Kurzbeschreibung (Quelle: Amazon)
Es ist nie zu spät, einem toten Kind Gerechtigkeit widerfahren zu lassen ... Eine junge Frau ist spurlos verschwunden. Verzweifelt wenden sich ihre Großeltern an den pensionierten Kommissar Konráð, den sie von früher kennen. Sie wissen, dass ihre Enkelin Drogen geschmuggelt hat, und nun ist sie unauffindbar. Eigentlich hat Konráð mit seiner beruflichen Vergangenheit abgeschlossen und widmet sich vor allem seiner eigenen Familiengeschichte. Doch als er bei seinen Recherchen auf ein kleines Mädchen stößt, das vor Jahrzehnten im Reykjavíker Stadtsee Tjörnin ertrunken ist, will er die Wahrheit unbedingt ans Licht zu bringen. War der Tod des Mädchens wirklich nur ein tragischer Unfall? Und gibt es eine Verbindung zum Verschwinden der jungen Frau?
Autor (Quelle: Amazon)
Island ist hierzulande eher für Vulkane, stämmige Pferde und Feen bekannt als für seine Literatur. Als eine der wenigen Ausnahmen hat es der Autor Arnaldur Indriðason geschafft, auch im Ausland erfolgreich Fuß zu fassen. In seinen Romanen um Kommissar Erlendur ist das schroffe Island ein Ort des Schreckens. Autor Indriðason (*1961) hat mit diesen Krimis einige renommierte Preise eingeheimst, u. a. den „Gold Dagger Award“. Dabei war das erste Buch für den Journalisten und Filmkritiker Indriðason eigentlich nur „ein Versuch“. Da dieser so positiv ausfiel, verdient der Isländer seine Brötchen inzwischen als Autor. Er lebt mit seiner Familie in Reykjavik.
Allgemeines
Zweiter Band um den pensionierten Polzisten Konráð
Titel der Originalausgabe: „Stúlkan hjá brúnni“, ins Deutsche übersetzt von Anika Wolff
Erschienen am 28. August 2020 bei Lübbe als HC mit 384 Seiten
Gliederung: Roman in 63 Kapiteln
Erzählung in der dritten Person aus wechselnden Perspektiven
Handlungsort und -zeit: Reykjavík, um 2016
Inhalt
Im zweiten Band, in dem der pensionierte Polizist Konráð im Mittelpunkt der Handlung steht, ermittelt dieser in drei Fällen. Freunde seiner verstorbenen Frau Erna bitten ihn um Hilfe, als ihre zwanzigjährige Enkelin, die bei ihnen aufgewachsen ist, nicht mehr zu erreichen ist. Konráð, der noch Kontakt zur aktiv im Dienst befindlichen Kollegin Marta hat, unterstützt diese, doch leider können sie den bangenden Großeltern keine erfreulichen Ergebnisse liefern.
Außerdem versucht Konráð weiterhin – wie schon im vorherigen Band – den ungeklärten Todesumständen seines Vaters, der im Jahr 1961 erstochen wurde, nachzugehen. Zu diesem Zweck trifft er sich regelmäßig mit Eygló, der Tochter eines Mannes namens Engilbert, mit dem Konráðs Vater in zwielichtige Geschäfte verwickelt war. Bei diesen Recherchen stößt er nicht nur auf unangenehme Erkenntnisse über seinen Vater, sondern auch auf den ebenfalls ungeklärten Todesfall eines zwölfjährigen Mädchens namens Nanna, dessen Leiche 1961 im Reykjavíker Stadtsee gefunden wurde. Die Puppe des Mädchens sei, so zumindest die offizielle Theorie in den Akten, von der Brücke über den Tjörnin ins Wasser gefallen und das Mädchen habe wohl versucht, sie aus dem Wasser zu holen und sei dabei ertrunken. Aus diversen Gründen hegt Konráð Zweifel an der Unfalltheorie, doch er sieht sich Problemen gegenüber: Bei der Polizei interessiert man sich nicht für diese uralte Geschichte, die Beteiligten sind inzwischen verstorben oder hochbetagt und der Obduktionsbericht des Mädchens ist merkwürdigerweise aus dem Archiv verschwunden…
Beurteilung
Der Roman schließt mindestens in einem Handlungsstrang an den Vorgängerband „Verborgen im Gletscher“ an, deswegen ist es ratsam, diesen zuerst zu lesen. Die Handlung ist mit verschiedenen Handlungssträngen und Zeitebenen sehr komplex, es bedarf einer gewissen Konzentration, um den Überblick über alle Details zu behalten. Bedauerlicherweise sind die jeweiligen Kapitel nicht mit Zeitangaben betitelt, sodass man sich nicht immer sofort darüber im Klaren ist, ob die geschilderten Szenen sich in der Gegenwart oder einige Jahrzehnte zuvor abspielen.
Der Perspektivwechsel, verbunden mit einem für den Autor ungewöhnlich hohen Spannungspotenzial, sorgt jedoch auch dafür, dass die Lektüre extrem fesselnd ist und keine Längen empfunden werden. Die Handlung ist nicht nur sehr geschickt konstruiert, sondern wird auch rasanter als sonst präsentiert, manche Szenen erinnern an einen Thriller.
Konráð ist ein sehr sympathischer Mensch, der sich auch seiner Fehler bewusst ist, seine differenzierte Charakterdarstellung überzeugt in jeder Hinsicht. Mit seiner Bekannten Eygló, die das zweite Gesicht hat, kommt ein Hauch des Übernatürlichen ins Spiel, der dem Roman eine angenehme Würze verleiht.
Wie immer ist auch hier eine gewisse Gesellschaftskritik zu finden, indem ein leider zeitloses gesellschaftliches Problem thematisiert und angeprangert wird.
Eine Island-Karte im vorderen und ein Stadtplan von Reykjavík im hinteren Einband erleichtern dem Leser die geographische Orientierung.
Fazit
Ein inhaltlich komplexer und erzähltechnisch erstaunlich spannender Kriminalroman, dessen Lektüre Konzentration erfordert und fesselnde Unterhaltung bietet!
9 Punkte