'Die Memoiren des Barry Lyndon' - Kapitel 18 - Ende

  • Die letzten Kapitel des Buches räumen ganz schön: Nachdem Barry Lyndon nun alles Hab und Gut, soweit er darankam, verschleudert hat, gibt es wohl nicht mehr viel zu erzählen. Ziemlich heftig finde ich wieder, wie er mit seiner Frau umgeht. Zuerst will er ihr, nach dem Tod des gemeinsamen Sohnes, bei dem er zum ersten Mal annähernd echte Gefühle außer Egoismus zeigt, ein Kuckuckskind als Erben unterschieben, dann beraubt er sie ihrer Freiheit, da er berechtigterweise Angst hat, sie könne ihm weglaufen und er wäre dann ohne ihr Einkommen ungeschützt vor den Gläubigern. So kommt es dann auch im zweiten Anlauf, der ältere Sohn und Erbe taucht auch wieder auf und unser Ich-Erzähler landet schließlich im Schuldgefängnis. Der Rest wird dann summarisch in auctorialer Erzählweise zusammengefasst.

    Im zweiten Teil, nachdem ich mich mit dem unsympathischsten Ich-Erzähler, der mir bisher in meinem Leserleben über den Weg gelaufen ist, arrangiert hatte, machte mir die Lektüre durchaus Spaß und man hat nebenher noch einiges über die englisch-irischen Verhältnisse im 18. Jahrhundert und überhaupt über dieses dazugelernt, auch mal einen ganz anderen Blick auf Friedrich den Großen erhalten, der ja in Deutschland eher positiv annotiert ist.

  • Ausgelesen. Selten hat mich ein Buch so wenig berührt wie dieses, selten war ich so froh, ausgelesen zu haben wie jetzt - und noch nie habe ich eine so widerliche Hauptfigur erlebt in einem Roman wie hier. Mir sind schon üble und sehr üble Gesellen begegnet, Paul Bard etwa (Marion Zimmer Bradley „Die Zeit der hundert Königreiche“, Darkover 4) oder Winston Garvey aus der Savage-Destiny-Serie von Rosanne Bittner, wobei zumindest Letzterer das erhielt, was ihm gebührte (auch wenn das Juristen möglicherweise anders sehen werden). Hier konnte ich zumindest kurzzeitig Genugtuung empfinden, daß Barry Lyndon am Ende gescheitert ist, aber welches Unheil hat er im Laufe seines verbrecherischen Lebens angerichtet! So schnell lese ich jedenfalls ganz sich keinen satirisch oder ironisch geprägten Roman mehr. Und wenn Thackerays Bücher alle so sind, von ihm bestimmt auch keines mehr.


    Erfreulich und befriedigend zu lesen war der Brief Bullingdons an Lady Lyndon, als er fort ging (S. 277, Kapitel 18).


    Zum besseren Verständnis hätte vermutlich beigetragen, mehr von der englischen und irischen Geschichte zu wissen; da sind meine Lücken - es seit zugegeben - überwältigend groß. Ob ich die irgendwann schließen werde, weiß ich noch nicht. Im Moment bin ich nicht sehr motiviert.


    Insgesamt ist die Befriedigung, die ich nach Ende der Lektüre empfinde eine solche, daß ich durchgehalten und nicht abgebrochen habe. Immerhin etwas Erfreuliches, das ich über das Buch sagen kann. Ob ich eine Rezi schreibe, weiß ich noch nicht, da ich mir der Tatsache bewußt bin, daß ich das Buch unter anderen äußeren Umständen möglicherweise sogar gemocht hätte (obwohl ich mir bei dem „Helden“ da nicht so sicher bin).

    Unter den Büchern finden wir wieder, was uns in der Fremde entschwand, Frieden im Innern und Frieden mit unserer Umgebung.
    (Gustav Freytag, 1816 - 1895, aus "Die verlorene Handschrift")

  • SiCollier , ich finde es aber sehr tapfer, dass du trotz deines Widerwillens durchgehalten hast. Manchmal bringt so ein Buch auch erst in der Nachverdauung seine positive Wirkung. Und selbst wenn das nicht so ist. Du hast - genau wie ich - den widerlichsten Ich-Erzähler deiner Leselaufbahn kennen gelernt und damit nun einen Maßstab, an dem du andere messen kannst :grin.

  • Na ja, ich wollte nicht schon wieder (nach "Mansfield Park" im März) abbrechen. Wären es doppelt so viele Seiten gewesen, hätte ich sicherlich nicht zu Ende gelesen, aber rund 300 - dachte ich mir - sollten irgendwie zu schaffen sein. Und nachdem ich erstmal die 200er-Marke "geknackt" hatte, waren es ja "weniger als hundert Seiten" - das ging dann irgendwie. Aber froh war ich nach dem letzten Satz doch...


    Stimmt, nun habe ich einen "widerliche-Haupfigur-Maßstab". :grin Ich glaube wenn eine Figur diesen Maßstab "toppt", breche ich wirklich ab.


    Das Hauptproblem war vermutlich, daß das Buch aus Sicht des Halunken geschrieben wurde - und aus seiner Sicht war er ja völlig unschuldig. So eine Betrachtungsweise erzeugt bei mir dann halt einen gewaltigen Widerstand, da nützt am Ende auch die halbwegs gerechte Strafe nix mehr, um das Buch zu retten.

    Unter den Büchern finden wir wieder, was uns in der Fremde entschwand, Frieden im Innern und Frieden mit unserer Umgebung.
    (Gustav Freytag, 1816 - 1895, aus "Die verlorene Handschrift")