Und das gleichfalls im Beitrag genannte Beispiel mit den kostenlosen Urinalen (die man allerdings mit der Lupe suchen muss, denn meistens gibt es diese Unterscheidung überhaupt nicht) für Männer, denen kostenpflichtige Toiletten für Frauen gegenüberstehen, fällt auch an der Stelle, wo ein Mann zum Kacken geht, in sich zusammen. Aber es ist absolut nötig, darauf hinzuweisen, dass unsere Welt an vielen Stellen Mikroungerechtigkeiten in sich trägt, und wenn jeder irgendwo auf eine, die echt ist und wirklich Folgen hat, hinweist, dann ist schon etwas erreicht - und dann auch mehr als nur Selbstdarstellung.
Wir leben ohne jeden Zweifel immer noch in einer u.a. geschlechterungerechten Welt, aber wir leben in einer sehr, sehr viel geschlechtergerechteren Welt bzw. Republik als noch unsere Eltern. Das Gender-Pay-Gap wird jedes Jahr kleiner, die allseitige Anerkennung wächst, wir sind auf einem wirklich guten Weg. Wir begegnen aber auch tradiertem Verhalten, wir begegnen bewusst angenommenem Rollendasein, wir begegnen Menschen und müssen mit ihnen umgehen, weil sie die gleichen Rechte wie alle anderen haben, die unter Gleichbehandlung nicht absolute Gleichheit verstehen. Es ist falsch, finde ich, einem Diskurs dadurch die Beine wegzuschlagen, indem man wütende Sexismus- und Misogynievorwürfe dorthin vor sich herträgt, wo längst keiner mehr ist, der ihnen begegnen könnte. Diese Sicht, die diesem Buch zugrundeliegt, ähnelt, was ihre Argumentationsbasis anbetrifft, der CRT, der Critical Race Theory, die in fundamentaler, fast schon extremistischer Weise einfach alle nichtbunten Menschen als Rassisten klassifiziert und ihnen zugleich das Recht abspricht, an irgendwelchen Debatten teilzunehmen, noch die Fähigkeit zubilligt, irgendwas zu hinterfragen oder sich gar zu ändern. Das ist meines Erachtens ein in krasser Weise falscher Weg. Und es soll ja auch keiner sein. Dieser Weg soll die eine Dominanz durch eine andere ersetzen.
Also, die kostenlosen Urinale für Männer wären nun auch mir völlig gleichgültig
Mit dem Gender-Pay-Gap hast du so, wie du es formuliert hast, recht.
Allerdings ist die Lohnlücke in Deutschland eine der höchsten (die höchste?) in Europa. Mit vertrauenswürdigen Zahlen kann ich nicht dienen. In diesem Punkt genügt es mir inzwischen einfach nicht mehr, auf einem guten Weg zu sein.
Ich hoffe, du meinst nicht (auch) mich, mit den "wütenden Sexismusvorwürfen". Es ist jedenfalls definitiv nicht meine Absicht, dem Diskurs die Beine wegzuschlagen. Ich habe nur zu der von dir gestellten Frage eine andere Meinung als du. Damit kann ich gut leben