Meine dunkle Vanessa - Mary Elizabeth Russell

  • Vanessa ist gerade fünfzehn, als sie das erste Mal mit ihrem Englisch-Lehrer schläft. Jacob Strane ist der einzige Mensch, der sie wirklich versteht. Und Vanessa ist sich sicher: Es ist Liebe. Alles geschieht mit ihrem Einverständnis. Fast zwanzig Jahre später wird Strane von einer anderen ehemaligen Schülerin wegen sexuellen Missbrauchs angezeigt. Taylor kontaktiert Vanessa und bittet sie um Unterstützung. Das zwingt Vanessa zu einer erbarmungslosen Entscheidung: Stillschweigen bewahren oder ihrer Beziehung zu Strane auf den Grund gehen. Doch kann es ihr wirklich gelingen, ihre eigene Geschichte umzudeuten – war auch sie nur Stranes Opfer?


    »Meine dunkle Vanessa« ist ein brillanter Roman über all die Widersprüche, die unsere Beziehungen prägen, ein Roman, der alle Gewissheiten erschüttert und uns spüren lässt, wie schwierig es ist, klare Grenzen zu ziehen. Verstörend und unvergesslich!



    Die Autorin


    Kate Elizabeth Russell wurde in Maine geboren und hat an der University of Kansas promoviert. Sie schreibt für verschiedene Magazine, und eine ihrer Erzählungen wurde für den renommierten Pushcart Preis nominiert. Ihr Debütroman »Meine dunkle Vanessa« stieg direkt nach Erscheinen in die Top Ten der New-York-Times-Bestsellerliste ein und wird von Kritikern wie Leserinnen heiß diskutiert. Das Buch erscheint in rund 25 Ländern. Kate Elizabeth Russell lebt in Madison, Wisconsin.






    „Meine dunkle Vanessa“ ist eines der ungewöhnlichsten Bücher, die ich je gelesen habe. Es ist düster, verstörend und erschreckend.


    Vanessa ist 15, als sie ihren Lehrer Jacob Strane trifft. Sie ist anders als die meisten anderen Mädchen. Sie ist gern allein und hat kein Bedürfnis nach Freunden. Wie jeder Teenager ist sie hungrig nach Aufmerksamkeit und ihr wachsendes Interesse an Männern ist für ein Mädchen in ihrem Alter ganz normal. Strane hingegen ist ein Pädophiler. Er mag junge Mädchen und er ist sehr gut darin, das Mädchen erkennen, das in seine Falle tappen wird. Er überschüttet Vanessa mit Komplimenten darüber, wie besonders, wie faszinierend ihre dunklere Seite ist, wie brillant sie ist und wie erwachsen. Er ist ein Meistermanipulator und er lässt Vanessa denken, dass sie die Kontrolle hat und dass sie immer nein sagen kann. Aber Vanessa unterwirft sich ihm gerne und sie ist naiv, obwohl sie sich selbst als klug und erwachsen bezeichnet. Sie ist besessen von Strane und diese Besessenheit wird niemals aufhören.


    Das Buch ist nicht leicht zu lesen und die Geschichte ist auch nicht leicht. Strane ist eine ekelerregende Figur. Er ist sehr manipulativ, aber Vanessa deutet an, das er auch eine andere Seite hat. Oder vielmehr will Vanessa es einfach glauben. Die Geschichte wird aus ihrer Sicht auf zwei Zeitebenen erzählt, sodass wir Strane nur durch ihre Augen sehen. Sie ist so verliebt und von ihm beeinflusst, dass sie ihn nicht gehen lassen kann. Bis zu ihrem 22. Lebensjahr gab es in ihrem Leben nie einen anderen Mann als ihn. Sie sehnt sich nach seiner Aufmerksamkeit, seiner Bewunderung und seiner Liebe, weil sie es nicht woanders bekommem hat und auch nie versuchte, es woanders zu bekommen. Sie möchte, dass ihre Geschichte eine Liebesgeschichte ist. Alles andere ist für sie undenkbar.


    Dieses Buch war eine unangenehme Lektüre. Es fiel mir schwer zu lesen, wie Vanessa auch als Erwachsene beschönigt, was ihr Lehrer
    ihr angetan hatte. Das Buch stellt aber auch die Frage, ob es unter Umständen möglich ist, dass Vanessa mit 15 Jahren vielleicht so reif war, dass sie wusste, was sie tat, und dass es in Ordnung war, mit einem 45-jährigen Mann zusammen zu sein. Natürlich ist es das nicht, aber Vanessa selbst möchte es so sehr glauben. Ich fand die Sexszenen sehr unangenehm und ich bin mir nicht sicher, ob ich verstanden habe, was Vanessa in Strane gesehen und gesucht hat. Vanessa weigert sich, sich als Opfer zu sehen, denn dann müsste sie ihre eigene Geschichte umdeuten. Dieser Punkt gab mir viel zu denken. Ich kann verstehen, dass sie sich nicht als Opfer sehen möchte und von ihrer Umgebung so angesehen werden will. Aber das macht es umso schwerer, denn genau das hat Strane aus ihr gemacht.


    Mein einziges Problem mit dem Buch war, dass es zu lang war und sehr langsam erzählt ist. Es zieht sich manchmal ein wenig hin, obwohl der Schreibstil sehr gut ist. Aber es wird zu detailliert erzählt, zu viel alltägliches Zeug und manchmal brachte ich die beiden Zeitebenen durcheinander. Ich habe fast zwei Wochen gebraucht, um dieses Buch zu beenden. Es fühlte sich ewig an, vor allem, da die Geschichte so unangenehm war und mir wie ein schwerer Kloß im Magen lag.


    Dieses Buch mag nicht jedem gefallen. Es ist auch keine Freude, es zu lesen. Mich hat es sehr beschäftigt.


    ASIN/ISBN: 3570104273

    Bilder

    • pasted-from-clipboard.png

    “Wer kleine Kinder und Hunde nicht mag, kann kein schlechter Mensch sein



    gif-2451.gif

  • Danke für deinen Eindruck Darcy . Ich habe schon sehr viel über das Buch gehört. Überwiegend positives, was den Schreibstil und die Geschichte betrifft. Aber auch einige Stimmen, die das Buch nicht gut verpackt haben, denen es nicht gefallen hat. Ich habe ein paar mal überlegt, ob ich es lesen soll (auch als das ebook im Angebot war) Irgendwas hat mich abgehalten es zu kaufen und zu lesen.

    Nachdem ich jetzt deine Meinung gelesen haben, weiß ich, dass mein Gefühl richtig war. Es ist nicht für mich. Du hast einiges beschrieben, was mir auch schwer im Magen liegen würde.

    Ich lass es lieber.

    Es geht uns mit den Büchern wie mit den Menschen. Wir machen zwar viele Bekanntschaften, aber wenige erwählen wir zu unseren Freunden, unseren vertrauten Lebensgefährten.
    Ludwig Feuerbach (1804-1872)

  • Die Geschichte wird abwechselnd aus der damaligen und jetzigen Zeit von Vanessa selbst wiedergegeben und beginnt in medias res, also erlebt der Leser unmittelbar das, was die Figuren der Erzählung erleben. Dieses Buch war wirklich harte Kost Als ich vor einigen Wochen den Klappentext gelesen habe wusste ich, dass dieser Roman ein sensibles und explosives Thema anspricht und habe gezögert. Gezögert, weil ich nicht wusste, ob mir das Thema nicht zu heikel ist. Und dann wurde mir klar, wie falsch ich liege. Missbrauch ist ein wichtiges Thema. Das war es schon immer. Kate Elizabeth Russell dringt zu dem Leser hindurch und erzählt Vanessas Geschichte schonungslos ehrlich und authentisch.


    Immer weiter entwickelte sich die Beziehung zwischen Vanessa und ihrem Lehrer, bis es kein zurück mehr gab. Die Sichtweise von der 15-jährigen Vanessa wird zudem realistisch erzählt und bietet dem Leser ein wirklich tiefes Vorstellungsvermögen der Umstände; ein jugendliches Mädchen verliebt sich in ihren Lehrer und spricht von der großen Liebe. Und er sich in sie, jedenfalls denkt Vanessa das. Das da so einiges nicht stimmt fällt dem Leser direkt auf. Bei mir persönlich wurde der Beschützerinstinkt ruckartig geweckt und ich habe bei manchen Szenen erstmal Luft holen müssen.


    Der zum Teil spannende, verstörende und authentische Schreibstil hat perfekt zu dem Inhalt gepasst. Er war ruhig und stürmisch zugleich.


    Fazit: Aufgrund der oben genannten Gründe ist der Roman „Meine dunkle Vanessa“ eine Leseempfehlung meinerseits. Für mich ist „Meine dunkle Vanessa“ ein Must Read und somit eine klare Leseempfehlung. Trotzdem möchte ich auch hier nochmal eine Triggerwarnung aussprechen. Denn obwohl man glauben könnte man sei bereit für dieses Buch, geht es schon sehr unter die Haut.

  • Kate Elizabeth Russell: Meine dunkle Vanessa. Roman. OT: My Dark Vanessa, aus dem Englischen von Ulrike Thiesmeyer, München 2020 bzw. 2022, C. Bertelsmann bzw. Penguin, beides Imprints von Random House, Hardcover mit Schutzumschlag: ISBN 978-3-570-10427-9, 448 Seiten, Format: 14,7 x 4,1 x 22,1 cm, Taschenbuch: 978-3-328-10898-6, 448 Seiten, Format: 12,2 x 3 x 18,3 cm, EUR 13,00, Kindle: EUR 9,99.


    >>> Hier halte ich es erstmals für angebracht, eine Triggerwarnung auszusprechen: Menschen mit Missbrauchserfahrung tut dieser Roman womöglich nicht gut. Das kann natürlich jede:r selbst entscheiden. Ich wollte es nur gesagt haben. <<<


    „Es muss eine Liebesgeschichte sein, darauf kann ich nicht verzichten. Verstehen Sie? Das ist ganz, ganz wichtig für mich.“
    „Ich weiß.“ […]
    „Es ist mein Leben“, sage ich. „Das ist mein ganzes Leben gewesen.“
    (Seite 384/385)


    Portland, Maine 2017: Vanessa Wye, 32, arbeitet als Concierge in einem Luxushotel und erzählt uns aus ihrem Leben. Besser gesagt: Sie schildert uns ihre Interpretation davon. Ich-Erzähler sind ja nicht immer objektiv. Ob sie tatsächlich so abgebrüht, schlau und verkorkst ist, wie sie sich darstellt, werden wir noch sehen.


    Englisch-Lehrer unter Verdacht


    Der Anlass für ihre Rückschau: Sie hat gerade erfahren, dass ihr ehemaliger Englischlehrer Jacob Strane (59) von fünf ehemaligen Schülerinnen der se*uellen Übergriffe bezichtigt wird.

    Nun sind alle möglichen Leute hinter Vanessa her und wollen, dass sie ebenfalls eine Aussage macht. Denn schon im Jahr 2000 war das Gerücht im Umlauf, dass sie ein Verhältnis mit genau diesem Lehrer hätte.


    Vanessa, die immer noch in Kontakt mit Jacob Strane steht, fragt ihn, was an den Vorwürfen dran ist. Er beschwichtigt sie. Ach, was, alles nur Missverständnisse! Sie glaubt ihm nur zu gern, wie sie ihm schon damals nur zu gern geglaubt hat: dass sie seine Lieblingsschülerin sei, etwas ganz Besonderes, so begabt, so erwachsen, seine Seelenverwandte, seine große Liebe … blablabla.


    Liebe oder Missbrauch?


    Mit solchen Sprüchen hat er sie eingewickelt, als sie 15 war und er 42. Und sie, die etwas nerdige Eigenbrötlerin, die sich nach Aufmerksamkeit und Liebe gesehnt hat, hat sich wertgeschätzt und geschmeichelt gefühlt und sich mit Feuereifer in diese Affäre gestürzt. Bis heute glaubt sie, dass das Liebe war und kein Missbrauchsverhältnis. Nein, sie ist kein Opfer, sie hat geliebt und ist geliebt worden. Sie wollte das alles ebenso wie er und hat freiwillig mitgemacht.


    Wirklich? Dass sie das so sehen möchte, ist nachvollziehbar. Sie hat jahrelang in diese Beziehung investiert, hat vieles geopfert und verloren. Da will sie nicht auch noch hören, dass sie benutzt und verar***t worden ist! Doch wenn sie beschreibt, wie sie damals ein Paar geworden sind, sieht man als erwachsene Leserin sehr deutlich, wie der Kerl die Kleine nach allen Regeln der Kunst manipuliert.



    Alles freiwillig. Wirklich?


    Das junge Mädchen ist fasziniert davon, dass ein erwachsener Mann und erfahrener Liebhaber sie liebt und begehrt. Die Tricks, mit denen er sie ins Bett kriegt, durchschaut sie nicht. Den Leserinnen ist dagegen klar: Der Teenager fühlt sich nicht bereit, sondern überrumpelt, genötigt und verpflichtet.


    Wird Vanessa zu seiner Demaskierung beitragen? Dazu müsste sie erst einmal erkennen (wollen), dass sie nicht Stranes große und einzige Liebe war, sondern nur die erste in einer langen Reihe missbrauchter Schulmädchen.


    Alte Unterlagen tauchen auf …


    Wenn Vanessa das klar würde, hätte sie womöglich eine Chance, mit der Geschichte abzuschließen und ein „normales“ Leben zu führen. Therapeutin Ruby gibt sich alle Mühe, doch Vanessa klammert sich eisern an ihre verzerrte Wahrnehmung. Dann tauchen 17 Jahre alte Unterlagen auf, die Jacob Strane selbst in Vanessas Augen in einem anderen Licht erscheinen lassen müssten …


    Ich habe vor ein paar Jahren Jennifer Fox‘ verstörenden Film THE TALE gesehen und gedacht, dieses Buch sei vielleicht die literarische Vorlage dazu. Ist es nicht, aber die Geschichten ähneln sich. Im Film und in diesem Roman geht es darum, wie sehr ein Missbrauchsopfer verinnerlicht, was ihm der Täter eingeredet hat – und wie schwer es ist, sich davon wieder zu lösen. Auch nach vielen Jahren noch.


    Selbst wenn man die Heldin nicht unbedingt ins Herz schließt, wünscht man ihr doch, dass es ihr gelingen möge, die Ereignisse aus ihrer Vergangenheit aus einer anderen Perspektive zu sehen. Und dass es in der Realität undenkbar wäre, dass man einen Mann wie Jacob Strane 20 Jahre lang unbehelligt gewähren lässt, das wünscht man sich auch. Aber ich fürchte, sowas gibt es öfter, als uns allen lieb ist. Für einen Unterhaltungsroman ist das ziemlich starker Tobak.


    Die Autorin


    Kate Elizabeth Russell wurde in Maine geboren und hat an der University of Kansas promoviert. Sie schreibt für verschiedene Magazine, und eine ihrer Erzählungen wurde für den renommierten Pushcart Preis nominiert. Ihr Debütroman »Meine dunkle Vanessa« ist ein internationaler Bestseller und stand auch in Deutschland auf der SPIEGEL-Bestsellerliste. Das Buch ist in rund 25 Ländern erschienen. Kate Elizabeth Russell lebt in Madison, Wisconsin.


    Die Übersetzerin


    Ulrike Thiesmeyer, 1967 geboren, studierte Literatur-Übersetzen in Düsseldorf, wo sie auch bis heute lebt. Sie hat zahlreiche Romane wie Sachbücher aus dem Englischen und Französischen ins Deutsche übertragen. Zu den von ihr übersetzten Autoren gehören u. a. William Boyd, Raymond Khoury, Ann Patchett, Kamila Shamsie und Joanna Trollope.


    ASIN/ISBN: 332810898X

    Und was die Autofahrer denken,
    das würd’ die Marder furchtbar kränken.
    Ingo Baumgartner