Maren Winter - Das Erbe des Puppenspielers

  • Maren Winter, Das Erbe des Puppenspielers. 496 S., PB, Klappenbroschur. Heyne, München 2003. ISBN 3-453-87030-1; Preis Eur[De] 10,-- / Eur[At] 10,50.


    Über die Autorin:
    Maren Winter, 1961 in Lübeck geboren, begann am dortigen Marionettentheater eine Ausbildung zur Puppenspielerin und gründete gemeinsam mit ihrem Mann das Figurentheater Winter. Die beiden treten mittlerweile mit ihren Stücken in ganz Deutschland auf. »Das Erbe des Puppenspielers« ist Maren Winters erster Roman. (Quelle: Klappentext)
    Im Februar 2006 erscheint Maren Winters zweiter Romane »Der Stundensammler«.
    Website der Autorin


    Über das Buch:
    Der Puppenspieler Meginhard schwört einen heiligen Eid, die Mörder seiner Mutter zu finden. Als er Karl dem Großen auf seinem Heereszug gegen die heidnischen Sachsen folgt, trifft er Gisela wieder, seine verloren geglaubte Gefährtin. Doch Meginhard kann nicht lieben, solange der Hass in ihm brennt. Und so lässt er sich auf eine gefährliche Verschwörung gegen Reich und Krone ein. (Quelle: Rückseitentext)


    Meine Meinung:
    Durch allerlei Unbill wird Meginhard zum Lehrling eines wandernden Puppenspielers, der von Hof zu Hof, von Fest zu Fest zieht, um mit seinen Tokken, den Handpuppen, seinen Lebensunterhalt zu bestreiten.
    Mehr und mehr gerät Meginhard in die Welt dieser Höfe, erst recht nachdem er seinen Lehrherrn tötet und dessen Identität annimmt. Ein Schritt, der schreckliche Konsequenzen hat.
    Immer tiefer verstrickt sich der Puppenspieler, der an den Höfen und auf den Burgen Dinge erfährt, die nicht für seine Ohren bestimmt sind, in die Intrigen des Adels, der Unterstützer und Widersacher Karls des Großen und wird schließlich sogar Teil eines Komplotts, dass den Herrscher stürzen soll.


    Der Roman wirkt gelegentlich wie ein Roadmovie, da der Held ständig unterwegs ist. Alle Ereignisse sieht der Leser durch Meginhard und damit fast hautnah den Kampf ums tägliche Dasein, das Buhlen um Lohn und Anerkennung.
    Ein Manko stellt die stellenweise atheistische Haltung des Helden dar, die für die damalige Zeit in dieser Form nicht bestanden haben kann.
    Insgesamt ist Maren Winter ein ansprechender und unterhaltsamer Roman gelungen, das in weiten Teilen auch den Geist dieser Zeit widerspiegelt. Bei aller Kritik lassen sich soviel erzählerisches Talent und historische Detailtreue erkennen, dass ich gespannt bin auf einen Nachfolger.

  • Ich habs hier liegen und auch schon mal angefangen... Irgendwie bin ich da nicht wirklich hineingekommen und habs dann wieder auf Seite gelegt... Dort liegt es jetzt immer noch... *gg*

    "Nicht wer Zeit hat, liest Bücher, sondern wer Lust hat, Bücher zu lesen, der liest, ob er viel Zeit hat oder wenig."

    - Ernst Reinhold Hauschka

    Zitat

  • Ich habe auch eine Weile gebraucht, ehe ich mich eingelesen hatte.


    Gib ihr noch eine Chance! :-)


    Im Februar kommt das neue, und vom Thema her bin ich schon ziemlich gespannt, auch weil sie Gott sei Dank!!! wieder eine männliche Hauptfigur hat.


    Werbetext lt. Amazon:
    Als Nürnberg im Jahre 1492 vom mächtigen Heer des Markgräflichen Erbprinzen angegriffen wird, sucht Severin in einer Turmuhr Schutz. Für seine Familie kommt jede Hilfe zu spät und er findet nur noch ihre Leichen auf dem Schlachtfeld. Nie mehr wird er es zulassen, so schwört Severin, dass die Zeit ohne ihn verrinnt. Und so wird die Suche nach einer Uhr, die er immer bei sich tragen könnte, zu seinem Lebensinhalt.

  • Iris,


    auch wenn das mal wieder was historisches ist (ist doch üüüüüberhaupt nicht mein Genre! ;-)), hört sich der Stundensammler interessant an. Habs mal auf meine Liste gesetzt und werde nach Erscheinen auf jeden Fall mal reingucken.

    Lieben Gruß,


    Batcat


    Ein Buch ist wie ein Garten, den man in der Tasche trägt (aus Arabien)

  • Auch ich habe dieses tolle Buch gelesen und heute beendet.


    Der Roman ist leicht und zu lesen, und ich wurde regelrecht in einen Bann geschlagen. Der Schreibstil der Autorin gefiel mir sehr gut. Ich konnte nicht aufhören zu lesen und wollte unbedingt wissen, wie es weiter geht.


    Mehrmals war ich den Tränen nahe, den dieses spannende Drama, hat mich sehr berührt. :-)

  • Ich mochte das Buch auch sehr - und der Nachfolger gefiel mir noch deutlich besser. "Der Stundensammler" ist atmosphaerisch ganz dicht, die Figuren sind kraeftig und voll Leben, und wie die Erzaehlstraenge sich um das Thema "Zeit" winden, sich ihm auf immer wieder andere Richtung naehern, das ist faszinierend gemacht und fordert zum Wiederlesen und Nachblaettern auf.
    Eine Autorin, die wirklich erzaehlen kann und die hoffentlich sehr bald wieder einen Roman schreibt.


    Alles Liebe von Charlie

  • Ich hätte da mal eine dumme Frage. Es wurde hier von einem Nachfolgeband geschreiben.


    Ist das "Der Stundensammler", oder ein anderes Buch?


    Über Antwort würde ich mich sehr freuen.
    Vielen Dank! :-)

  • Also ich meinte den "Stundensammler".
    (Keine Fortsetzung, sondern ein eigenstaendiger historischer Mann - wundervoll!)


    Falls es von Maren Winter noch ein Buch gibt, kenn' ich's nicht - NOCH nicht! Mir bitte unbedingt nennen, ich bestelle es sofort.


    Eine Erzaehlerin, die praezise und liebevoll hinschaut, Menschen auftreten laesst und mehrboedige, fesselnde Geschichten auffuehrt, deren Bilder nachwirken.


    Alles Liebe von Charlie

  • Ich habe "Das Erbe des Puppenspielers" gestern beendet und fand es mit Abstand bisher das beste Buch, das ich im Laufe meines "Karl der Große"-Projekts gelesen habe.


    Trotzdem habe ich ziemlich lange gebraucht, um es zu beenden, und es sogar zwischendrin unterbrochen. Gerade zu Beginn des Romans ist die Stimmung ziemlich düster, und ich bin eingestandenermaßen mehr der Typ für die Friede-Freude-Eierkuchen-Bücher. Im Mittelteil, während Meginhards Zeit im Kloster und danach in Baiern, folgen einige Szenen, die heiteren Charakter haben und schon fast Richtung Schelmenstück gehen. Aber das dauert nicht lange. Meginhard zahlt für jedes Lächeln hundertfache Zinsen.


    Wer Meginhards Vater war, dürfte den meisten Lesern, die sich mit der Zeit beschäftigt haben, von Anfang an klar sein. Umso bedrückender ist es, mitanzusehen, wie er durchs Leben stolpert, wenn er nicht sogar von seiner Umgebung eher gezerrt wird. Sein Lehrherr, der Meginharts Herkunft erfaßt hat, mag ihn zu Beginn aufsammeln, weil er sich höheren Orts Belohnung dafür verspricht, hat den Jungen aber, in dem Rahmen, den er sich selbst zugesteht, wirklich gern. Meginhard fällt ihm gegenüber aus einem Extrem ins andere, von unterwürfiger Dankbarkeit zu glühendem Haß und zurück. Am Ende begeht er einen Mord, den er selbst gleich darauf beweint.


    Vielleicht lag da auch die Schwierigkeit, die ich mit dem Buch hatte. Die Hauptfigur ist schwer zu fassen. Meginhard spielt immer eine Rolle, steckt permanent im Zwiespalt zwischen seinem freundlich-übermütigen Wesen und dem, was seine Umgebung von ihm fordert. Oder was er glaubt, daß seine Umgebung von ihm fordert. Ich würde auch nicht unterschreiben, daß dahinter eine atheistische Haltung steht. Meginhard ist "Künstler". Für ihn ist das, was sein könnte, immer bedeutender als das, was ist. Seine Aufgabe ist es, "die Puppen tanzen" und in den Augen und Hirnen seiner Zuschauer Dramen geschehen zu lassen und eine eigene Schöpfung zu kreieren - das macht ihn dem Schöpfergott in gewisser Weise ebenbürtig.


    Meine liebsten Szenen waren trotzdem die mit den Kindern, wenn Meginhard ganz er selbst sein darf, selbst ein zu früh erwachsen gemachtes Kind auf der Suche nach einem Platz, an den es gehört - der kleine Ludwig im Zelt, Theodebert auf dem Marsch nach Ingelsheim. Nebenbei bemert, das war das erste Buch aus der Reihe meiner bisherigen KdG-Romane, in dem Ludwig der Fromme auftrat und nicht als hinterhältiger Intrigant dargestellt wurde.


    Ich schwanke zwischen acht und neun Punkten, was aber mehr mit meiner Einstellung zu tun hat als mit dem Buch. "Das Erbe des Puppenspielers" geht klar über die typischen Romane des Genres hinaus. In jedem Fall eine Leseempfehlung.

    Meine Bewertungsskala: 1-4 Punkte: Mehr oder minder gravierende formale Mängel (Grammatik, Rechtschreibung, Handlung). 5/6 Punkte: lesbar. 7/8 Punkte: gut. 9/10 Punkte: sehr gut. Details und Begründung in der Rezi.