Kate Mosse, Das verlorene Labyrinth. Roman, 752 S., geb. mit SU. Droemer, München 2005. ISBN 3-452-19660-3; Preis: Eur[De] 22,90 / Eur[At] / sFr
OA: Kate Mosse, Labyrinth. A novel, 544 p., HC. Orion Publishing, London 2005. ISBN 0752860534; £ 9,99 / Eur[De] ca. 15,95
Über die Autorin:
Kate Mosse, eine der Initiatorinnen des Orange Prize, arbeitet für Rundfunk und Fernsehen. Für BBC Four moderiert sie eine wöchentliche Sendung, in der Autoren und ihre Bücher vorgestellt werden. Kate Mosse hat zwei Romane und zwei Sachbücher geschrieben, vor ihrer Arbeit für Rundfunk und Fernsehen war sie stellvertr. Intendantin des Chichester Festival Theatre in West Sussex. Sie ist Mitglied der Royal Society of Arts. Mit ihrem Mann und ihren beiden Kindern lebt sie in West Sussex und in Carcassonne.
(Quelle: Website des Verlags)
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Über das Buch:
Es begann mit einem Geheimnis – dem letzten Geheimnis des Lebens. Es begann in einer Höhle im Süden Frankreichs – dem mystischen Ort der größten Suche der Menschheit. Es begann im Zeichen des Labyrinths. Und es endet hier. Bei Ausgrabungen in einer Höhle im Herzen des Languedoc entdeckt Alice Tanner zwei Skelette und eine labyrinthische Wandmalerei. Der Hauch des Bösen, der über der archäologischen Stätte liegt, weckt dunkle Vorahnungen in ihr. Als sich die Polizei einschaltet, verstärkt sich Alices Gefühl, dass an dem rätselhaften Ort etwas geschehen ist, das im Verborgenen hätte bleiben sollen. Etwas, das weit in die Vergangenheit zurückreicht ... Achthundert Jahre zuvor erhält die junge Alais am gleichen Ort ein Buch mit fremdartigen Zeichen und Diagrammen, deren schicksalhafte Bedeutung sie kennt. Sie weiß, dass sie das Geheimnis des Buches hüten muss – um jeden Preis. Verlust, Intrige, Gewalt und Leidenschaft prägen fortan das Leben beider Frauen. Es soll nicht die einzige Verknüpfung ihrer Schicksale bleiben ... Das verlorene Labyrinth ist ein fesselnder Roman über das größte Rätsel der Menschheit: die Unsterblichkeit. Nie zuvor gab es ein perfekteres Zusammenspiel von Mystery-Thriller und historischem Roman. (Quelle: Website des Verlags)
Website zum Buch
Meine Meinung:
Das verlorene Labyrinth ist der Spitzentitel des Verlagsprogramms HC Sommer 2005 von Droemer, der sich unter der verlegerischen Leitung von Doris Jahnssen für "intelligente Unterhaltung" und "anspruchsvolle Belletristik" verbürgt. Mit großem Aufwand wurde das Buch den deutschen, österreichischen und schweizerischen Buchhändlern angekündigt, Leseexemplar, Werbematerial en masse und ein Gewinnspiel mit bemerkenswert hoher Gewinnsumme sollten einen Erfolg des Buches garantieren. Derart massive Marketingmethoden, gepaart mit markigen Sprüchen (»Nie zuvor gab es ein perfekteres Zusammenspiel von Mystery-Thriller und historischem Roman.«) wecken allerdings auch hohe Erwartungen, die dann nur schwer zu erfüllen sind.
Sommer 2005: Alice Tanner, Grabungshelferin auf einer Ausgrabungsstätte in Südfrankreich, stößt auf eine Höhle und fällt in Ohnmacht.
Sommer 1209: Alais, frischverheiratete Tochter des Kommandanten der Burgwache des Vicomte Trencavel von Carcassona (okzitanisch für Carcassonne), schleicht sich in aller Frühe aus der Stadt, um am Fluß Kräuter zu sammeln, wo sie eine Leiche findet.
Über die Zeiten hinweg treffen und verknüpfen sich die Lebenslinien beider Frauen; denn beide sind in dasselbe Geheimnis verstrickt. Ein Geheimnis, daß die christliche Bewegung der Katharer und ein uraltes Mysterium verbindet, den Gral, nach dem nicht nur zu Alais' Zeiten, sondern auch in der Gegenwart finstere Kräfte ihre Hände austrecken.
Die Botschaft, die der Roman transportiert, besagt, wer vom Gral getrunken habe, lebe ewig (oder zumindest sehr, sehr lang), und das Geheimnis des Lebens bestehe darin, daß jeder Mensch unsterblich sei, weil er immer wiedergeboren werde. Diese aus den Romanen von Marion Zimmer Bradley bekannte Topos wird verkündet von einem Mann, der in Alais Gegenwart vom bedeutungslosen Knaben zum Gralswächter aufsteigt, ein Amt, daß er noch in der Gegenwart bekleidet: Er muß den Gral und sein Geheimnis schützen vor denen, die, immer wiedergeboren, sich unrechtmäßig seiner bemächtigen wollen, um Macht und Unsterblichkeit zu erlangen.
Kate Mosse erschafft Figuren, bei denen Gut und Böse klar nach den Kriterien von Sympathie. verteilt sind. Die bösen Frauen sind atemberaubend schön, dabei selbstsüchtig und korrupt bis ins Mark, die guten eher aschenputtelartig, vom Schicksal gebeutelt, und diese Klischeehaftigkeit schmerzt, wenn sie unentwegt breitgetreten wird. Auch das Element des Mysteriösen, wenn Alice und Alais sich über die Zeiten hinweg "begegnen" (indem Alice von einer Erinnerung regelrecht k.o. geschlagen wird oder Alais eine ihrer Visionen hat) erinnert stark an die Schilderungen der Archegetin der "Frauen-Fantasy". Positiv hebt sich die liebevolle Darstellung des Languedoc ab, die Landschaft und Orte in lebhaften Farben malt und Lust aufs Reisen macht.
Zu den Katharern ist zu sagen, daß sie (was historisch richtig ist) als Opfer einer Vernichtungskampagne geschildert werden, daß Mosse sogar den historischen Kreuzzug der Herrscher Franziens zur Einverleibung Okzitaniens einbezieht, aber als einen modernen Eroberungskrieg, nicht als tragische Episode einer jahrhundertelangen politischen Rivalität zwischen dem romanisch dominierten Gebiet der langue d'oc mit dem fränkisch dominierten der langue d'oïl.
Doch was die Katharer und ihre Vorstellungen ausmachte, das bleibt seltsam nebulös, was nicht zuletzt daran liegt, daß die Lehre der bonnes hommes, wie sie sich selbst nannten, sich nicht so recht passend machen läßt für die Message des Romans. Denn die Katharer waren nicht nur Opfer massiver Verfolgung, sie waren auf der anderen Seite eine Glaubensgemeinschaft, deren kruder Dualismus von Gut und Böse und deren fanatische Weltverachtung extrem sektenhafte Ausmaße hatte. Das rechtfertigt nicht das Ausmaß der Verfolgung aus heutiger Sicht, sollte aber dennoch, bei aller nachträglicher Abscheu über den Albigenser- bzw. Katharerfeldzug, nicht völlig unter den Tisch fallen.
Kate Mosse schreibt flüssig und routiniert, allerdings gelegentlich etwas zu weitschweifig, sie verliert sich darin, in ihrer tiefen Liebe zu Land und Leuten Okzitaniens den Leser mit einer Informationsflut an Kräuterkunde und Fremdwörtern zu überschütten, selbst wenn dies zur Handlung überhaupt nichts beiträgt, oder, da völlig überflüssig, eher hinderlich wirken, da man immer wieder im (leider unvollständigen) Glossar nachschauen muß, um festzustellen, daß z.B. panièr schlichtweg "Korb" bedeutet, escrivain "Schreiber" und chevalier "Ritter". Nicht immer ist der Einsatz eines Fremdworts dem Lokal- und Zeitkolorit dienlich. Bei einem Genremix aus Thriller, Fantasy und Historischem Roman, bei dem der Thrilleranteil überwiegt, wird das gelegentlich zum Hemmschuh.
Zielgruppe sind -- wenn ich mir die Werbeunterlagen ansehe -- Leserinnen historischer Frauenromane, die sich auch für Thriller begeistern können; diese Zielgruppe wird mit guter Unterhaltung bedient, auch wenn mir persönlich die 752 Seiten dann doch lang geworden sind, da das Buch weder erzählerisch noch sprachlich eine Offenbahrung ist.
Insgesamt ist Das verlorene Labyrinth ein leicht überdurchschnittlicher Unterhaltungsroman mit weitgehend zuverlässigem Informationswert, der am Ende die hohen Erwartungen, die der Klappentext verspricht, nicht voll einlöst.
Trotzdem auf jedenFall hochwertiger und besser als die Megaseller amerikanischer Provenienz.