'Die Memoiren des Barry Lyndon' - Kapitel 01 - 03

  • Uff, das erste Kapitel ist ja schon recht lang. Was soll aus so einem verzogenen Bengel auch werden? Der Grundstein für das Erwachsenenleben des "Helden" wird also schon in früher Kindheit gelegt - diese Selbstverständlichkeit, mit der die Mutter davon ausgeht, dass dem Jungen alles zusteht, fand ich schon atemberaubend bis abstoßend. Zumal das Phänomen zeitlos ist...


    Sie sind erst fünfzehn, und sie ist vierundzwanzig. In zehn Jahren, wenn Sie alt genug zum Heiraten sind, wird sie eine alte Frau sein.

    :wow Was für eine Aussage. Auch wenn es für die Zeit natürlich sachlich stimmt - so schwarz auf weiß zu lesen ist es schon etwas gruselig. Nach der Zeitrechnung ch wäre jetzt eine hochbetagte Greisin.


    Ein Mädchen, das sich seit zehn Jahren jedem Mann in dieser Gegend an den Hals geworfen und alle Hälse verfehlt hat.

    :grin Ich mag das Buch!


    Beim Duell gehe ich irgendwie davon aus, dass Quin gar nicht tot ist, sondern unserem Helden Theater vorgespielt wurde. :gruebel

  • Das dritte Kapitel bringt die Handlung nicht voran (obwohl, dem Autor ist durchaus zuzutrauen, dass er später wieder darauf zurück kommt).

    Den Gang zur Armee hatte ich schon erwartet, nur ohne den Umweg mit den neuen "Freunden".


    Ob der verzogene Bengel nun tatsächlich arbeiten wird? Ich kann es mir nicht vorstellen, irgendwie wäre das eine zu einfache Lösung...

  • Die beiden ersten Kapitel liegen hinter mir. Eine kurzweilige Lektüre. Der Ich-Erzähler gibt direkt am Anfang das Motto an, unter dem anscheinend der Roman steht: An allem sind nur die Frauen schuld. Wir erfahren anfangs, wenn ich nicht etwas überlesen habe, nur, dass der Ich-Erzähler sich im Moment des Erzählens in keiner guten Situation befindet, aber auf ein Leben voller Abenteuer und Glanz zurückblickt. Und den Glanz beschwört er gleich herauf, indem er behauptet, einer der ersten Prätendenten auf die irische Krone zu sein, gäbe es sie denn und von so altem Adel, dass dieser weltweit seinesgleichen suche. Kurze Zeit später erfährt man dann aber, dass einer seiner Ahnherren erst mit einem der Feldzüge der Engländer gegen die Iren ins Land kam. Thackeray zieht wie hier sehr viel Witz daraus, indem er Barrys Großsprecherei mit der naiverweise von diesem verratenen Wahrheit immer wieder kontrastiert. Schön ist z.B. auch, dass dieser so adelsstolze Barry-Spross mit seinen hohen Ansprüchen einen jüngeren Sohn zum Vater hat, der seinen Bruder ausbootete, indem er konvertierte und somit von den englischen Gesetzen zur Erbfolge profitierte. Auch die Mutter ist ein eingebildeter Giftzahn, zeigt aber gegenüber ihrem Sohn die zärtlichsten Muttergefühle und viel Selbstaufgabe, als sie ihn nach dem Duell mit fast ihrem ganzen finanziellen Besitz nach Dublin wegschickt.

    Und dann die Nora-Geschichte, der erste "Beweis" für die Schuld der Frauen. Der verliebte Redford, der sich in seine älteste Cousine verguckt und durch die von ihrer "Untreue" verursachten gewaltigen Gefühle die dümmsten Handlungen begeht! Wenn du es nicht oben angedeutet hättest, Lorelle , wäre ich nicht daraufgekommen, dass der Tod von Quin nur vorgetäuscht sein könnte.

  • Ich bin etwas langsamer und noch nicht ganz durch. Die Mutter von Redmond ist für mich eine interessante Person. Sie versucht alles, um ihre Zugehörigkeit zum Adel herauszustellen und sei es, dass sie ihren Sohn auf eine Schule schickt, die ihm nicht gefällt (bzw. er sieht keinen Sinn im Lernen der alten Sprachen) und die auch noch viel kostet. Auch ihr Bemühen immer nach der neuesten Mode gekleidet zu sein, obwohl sie „nur“ Änderungen an ihrer Garderobe vornehmen kann, strahlen doch ihren Stolz aus und ich bin gespannt darauf, wo das hin führt. Zumindest Edmond sieht sich auch über den anderen, so wurde es ihm auch beigebracht.

  • Tja, meine beiden anderen Thackeray-Lektüren liegen etwas weiter zurück, deshalb nahm ich das Duell erst, wie es daherkam, Lorelle .


    Das dritte Kapitel in Dublin mag zwar letzen Endes nur ein Zwischenaufenthalt vor der Anmusterung sein, ist aber ein gewichtiges für die Entwicklung unseres Redmond Barry. In kurzer Zeit erhält er eine zum Ende hin schmerzhalfte Einführung in die Künste der Hochstapelei, die er ja später wohl durchaus nutzbringend in höheren Kreisen anwenden wird. Das Hochstapeln liegt ihm ja auch im Blut, wurde es ihm doch durch Vater, eher aus Erzählungen heraus, und insbesondere von der Mutter vorgelebt, wie du, Equal , es ja oben auch schilderst.


    Man kann den Roman sehr gut als Persiflage auf Bildungsromane lesen, die ja zu Zeiten Thackerays schon eine lange Traditon hatten, übrigens auch die Persiflage auf sie bzw. die "negativen" Bildungsromane, wie Fieldings Tom Jones z.B..

  • Tja, meine beiden anderen Thackeray-Lektüren liegen etwas weiter zurück, deshalb nahm ich das Duell erst, wie es daherkam, Lorelle .


    Man kann den Roman sehr gut als Persiflage auf Bildungsromane lesen, die ja zu Zeiten Thackerays schon eine lange Traditon hatten, übrigens auch die Persiflage auf sie bzw. die "negativen" Bildungsromane, wie Fieldings Tom Jones z.B..

    Mir ging es genauso wie Dir, finsbury. Ich habe das Duell auch erst mal so genommen. Dabei muss man bei Thackery vorsichtig sein.


    Als Persiflage auf Tom Jones empfinde ich den Roman nicht. Es ist ja noch nicht so lange her, dass ich den Roman von Fielding gelesen habe. Ich habe da keine Verbindung gesehen. Die Aufschneiderei des Protagonisten würde mich normalerweise sehr stören. Aber bei dieser Art von Überzeichnung amüsiere ich mich köstlich. Etwas, was Barry Lyndon mit Tom Jones meiner Meinung nach gemeinsam hat.


    Bei der Flut von Anmerkungen im ersten Kapitel bezüglich der historischen Gegebenheiten/Personen musste ich daran denken, wie anders Jane Austens Romane sich in diesem Zusammenhang lesen. :-]

  • Nun habe ich den ersten Abschnitt gelesen, und ich fürchte fast, Leserunden sind derzeit nichts für mich. Ich entsinne mich, als ich in die Leseprobe hineingelesen habe, gefiel mir das Buch außerordentlich gut und ich habe mich auf die Leserunde gefreut. Aber jetzt bin ich mir nicht sicher, ob ich das Buch bzw. die Leserunde beenden werde. Es ist ähnlich wie kürzlich bei „Mansfield Park“, das ich auch abgebrochen habe: ich komme im Moment mit den „Problemen“ der gehobenen damaligen englischen Gesellschaft einfach nicht klar. Meine Güte, ist das alles, womit die sich Rumschlagen? Wie hohl muß man sein, um damit sein Leben auszufüllen?!


    Das klingt jetzt heftig, ich weiß, und ist in Bezug auf dieses Buch auch etwas übertrieben; aber vielleicht wird durch die Übertreibung klar, was ich im Prinzip meine. Ich habe mein tägliches Leben zwar nicht sonderlich ändern müssen, aber inzwischen schlägt mir die Pandemie (bzw. die dadurch - genau genommen durch die Unfähigkeit der politisch Verantwortlichen - verursachten Einschränkungen) dermaßen aufs Gemüt, daß es mich nun doch beeinträchtigt und ich solche Bücher momentan anscheinend nicht lesen kann. Würde ich mich zu anderen Zeiten köstlich über Barry Lyndon amüsieren, geht dieser Hohlkopf mir momentan einfach nur auf die Nerven.


    Hinzu kommt, daß ich bei dieser Art Literatur (war schon bei „Mansfield Park“ so) momentan nicht konzentrieren kann. Ich lese einige Seiten - und weiß nicht mehr, was vorher geschehen ist. Bei anderen Büchern, in denen es um richtige Probleme (also etwa solche auf Leben und Tod) geht, passiert mir das nicht (sonst würde ich an mir selbst zweifeln...). Will sagen: so leid es mir tut - ich kann nicht versprechen, diese Leserunde durchzuhalten.


    Zum Inhalt.


    Äääähhhmmm - ich weiß nicht so recht, was ich schreiben soll. Lyndon ist ein Teenager-Möchtegernegroß, der sich maßlos überschätzt, sich als den Mittelpunkt der Welt sieht, und davon abweichende Meinungen nicht akzeptiert. Als Folge davon gibt es einen Toten, was ihn aber auch nicht weiter stört. Daß er aber quasi noch dunkelgrün hinter den Ohren ist, sieht man daran, wie leicht er sich von der „edlen Dame“ und ihrem Mann hereinlegen läßt. Irgendwo geschieht es ihm recht. Wenn ich es recht verstehe, ist er nur auf dem Weg in die „Neue Welt“, um dort zu kämpfen. Ob er da etwas lernt? Ich habe so meine Zweifel.

    Unter den Büchern finden wir wieder, was uns in der Fremde entschwand, Frieden im Innern und Frieden mit unserer Umgebung.
    (Gustav Freytag, 1816 - 1895, aus "Die verlorene Handschrift")

  • Beim Duell gehe ich irgendwie davon aus, dass Quin gar nicht tot ist, sondern unserem Helden Theater vorgespielt wurde.

    Auf die Idee bin ich gar nicht gekommen, ich habe mich nur gewundert, daß Lyndon so treffsicher schießen kann.




    Die Aufschneiderei des Protagonisten würde mich normalerweise sehr stören. Aber bei dieser Art von Überzeichnung amüsiere ich mich köstlich.

    So ginge es mir wohl in "normalen Zeiten".


    Da fällt mir unwillkürlich ein Ausspruch von Gandalf (Der Herr der Ringe, Band 1) ein:

    "Das tun alle, die solche Zeiten erleben, aber es liegt nicht in ihrer Macht, das zu entscheiden. Wir müssen nur entscheiden, was wir mit der Zeit anfangen wollen, die uns gegeben ist."
    "So do all who live to see such times but that is not for them to decide. All we have to decide is what to do with the time that is given to us."

    (Zitiert nach Wikiquote)


    Thackeray bzw. englische Klassiker scheinen momentan nicht das zu sein, für das ich mich entscheiden sollte. - Übrigens ist das mein erstes Buch von Thackeray.

    Unter den Büchern finden wir wieder, was uns in der Fremde entschwand, Frieden im Innern und Frieden mit unserer Umgebung.
    (Gustav Freytag, 1816 - 1895, aus "Die verlorene Handschrift")

  • T

    Man kann den Roman sehr gut als Persiflage auf Bildungsromane lesen, die ja zu Zeiten Thackerays schon eine lange Traditon hatten, übrigens auch die Persiflage auf sie bzw. die "negativen" Bildungsromane, wie Fieldings To

    Als Persiflage auf Tom Jones empfinde ich den Roman nicht. Es ist ja noch nicht so lange her, dass ich den Roman von Fielding gelesen habe. Ich habe da keine Verbindung gesehen.

    Bei der Flut von Anmerkungen im ersten Kapitel bezüglich der historischen Gegebenheiten/Personen musste ich daran denken, wie anders Jane Austens Romane sich in diesem Zusammenhang lesen. :-]

    Da hast du mich missverstanden, Brigitte H. H. . Ich meinte, dass die Persiflage auf Bildungsromane bzw. negative Bildungsromane schon gerade in der englischen Literatur eine lange Tradition haben, wie z.B. Tom Jones. Selbstverständlich persifliert Thackeray nicht Tom Jones, haben doch beide Romane einen ähnlichen Ansatz.

    Dass bei Austen nicht so viele Anmerkungen nötig sind, hängt wohl vor allem auch davon ab, dass hier weibliche Lebenswelten geschildert werden, die sich um Ehe; Familie und die Nachbarn drehen, während der Mann ganz rollenspezifisch in die weite Welt hinausgeht und daher auch mit viel mehr historischen, ökonomischen und politischen Zusammenhängen in Berührung kommt.

  • Ich habe den ersten Abschnitt jetzt auch beendet. Hier geht im Moment alles ziemlich drunter und drüber, so dass ich kaum zum Lesen komme. ( und dann hab ich auch noch zwei LR gleichzeitig :wow)


    Die Aufschneiderei des Protagonisten würde mich normalerweise sehr stören. Aber bei dieser Art von Überzeichnung amüsiere ich mich köstlich.

    So geht es mir auch.