'Unter ihren Augen' - Seiten 164 - 242

  • Ich muss ein paar Gedanken los werden. Aenne, die neue "Freundin" Lilos, wie diese sie nennt, verliert bei der Aufführung ein Buch, das Lieselotte mit Interesse liest, sich erkennt aber gleichzeitig lehnt sie das Gefühl ab. Auch als Aenne konkreter wird, lehnt sie ab. Lesbisch zu sein, wäre krank usw.

    Gleichzeitig geht sie gegen Berta und ihre Schule vor, die sich den Namen Laban zu Nutze gemacht haben. Nun kommt es wirklich zum Krieg. Dorothea, Bertas Gefährtin, äußert ihr gegenüber die gleichen Gedanken, die ich mir ja auch gemacht habe. Berta schiebt das Verhalten Lilos auf die Herkunft, als Proletarierkind könnte sie nicht anders denken und handeln.

    Sind das nicht auch Vorurteile? Berta verfolgt ihre Ziele, hart und unnachgiebig und ist nun aufgebracht, weil Lieselotte es ihr gleich tut.

    Naja, egal, als Berta und Dorothea mit ihren Alibiverehrern in Urlaub sind wird ihre Beziehung entdeckt. Von beiden. Das kann auch noch böses Blut geben. Dorothea scheint mir sowieso die Vernünftigere der beiden zu sein.

  • Berta schiebt das Verhalten Lilos auf die Herkunft, als Proletarierkind könnte sie nicht anders denken und handeln.

    Sind das nicht auch Vorurteile? Berta verfolgt ihre Ziele, hart und unnachgiebig und ist nun aufgebracht, weil Lieselotte es ihr gleich tut.

    Nenn es Vorurteil oder Standesdünkel. Ich vermute, Berta kam aus einem gut situierten Haus. Hier spielt so viel mit rein. Wahrscheinlich hat Berta erwartet, dass Lotte ihr ewig dankbar sein muss, weil sie sie in ihre elitäre Schule aufgenommen hat.

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    Von den vielen Welten, [...] ist die Welt der Bücher die größte. (Hermann Hesse)


    :lesend MZB: Darkover-Universum

  • Ein erster brauner Pöbel-Trupp taucht in dem Lesbentreff auf und beim jüdischen Uhrmacher werden die Scheiben eingeworfen. Die Bedrohung wächst.

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    Von den vielen Welten, [...] ist die Welt der Bücher die größte. (Hermann Hesse)


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  • Mir gefällt ja die Sprache und Ausdrucksweise des gesamten Romans sehr gut. Manche Stellen sind aber besonders schön, wie z. B. die auf Seite 208: "Weiße Fetzen trieben am Himmel entlang: keine Wolke behielt lange ihre Gestalt. Gejagt und in Eile verändern sie ihre Form, als wäre nur der Wandel ihre Bestimmung."

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  • Was mich etwas irritiert, ist, dass das klassische Ballett gar nicht erwähnt wird.

    Hatten die kleinen Mädchen nicht zuerst Ballettunterricht bevor sie zum Ausdruckstanz kamen?

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  • Ich muss ja sagen, dass mir Berta und Lieselotte langsam auf den Keks gehen mit ihrer Zickerei.

    Berta tut weltoffen und lässt neben sich nichts gelten und Lieselotte lebt, als würde sich die Welt und insbesondere Berta nur um sie drehen.


    Dorothea scheint zumindestens die klarere Sicht der Dinge zu haben und sagt Berta genau das was ich ihr auch sagen würde.


    Ich muss gestehen, ich tu mir schwer mit dem Buch. Die Sprache ist wunderschön, da stimme ich euch zu, aber die beiden Hauptpersonen sind schwer erträglich für mich. Das macht es mir schwer mit Vergnügen zu lesen.


    Vielleicht hatte ich während meiner Schulzeit auf einem Mädchen Gymnasium einfach genug Zickentheater für ein ganzes Leben, dass mir sowas einfach keinen Spaß macht.

  • Geht mir ähnlich mit den beiden. Deshalb fehlt mir ein wenig die männliche Perspektive. Ich hätte gern die Gedanken der Männer gehört als sie feststellen mussten, dass sie überwiegend Alibifunktion hatten.

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  • Stimmt, die Männer bleiben reichlich blass, selbst wenn sie wie der Alibi-Liebhaber mal näher beleuchtet werden. Selbst Erwin, der ja wohl zusammen mit Lieselotte ihre Schule leitet, läuft eher so nebenbei her.


    WIe nebensächliches Inventar

  • Stimmt, die Männer bleiben reichlich blass, selbst wenn sie wie der Alibi-Liebhaber mal näher beleuchtet werden. Selbst Erwin, der ja wohl zusammen mit Lieselotte ihre Schule leitet, läuft eher so nebenbei her.


    WIe nebensächliches Inventar

    Ich empfinde die Männer nicht als blass und auch nicht als Inventar. Sie stehen nur nicht im Mittelpunkt. Ich habe den Eindruck, dass dieses nicht im Mittelpunkt stehen besonders auffällig ist, weil es in den meisten Büchern die ich lese, genau umgekehrt ist. Ich finde es angenehm, dass es hier mal anders ist.

    Berta denkt am Ende von Kap. 26:
    Die Eigenschaften und den Einfluss, den Männer besaßen, forderte sie eben auch für sich. Das war nicht zu viel verlangt. Und dazu gab es Bereiche, in denen mussten Frauen ungestört üben dürfen, stark zu sein. Nicht alle waren wie sie selbst. Es gab überall weniger Begabte. Sogar eine Lieselotte Daube hatte davon profitiert. Diese Domänen mussten geschützt werden. Von starken Frauen. Dazu gab es schließlich die GEDOK...

    Ich hatte bewusst das Bild von Laban gepostet, weil ich finde, dass es die übliche Darstellung - zumindest in der damaligen Zeit, aber häufig genug auch heute noch - typisch wiedergibt.
    Der große Laban und sein Inventar: Laban

    Die GEDOK wurde 1926 von Ida Dehmel gegründet. Ihr Anliegen war die Förderung künstlerischer Talente von Frauen. Es ist tatsächlich merkwürdig, dass Lotte dort mit 10 Männern aufkreuzt und mit Artjom einen Mann in den Mittelpunkt stellt, der allen anderen die Schau stiehlt (Artjom z.B. ist ein Mann, zu dem man sicher auch eine eigene Geschichte erzählen könnte, weder blass noch Inventar. Aber das hier ist die Geschichte von Berta und Lotte, nicht von Artjom).
    Lotte untergräbt den ganzen Sinn der Veranstaltung. Sie kämpft auch in dieser Hinsicht sozusagen gegen sich selbst, gegen ihre eigenen Interessen. (Sie wollte selbst ursprünglich ausschließlich Frauen unterrichten...)

    Wie sagt Berta über Artjom:
    Ein Prachtstück, ohne Zweifel, aber bei einer GEDOK-Aufführung völlig deplatziert.

    Und Lotte selbst:
    "Er tanzt wie ein Mädchen!", hatte Lotte Erwin während der ersten Probestunde voller Staunen zugeflüstert.


    Wenn das so ist, warum stellt sie dann auf einer GEDOK-Aufführung nicht eine Frau in den Mittelpunkt ihrer Aufführung, statt einen Mann, der wie ein Mädchen tanzt? (Egal wie gut er darin ist...)

    I never predict anything, and I never will. (Paul Gascoigne)

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  • Deinen Überlegungen stimme ich schon zu. Allerdings kann ich auch Lottes Argumente verstehen. Sie kann es sich finanziell nicht leisten, Jungs oder Männer an ihrer Schule abzuweisen. Deshalb sind ihre Gruppen gemischt.

    Artjum bringt wahrscheinlich eine klassische Ballettausbildung, wie sie in Russland üblich war, mit und fällt deshalb qualitativ aus dem Rahmen.

    Die GEDOK fördert Frauen in ihren künstlerischen Unternehmungen und da passt Lotte rein mit ihrer Schule und der dort entwickelten Choreografie für die Aufführung - zu der eben die gemischte Gruppe gehört.

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    Von den vielen Welten, [...] ist die Welt der Bücher die größte. (Hermann Hesse)


    :lesend MZB: Darkover-Universum

  • Das Ärgerliche ist ja: Die Konkurrenz zwischen Berta und Lotte ist überflüssig.
    Sie könnten an einem Strang ziehen und hätten dadurch beide mehr Erfolg, sind aber nicht dazu in der Lage, weil Lotte in Berta verliebt war und Berta da nicht mit umgehen konnte.

  • Das Ärgerliche ist ja: Die Konkurrenz zwischen Berta und Lotte ist überflüssig.
    Sie könnten an einem Strang ziehen und hätten dadurch beide mehr Erfolg, sind aber nicht dazu in der Lage, weil Lotte in Berta verliebt war und Berta da nicht mit umgehen konnte.

    Das ist Dreh- und Angelpunkt des Stückes. Von Berta als erwachsene und gestandene Frau mit Erfahrung hätte ich einfach mehr Fingerspitzengefühl, ja und auch mehr gefühlsmäßigen Abstand gegenüber Lottes Liebesleidenschaft erwartet. Ja, Dorothea ist da nüchterner, sagt Berta, wie sie richtigerweise reagieren hätte können und sollen, aber leider viel zu spät.

    Es ist eine verfahrene Situation, die eigentlich nur im griechischen Drama, mit dem Tod eines Beteiligten gelöst werden kann.

  • Das ist Dreh- und Angelpunkt des Stückes. Von Berta als erwachsene und gestandene Frau mit Erfahrung hätte ich einfach mehr Fingerspitzengefühl, ja und auch mehr gefühlsmäßigen Abstand gegenüber Lottes Liebesleidenschaft erwartet. Ja, Dorothea ist da nüchterner, sagt Berta, wie sie richtigerweise reagieren hätte können und sollen, aber leider viel zu spät.

    Es ist eine verfahrene Situation, die eigentlich nur im griechischen Drama, mit dem Tod eines Beteiligten gelöst werden kann.

    Ich hoffe auf ein besseres Ende. Aber wer weiß, wir gehen in der Geschichte ja ohnehin düsteren Zeiten entgegen...

  • Auch wenn ich jetzt nicht mehr einzeln auf einige Fragen eingehe, heißt das nicht, dass ich weg bin. Ich lese hier weiterhin sehr aufmerksam mit und freue mich über die Auseinandersetzungen. Vielleicht kann manfrau sich manche Fragen noch für hinterher aufheben. Es wäre kontraproduktiv, würde ich jetzt schon etwas dazu sagen, während die Geschichte noch nicht zu Ende ist...

  • Das ist Dreh- und Angelpunkt des Stückes. Von Berta als erwachsene und gestandene Frau mit Erfahrung hätte ich einfach mehr Fingerspitzengefühl, ja und auch mehr gefühlsmäßigen Abstand gegenüber Lottes Liebesleidenschaft erwartet. Ja, Dorothea ist da nüchterner, sagt Berta, wie sie richtigerweise reagieren hätte können und sollen, aber leider viel zu spät.

    Dorothea hat aus meiner Sicht durchaus einiges zur Situation beigetragen. Es dürften vor allem ihre Zweifel gewesen sein, die dazu geführt haben, dass Berta gegenüber Lotte reserviert war, ihr nie gesagt hat, was sie in ihr sieht. Berta wäre womöglich mit Lotte offener umgegangen, wenn Dorothea nicht immer so große Zweifel an Lotte gehabt hätte.
    Und tatsächlich war es ja Berta, die Recht hatte: Lotte hat Durchsetzungsvermögen und unternehmerisches Denken. Sie hat das, was Berta unter dem Begriff Haltung subsumiert.


    Hätte Dorothea nicht immer dagegen gehalten, Lotte als Nachfolgerin wäre vermutlich zu einer selbsterfüllenden Prophezeiung geworden. Vielleicht spielte doch auch eine gewisse Rivalität mit rein? Vielleicht kam Dorothea nicht wirklich gut damit zurecht, dass Berta so vieles von sich selbst in Lotte sah?

    Die Situation mit der Brosche hier: Dorothea hätte die Möglichkeit gehabt auf Lotte zuzugehen, ihr die Brosche anzubieten und damit den Bruch zwischen Berta und Lotte kleiner zu machen. Sie hat sich für das Gegenteil entschieden. Sie könnte vermitteln, wenn sie wollte. Sie will aber nicht.