Kurzbeschreibung (Quelle: Verlagsseite)
[…] Die außergewöhnlich dramatischen Jahrzehnte zwischen 1840 und 1918 markieren eine Wendezeit, die bis heute unser Dasein und Leben prägen. Innerhalb dieser Jahre entwickelte sich die moderne Medizin und veränderte das Verhältnis des Menschen zu seinem Körper und dessen Leiden nachhaltig. Heilungserfolge wurden möglich, an die bisher nicht zu denken gewesen war, und schufen die Grundlage unseres heutigen Lebens. Es waren Forscher, Mediziner und Ärzte wie Koch, Semmelweis und Morton, die unsere Moderne begründeten. Diese Pioniere der Gegenwart zu begleiten heißt auch, sich auf eine Zeitreise in eine atemberaubende Epoche zu begeben – in der die Eisenbahn und das Dampfschiff den Menschen zu fernen Horizonten brachten, in der die Welt wahrhaft globalisiert wurde und in der neue Gedanken und Überzeugungen zu Umbruch und Revolution führten. Doch der Mensch bleibt der Mensch und die Natur lässt sich nicht endgültig bezwingen: Am Ende der hoffnungsvollen Epoche stehen eine von Staatsmännern geschaffene Katastrophe und, fast wie ein tragisches Nachwort zur Saga der Triumphe, eine von Viren verursachte Pandemie: die Spanische Grippe.
Autor (Quelle: Verlagsseite)
Ronald D. Gerste, geboren 1957, ist Arzt, Historiker und Amerikakenner. Er lebt als Buchautor und Wissenschaftskorrespondent in Washington, D.C. Er schreibt u. a. für die Frankfurter Allgemeine Zeitung, Neue Zürcher Zeitung und DIE ZEIT. Bei Klett-Cotta erschienen u. a. »Wie Krankheiten Geschichte machen« und »Trinker, Cowboys, Sonderlinge - Die 12 seltsamsten Präsidenten der USA«.
Allgemeines
Erschienen bei Klett-Cotta am 20. Februar 2021 als HC mit 400 Seiten
Gliederung: Prolog – 23 Kapitel, Zusatzkapitel „Schicksale“ – Epilog – Zeitstrahl – Anmerkungen – Bildnachweis – Namen- und Sachregister
Beurteilung
Wie schon bei dem Sachbuch „Wie Krankheiten Geschichte machen“ ist es auch beim vorliegenden Werk von Ronald Gerste ersichtlich, dass der Autor sowohl Mediziner als auch Historiker ist. Er beleuchtet nicht nur die wichtigsten medizinischen Entwicklungen und Erfindungen des fortschrittsträchtigen 19. Jahrhunderts, sondern setzt diese auch mit den technischen, gesellschaftlichen und politischen Entwicklungen der Epoche in sinnvolle Zusammenhänge. So wird gleich zu Beginn die Erfindung der Fotografie thematisiert, eine Entwicklung, die auch auf die Medizin Einfluss nimmt, als es erstmals möglich wird, Mikroskopiertes zu fotografieren, statt es nur zu zeichnen und Krankheitsbilder am Patienten fotografisch zu dokumentieren. Infolge dieser Neuerung kann auch Studienmaterial für angehende Ärzte viel anschaulicher gestaltet werden.
Die bahnbrechendsten Neuerungen im Bereich der Medizin des 19. Jahrhunderts waren die Einführung der Anästhesie ab den 1840er Jahren und der Antisepsis und Asepsis ab den 1860er Jahren. Hier werden nicht nur die Entwicklungen neuer Operationsmethoden geschildert, sondern auch die großen Ärztepersönlichkeiten, denen die Menschheit diese verdankt, angemessen gewürdigt. Des Weiteren widmet sich der Autor den Fortschritten in der Bakteriologie, hier werden die Entdeckung der Cholera- und Tuberkulose-Erreger geschildert. Interessant sind auch die Ausführungen über Verbesserungen im zunehmend strukturierten Pflegewesen (Krimkrieg, Florence Nightingale), die Gründung des Roten Kreuzes sowie technische Erfindungen, die der fachärztlichen Spezialisierung (z.B. Augenspiegel in der Augenheilkunde) zuträglich sind. Um die Jahrhundertwende vom 19. zum 20. Jahrhundert eröffnen sich mit der Entdeckung der Röntgenstrahlung neue, bisher undenkbare Möglichkeiten von Diagnose und Therapie. Alle diese Entwicklungen/Entdeckungen werden vor dem Hintergrund der zunehmenden Industrialisierung präsentiert. Die „moderne Zeit“ mit schnellerem Arbeitstakt (Fabriken), Mobilität (Eisenbahn) und politischem Wandel führt bei vielen Patienten zu psychosomatischen Erkrankungen, bzw. Burnout, in der Medizin werden daraufhin neue Wege in der Behandlung psychischer Erkrankungen beschritten.
Zwischen einigen Kapiteln befinden sich Abschnitte mit der Überschrift „Schicksale“, hier geht es um Persönlichkeiten, deren Schicksal mit bestimmten medizinischen Fortschritten zeitlich verknüpft ist. So wird zum Beispiel im Kapitel über die erste Herznaht am lebenden Menschen durch Ludwig Rehn auf das tragische Ende der österreichischen Kaiserin Elisabeth eingegangen, die möglicherweise hätte gerettet werden können, wenn man ihre Verletzung sofort erkannt und behandelt hätte.
Im Epilog geht der Autor abschließend auf die Ähnlichkeiten und Unterschiede zweier Pandemien, der Spanischen Grippe von 1918 bis 1920 und der aktuellen Corona-Pandemie, ein.
„Die Heilung der Welt“ ist sehr anschaulich, oft mit humorvollem Unterton und ohne jede Trockenheit geschrieben und entfaltet vor den Augen des Lesers ein farbenprächtiges Panorama der Jahre zwischen 1840 und dem Ersten Weltkrieg, das neben faszinierenden medizinischen Fortschritten auch technische Innovationen sowie politische und gesellschaftliche Entwicklungen aufgreift.
Eine überaus lohnende Lektüre für historisch interessierte Leser!
10 Punkte