Wo wir Kinder waren - Kati Naumann

  • ISBN: 978-3-7499-0000-8

    Verlag: HarperCollins

    Erscheinungsdatum: Januar 2021

    Seiten: 496

    Format: Hardcover


    Über den/die Autor*in:

    Kati Naumann wurde 1963 in Leipzig geboren. In Sonneberg, im ehemaligen Sperrgebiet im Thüringer Wald, verbrachte sie einen Großteil ihrer Kindheit. Die studierte Museologin schrieb bereits mehrere Romane sowie Songtexte für verschiedene Künstler und das Libretto zu dem Musical Elixier (Musik von Tobias Künzel). Sie verfasste Drehbücher für Kindersendungen und entwickelte mehrere Hörspiel- und Buchreihen für Kinder. Kati Naumann lebt mit ihrer Familie in Leipzig und London.


    Nostalgische Familiengeschichte der besonderen Art

    Nach Kati Naumanns sensationellem Werk "Was uns erinnern lässt" wartete ich voller Vorfreude auf ihren nächsten Roman und war gespannt, ob er an den Erfolg des Vorgängers anknüpfen können würde.

    Bei "Wo wir Kinder waren" (HarperCollins, Januar 2021) handelt es sich erneut um eine auf zwei Zeitebenen erzählte Familiengeschichte vor dem Hintergrund der deutsch-deutschen Vergangenheit.


    Wir tauchen ein in den Alltag der Familie Langbein, die eine bereits zur Kaiserzeit gegründete Spielwarenfabrik betreibt, begleiten sie durch zwei Weltkriege bis hin zum Ende der DDR, erleben die Neuorientierung nach der Wiedervereinigung Deutschlands und begegnen schließlich in der Gegenwart (2019) den Urenkeln Jan, Eva und Iris. Vom einstigen Familienzusammenhalt ist nicht mehr viel übrig geblieben, da helfen auch alle Schuldzuweisungen nichts. Bei der gemeinsamen Entrümpelung des alten Familienhauses geraten die drei Langbein-Erben zunächst immer wieder aneinander, werden bei der Konfrontation mit ihrer Vergangenheit allerdings nach und nach wehmütig, schwelgen in Erinnerungen und tauschen Anekdoten aus.


    Der im Innencover abgedruckte Stammbaum war mir vor allem zu Beginn der Lektüre eine große Hilfe, da doch zahlreiche Figuren erwähnt werden und ich stets genau wissen wollte, mit wem ich es gerade zu tun habe. Insbesondere mit den Protagonisten aus der Vergangenheitsebene konnte ich wunderbar mitfühlen, speziell Flora mit ihrer liebenswerten Art fand ich enorm sympathisch. Das Mädchen aus armen Verhältnissen schwärmte von klein auf für Otto, den Sohn der Langbeins, und wird nach langer, respektvoller Freundschaft eines Tages tatsächlich seine Frau. Es war berührend, diese Familie über die Jahre hinweg, die oft von tragischen Ereignissen und Rückschlägen geprägt waren, zu begleiten. Man hielt zusammen, rappelte sich immer wieder auf. Als die Fabrik letztlich geschlossen werden musste, war ich ganz ergriffen und fühlte ich regelrecht, wie damit ein wichtiges Stück Zeitgeschichte sein Ende fand. Im direkten Vergleich mit dem Vorgängerwerk der Autorin konnte mich "Wo wir Kinder waren" nicht ganz emotional abholen, da mir hier die Figuren der Gegenwartsebene leider zu blass und regelrecht nichtssagend blieben. Abgesehen von ein paar anfänglichen Unstimmigkeiten und der gemeinsamen Aufräumaktion passiert im Grunde über viele Seiten hinweg absolut nichts und dieser Erzählstrang kam mir lediglich wie ein (unnötiger) Puffer zwischen den Vergangenheitspassagen vor, die für sich allein einen hervorragenden Roman ergeben hätten.


    Der Schwerpunkt der Story liegt auf der ausführlichen, bis ins Detail beschriebenen Spielzeugproduktion – von einzelnen Produktionsschritten bis hin zur Entwicklung neuer Trends, deren Finanzierung sowie den immer wieder neuen Herausforderungen, denen die Langbeins sich stellen müssen. Auch die Region wird sehr bildhaft und authentisch beschrieben. Der Handlungsort Sonneberg, ein kleines idyllisches Städtchen in Thüringen, war das damalige Zentrum der Spielzeugindustrie und lag während der DDR-Zeit mitten im Sperrgebiet, was für die Einwohner/innen vieles noch verkomplizierte. Neben dem wunderschönen, passend zum Genre gewählten Cover ist die hervorragende Recherchearbeit der Autorin, deren persönlicher Bezug zur Geschichte im inkludierten Interview deutlich hervorgeht, ein großer Pluspunkt.


    Fazit: Kati Naumann beleuchtet in ihrem Werk ein interessantes Kapitel deutsch-deutscher Vergangenheit vor dem Hintergrund der Spielzeugindustrie. Zwar konnte mich die Gegenwartsebene nicht überzeugen, aber im Hinblick auf die in der Vergangenheit angesiedelte Handlung spreche ich gerne eine Empfehlung für alle Fans von historischen Familienromanen aus.


    ASIN/ISBN: 3749900000

  • Zuerst hat mich bei diesem Buch der Titel und das schöne Cover angesprochen.

    Die Kurzbeschreibung hat mich dann vollends davon überzeugt, dass ich dieses Buch lesen möchte.


    "Wo wir Kinder waren" von Kati Naumann erzählt die Geschichte der Familie Langbein und deren Spielzeugfabrik in Sonneberg in Thüringen.

    Erzählt wird in 2 Zeitebenen - der Gegenwart und der Vergangenheit ab der Kaiserzeit bis nach der Wiedervereinigung.

    Ich brauchte kurz um in das Buch reinzukommen aber dann war ich fasziniert von der Geschichte.

    Die Familie lebte für ihre Firma, diese war "das Herz" und stand immer an erster Stelle.

    Nicht nur dass man sehr viel Interessantes über die Spielzeugherstellung erfährt - auch die ganzen politischen, wirtschaftlichen und menschlichen Entwicklungen und Erlebnisse werden in die Geschichte mit eingebaut.

    Und zwar gelungen.


    Nach der Insolvenz der Firma und diversen Erbstreitigkeiten steht es aktuell schlecht um das Firmengebäude mit Wohnung.

    Eva und Jan ( in Sonneberg aufgewachsen ) sowie Iris ( lebte in der BRD, ihr Vater flüchtete in den Westen ) sollen das Haus räumen und stoßen dabei auf viele Erinnerungen aus ihrer Kindheit.

    Passend dazu werden die Ereignisse aus der Vergangenheit erzählt.


    In diesen "Aufräumwochen" passiert viel mit den Dreien, die Entwicklung der Geschichte hat mir sehr gut gefallen.

    Ich habe diese deutsch-deutsche Geschichte sehr gerne gelesen, das Thema fand ich hochinteressant und die Umsetzung gelungen.

  • Der Klappentext "Eine mitreißende Familiengeschichte über ein fast vergessenes Handwerk" passt wirklich hervorragend.


    Die Geschichte spielt in zwei Zeitebenen: In der Gegenwart, als die drei Erben der früheren Puppenfabrik Langbein, Eva, Iris und Jan, zusammen das alte Wohnhaus der Familie entrümpeln, damit es neu vermietet werden kann und dabei auf viele Erinnerungen stoßen, sowie in der Vergangenheit, angefangen im April 1910, als Albert und Mine mit ihren vier Kindern die Ausstellung der Spielzeuge in der lokalen Turnhalle besuchen, die für die Weltausstellung in Brüssel gedacht sind.


    Und so wandert die Erzählung durch die Zeit und zeigt dabei, wie sich die Verhältnisse geändert haben, wie sich durch Kriege und persönliche Ereignisse die Familie anpassen musste und es doch immer Spielzeug aus der Spielwarenfabrik Albert Langbein gab, die aus dem kleinen Örtchen Sonneberg exportiert wurden. Nach dem Krieg kam die Teilung Deutschlands und damit auch der Familie.


    Mir es hat richtig gut gefallen, der Familiengeschichte zu folgen und dabei zu lernen, wie die Vorgänge in der DDR zur Vereinnahmung der Betriebe abliefen, wie die Fabrikation der Spielzeuge lief und auch die persönlichen Schicksale bis in die Gegenwart mitzuerleben.


    Ein wirklich wunderbar erzählter Roman über die DDR und Spielzeuggeschichte, sehr empfehlenswert.

    Von mir 10 Punkte.

  • Sonneberger Spielzeuggeschichte ... überzeugend verpackt!

    Nach dem Genuss der Leseprobe bereitete ich mich hier eigentlich auf eine Geschichte auf zwei Ebenen vor, bei der die erste die unmittelbare Gegenwart behandelte und die zweite die lang zurückliegende Vergangenheit. Wie angenehm überrascht war ich doch als ich erkannte, dass die sich die beiden Ebenen auf ganz einfühlsame Weise einander annähern. In der Gegenwart lernen wir Eva, Iris und Jan kennen, die sich nach dem Tod der Großeltern im urgroßväterlichen Haus einfinden um „tabula rasa“ zu machen. Doch so einfach ist das nicht und sie merken bald, wie sie an ihrem Erbe und den Schätzen der Großeltern hängen. Pläne beginnen in ihrem Kopf zu formen und schnell sind sie mittendrin, im Strudel der Vergangenheit. In jedem zweiten Kapitel begeben wir uns zurück zu den Anfängen der Spielzeugfabrik Langbein in Sonnenberg, die der Großvater um die Jahrhundertwende des aufstrebenden 19. Jahrhunderts mit viel Herzblut aufgebaut hat. Für ewig sollte sie im Besitz der Familie bleiben und stets von der nächsten Generation geleitet werden. Doch der Krieg und vor allem die Wende machen ihnen schließlich einen fetten Strich durch die Rechnung …

    Die Autorin Kati Naumann, mit der ich schon durch das Buch „Was uns erinnern lässt“ Bekanntschaft geschlossen hatte, weiß wovon sie mit ihrem Roman spricht. Ihre eigenen Großeltern lebten im thüringischen Sonneberg an der innerdeutschen Grenze, im Sperrgebiet. Dort betrieben sie eine traditionsreiche Puppenfabrik. Kati schaffte es auch mit dieser Story mich zu begeistern. Selbst im Westen aufgewachsen hatte ich doch wenig Berührungspunkte mit der damaligen DDR und ihren rigorosen Methoden, den Menschen auch das letzte bisschen Eigentum zu nehmen. Besonders hart getroffen hatten es die Bewohner des sogenannten Sperrgebiets, das seit 1954 bestand. Die ca. 200.000 dort lebenden Menschen standen unter ständiger Überwachung und ohne Sonderausweise ging kein Weg hinaus oder hinein. Die Autorin nahm mich mit auf eine Reise in unsere deutsch-deutsche Vergangenheit, die interessanter kaum hätte sein können. Gerne vergebe ich auch für das für mich zweite Buch aus der Feder Kati Naumanns wohlverdiente fünf Sterne und spreche gerne eine überzeugte Lesempfehlung aus.