Stefan Schwarz: Da stimmt was nicht

  • Pünktliche Lieferung, total schöne Verpackung, der höfliche Paketbote ist veganer Nichtraucher, alles super, jederzeit gerne wieder!


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    Na ja. Der Paketbote ist immer ein bisschen mufflig und duzt mich, wobei er mich beim Nachnamen nennt; Stimme und Gesichtshaut nach zu urteilen ist er seit seiner Kindheit karnivorer Kettenraucher, aber das Päckchen war tatsächlich gut verpackt. Immerhin das stimmt.


    In Tom Funkes Leben sieht es ein wenig anders aus. Der Mann, der kein Schauspieler wurde, weil dafür das Talent fehlte - was schon der selige Papa erkannte, als Tom noch ein Kind war -, ist immerhin ein sehr bekannter Synchronsprecher geworden, der einem noch berühmteren amerikanischen Darsteller seine markante Stimme leiht, etwa wie bei Manfred Lehmann und Bruce Willis. Inzwischen lehnt das deutsche Publikum Filme ab, in denen Bill Pratt mitspielt, er aber nicht von Tom Funke gesprochen wird. Funke fordert deshalb mehr Geld und Umsatzbeteiligung, als ihn die Produktionsfirma wieder verpflichtet; beides bekommt er auch. Und er lernt Birte kennen, die Geschäftsleitungs-Assistentin, bildschön, klug und zu dessen Verblüffung offenbar am zwanzig Jahre älteren und, zugegeben, hier und da bereits ein wenig abgenutzten Tom interessiert. Der das zum Anlass nimmt, die langjährige Ehe mit Ulrike zu hinterfragen. Ulrike feiert ihren Gatten nur noch selten, tendentiell aber überhaupt nicht mehr, hat meistens recht und lebt einen soliden Alltags-Pragmatismus. Funke wäre gerne ein Held, aber der Held ist Bill Pratt, mit dessen Schicksal seine Karriere immer enger verknüpft wird. Als der Amerikaner während einer Tour durch Deutschland bei etwas erwischt wird, das bei der politisch korrekten und korrigierenden Öffentlichkeit nicht gut ankommt, gerät alles ins Wanken.


    Im rasanten und äußerst wortwitzigen Plauderton lässt Stefan Schwarz seinen tragischen, aber nicht unschlauen und eloquenten Helden, einen Mann in der klassischen Lebensmittenkrise, auf nicht immer unvorhersehbare Katastrophen zurauschen, und er lässt seinem sympathischen Tom Funke durchaus Würde und Anstand, stattet ihn, wo nötig, mit Erkenntnis aus, aber auch, wo geboten, mit Widerstandswillen. Einen der zahlreichen Höhepunkte des äußerst unterhaltsamen Romans bildet eine Talkshowszene, bei der ich vor Lachen dem Herzkranzgefäßkatarrh nahe war, weil Funke dem selbstgerechten, belehrend-moralisierenden Geschwätz der selbsternannten Sittenwacht auf furiose, wenn auch etwas selbstzerstörerische Weise Paroli bietet - und der Haltungsübergriffigkeit mit Haltung begegnet. Die Dialoge in „Da stimmt was nicht“ sind, wie immer bei Stefan Schwarz, sowieso zum Niederknien, aber an dieser und noch einigen weiteren Stellen reißt der Autor, wenn das so zu sagen gestattet ist, die eigene Latte.


    Aber die Geschichte ist insgesamt ein fulminanter Ritt durch die Themen unserer Zeit, ohne sich ihren vermeintlichen Geboten zu beugen. Ein rasanter und saukomischer Roman, erkennbar auf Verfilmung angelegt, aber ohne die charakteristische schwarzsche Erzählstimme zu gefährden. Leider viel zu schnell vorbei, was aber möglicherweise gut fürs Herz ist.


    ASIN/ISBN: 3737100934