so schwer vorgestellt, Sachbuch und Roman unter einen Hut zu bekommen, doch der Döblin ist so verrückt anstrengend, so dass ich es nicht schaffe. Ich werde mal schauen, ob ich den Ratzinger danach lesen werde, allerdings bin ich ab dem 15.09. wieder bei einer Leserunde mit dabei.
    Tut mir leid, aber lesen ist bei mir Hobby und Entspannung, und soll kein Stress bedeuten.

  • Zitat

    Original von Heidi Hof
    Dadurch dass wir den Ratzinger verschoben haben, tanze ich nun auf zwei Hochzeiten gleichzeitig. Zuerst habe ich mir das nicht so schwer vorgestellt, Sachbuch und Roman unter einen Hut zu bekommen, doch der Döblin ist so verrückt anstrengend, so dass ich es nicht schaffe. Ich werde mal schauen, ob ich den Ratzinger danach lesen werde, allerdings bin ich ab dem 15.09. wieder bei einer Leserunde mit dabei.
    Tut mir leid, aber lesen ist bei mir Hobby und Entspannung, und soll kein Stress bedeuten.


    Mir gehts leider genauso. Ich habe mir die Lektüre (beider) einfacher vorgestellt, habe schon öfter 2 Bücher parallel gelesen. Aber momentan komme ich überhaupt nicht zusammen. Dazu kommt, dass ich auch mit Döblin etwas in Verzug gekommen bin (hab jetzt zu Ferienende noch einen Kurz-Urlaub eingeschoben) und momentan auch den Kopf nicht recht bei der Sache habe.
    Ich werde auch den Ratzinger auf Eis legen (recht weit bin ich ohnedies noch nicht, und wenn ich eure Kommentare so verfolge habe ich das Gefühl, das ist mir ein bisschen zu steil) und mich nach Berlin Alexanderplatz intensiver begeben.


    Tut mir leid, ist an sich nicht meine Art, mich zu einer Leserunde anzumelden und dann abzuspringen.... aber leider sehe ich keinen anderen Weg.


    Viel Spass noch, ich werde die Treads auf jeden Fall verfolgen!!


    Liebe Grüße
    Jersey

  • Da es in der Leserunde z. Zt. etwas stockt, es aber diesen interessanten Thread-Titel hier gibt, gebe ich mal eine Frage weiter, die dieser Tage bei uns in der "Gemeinde" gestellt wurde.


    Stellt man an einen christlichen Menschen andere Ansprüche bzw. hat man andere Erwartungen, als bei jemandem, der sich als nicht christlich bezeichnet? Wenn ja, wie äußert sich das und wie geht man mit so einer Erwartungshaltung um?


    Gruss,


    Doc

  • Hallo Doc!


    Interessante Frage. Ich muss dazu sagen, dass ich grundsätzlich einmal in jedem Menschen das Gute sehe, egal wo er herkommt, welcher Religion er angehört.


    Ich musste bedauerlicherweise auch schon feststellen, dass oft jene Menschen, die in der Kirche "ganz vorne" sitzen (ich sags jetzt mal so, ich hoffe ihr versteht, was ich meine) im "wirklichen" Leben ganz andere Seiten - ziemlich unchristliche - zeigen.


    Liebe Grüße
    Jersey

  • Ich würde schon sagen, dass man an jemanden, der sich bewusst als Christ bezeichnet andere Ansprüche stellen kann.


    Jemand, der nicht einer Religion angehört, die bestimmte "ethische Grundsätze" vertritt, könnte durchs Leben gehen mit der Einstellung: Habt ihr nur alle eure "tu deinem Nächsten nichts Böses und am Besten noch recht viel Gutes" Wertvorstellungen - für mich gelten sie nicht. Auch nicht, wenn der Staat mir sagt, was ich zu lassen habe.


    Wenn jemand allerdings sagt: Ja, das Christentum ist eine feiner Sache, das finde ich gut, da mach ich mit dann müsste derjenige schon etwas mehr darüber nachdenken und am Besten auch danach handeln - wie er mit seinen Mitmenschen umgeht.