Gendern - notwendig oder nervig?

  • Die schönste gendergerechte Sprache nützt mir nichts, wenn es in der ganzen Firma eine einzige weibliche Führungskraft gibt (und die ist für die Sekretariate zuständig). Solange das in Deutschland der Normalfall ist bin ich großer Fan von "Taten sagen mehr als 1000 Worte". Und ich glaube auch nicht daran, dass Sprache hier viel ändern wird. Das ist ein Werkzeug von vielen und nicht das effektivste...


    Die ganzen Vokabeln im LGBTQ Umfeld (meine Tochter - ich darf Tochter sagen, hab sie gefragt - kriegt immer zuviel wenn ich das deutsch ElGeBeTeKuh ausspreche) sind sowieso ein Minenfeld. Ally musste ich auch erst mal googeln. Muss da immer an Ally McBeal denken...

    “You can find magic wherever you look. Sit back and relax all you need is a book." ― Dr. Seuss

  • Ich habe den Eindruck, dass die Medien Schwierigkeiten haben mit der Geschwindigkeit des derzeitigen gesellschaftlichen Wandels überhaupt Schritt zu halten, sie bilden meist die Vergangenheit ab.

    Also ich breche hier mal eine Lanze für "meine" öffentlich-rechtlichen Arbeitgeber. Wir leben keineswegs in der Vergangenheit bei solchen Themen, diskutieren und reflektieren die gesellschaftlichen Veränderungen durchaus und aktuell. Aber anders als Privatsender, die sich jeder gesellschaftlichen Strömung nach gut Dünken hingeben können - bzw. nur den Werbekunden Rechenschaft ablegen müssen - und nicht in strenge und kontrollierte Regularien eines Staatsvertrages gezwungen sind, müssen wir immer abwägen, welche Veränderungen - auch der Sprache und ihres Einsatzes als "Werkzeug" - wir in unseren Programmen in welcher Form widerspiegeln oder einsetzen wollen und dürfen. Der Gebrauch des *IN einiger ModeratorINNen stößt tatsächlich bei der Mehrheit der Zuseher/Zuhörer eher auf Ablehnung. Wobei dies sicher nicht explizit an der damit getroffenen Aussage "Für das Gendern" liegt sondern eben an den von Tom so eloquent dargebrachten anderen Gründen.( Ich führe die hier mal nicht alle wieder auf. ) Ich für meinen Teil denke (und weiß), dass gerade die öffentlich-rechtlichen sehr empfindsam und aufmerksam und fürsorglich mit Themen wie Gendern, Gleichberechtigung und Diskriminierung umgehen und sich auf vielfältige Weise darum bemühen, diese Themen den Menschen näher zu bringen und auch für Minderheiten, Randgruppen und alle anderen ein Sprachrohr zu sein. (Dazu sind wir u.a. auch im Rundfunkstaatsvertrag verpflichtet.) Wir sind aber trotz allem dazu verpflichtet, möglichst neutral und informativ zu berichten und keine Stellung zu beziehen (außer in persönlichen Kommentaren).


    Ich lese hier als Mäuschen eigentich nur still mit, da ich nicht wage, mich mit euch anderen in diesem Thema adäquat zu messen. Ich bin total begeistert über eure Diskussion (auch wenn ich nicht alles verstehe. :)):anbet

    Hollundergrüße :wave



    :lesend


    Heumahd - Susanne Betz


    (Die Freiheit des Menschen liegt nicht darin,

    daß er tun kann, was er will,

    sondern daß er nicht tun muß,

    was er nicht will - Jean Rousseau)

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  • Zunächst @Gogool möchte ich mich Dir gegenüber nochmal für die falsche Verwendung von ally entschuldigen. Ich habe meinen Kommentar zu schnell herausgehauen, hatte ja schon den Verdacht, dass es ein feststehender Begriff sein könnte, ich hätte es wirklich vorher googlen können. Ich verstehe, warum Du ihn als provozierend empfunden hast.

    Mir ist zu diesem ganzen Komplex folgendes eingefallen:
    Wir bekamen mal in einer Matheübung die Aufgabe eine Aussage zu beweisen oder zu widerlegen. Die meisten von uns haben es bewiesen, in der darauffolgenden Übung eine Woche später wurde uns ein Gegenbeispiel präsentiert.

    Einer meiner Kommilitonen bekam eine Woche später die gleiche Aufgabe in einer Physik-Übung gestellt mit der Aufforderung sie zu beweisen. In der Übung wurde von dem Übungsleiter der Beweis an die Tafel geschrieben. Er meldete sich dann und meinte, er könnte das Ganze widerlegen und durfte dann das Gegenbeispiel anschreiben. In Kontext dieser Physikvorlesung wurde dann gesagt, das Gegenbeispiel wäre ein theoretisches Beispiel, das in der Realität nicht vorkommt.

    Der Blickwinkel führt zu einer Realität. Die Realität ist aber lediglich ein Modell, ein Abbild der Wirklichkeit unter einem bestimmten Blickwinkel.

    Die Sicht von Morgan - wie ich sie verstehe - ist:
    Wenn es darum geht, welches Geschlecht ein Transgender hat, spannt sich die Wirklichkeit zwischen 2 Realitäten auf. Die eine ist vom Körper bestimmt, die andere vom Geist. Keine von beiden ist weniger real als die andere. Und beides ist nur eine schlechte Beschreibung der Wirklichkeit.

    Steht ein Körper mit männlichen Geschlechtsorganen in einem Frauenumkleideraum, dann tritt die körperliche Realität stark in den Vordergrund.
    In einem anderen Kontext, z.B. die Person in dem von mir verlinkten Beitrag in der BBC-Debatte, tritt der Geist in den Vordergrund, zumal der Geist in diesem Bild auch durch männliche optische Merkmale unterstützt wird. Und man sieht, wie peinlich es Madeleine Kearns ist, diesen Menschen eine Frau zu nennen.

    In Morgans 'Altered Carbon' sind Körper und Geist für viele Menschen zufällig zusammengewürfelt. Menschen müssen ggfls. ihren Körper abgeben und bekommen später einen anderen dafür zurück. Es ist möglich, dass eine junge schwarze Frau als alter weißer Mann in ihre Familie zurückkommt.
    Homosexuelle und Transgender sind explizit inkludierter Teil seiner Welt. Er versucht sehr explizit diskriminierte Personen außerhalb seiner eigenen Gruppierung (weißer, atheistischer Engländer) zu inkludieren und gleichzustellen und macht das auf sehr fordernde und intelligente Weise.

    Ich schreibe im folgenden 'seine Sicht', obwohl es natürlich meine Interpretation seiner Sicht ist. Aber es ist schon kompliziert genug.

    Seine Sicht ist die Körperlichkeit zu überwinden und dahinter zu schauen.

    Und seine Sicht ist gleichzeitig, dass der Mensch dazu nicht in der Lage ist, weil er zu starken körperlichen Trieben und tiefen Instinkten unterworfen ist und diese Körperlichkeit und Instinkte immer wieder zu neuen Problemen führen.
    Seine Sicht ist auch, dass Menschen in Frauenkörpern von Menschen in Männerkörpern durch diese körperlichen Triebe und Instinkte - ich sage es euphemistisch - in schwierige Situationen gebracht werden. Und das Menschen in Frauenkörpern davor geschützt werden müssen.
    (Er sagt übrigens auf seinem Blog explizit, dass Menschen in Männerkörpern aus seiner Sicht diesen Schutzraum nicht brauchen, er beschränkt das Problem auf den Schutzraum von Menschen in Frauenkörpern).

    Die Beispiele, die er anekdotisch in seinem Blog aufführt, sind für ihn Beispiele von Menschen in Männerkörpern, die in den Schutzraum von Menschen in Frauenkörpern eindringen.

    Das große Missverständnis, dass sich zwischen ihm und der Szene aufspannt: In 'Altered Carbon' bietet die Technologie die Möglichkeit den Körper frei zu wechseln. Lese ich auf Twitter nach, dann wird das von Transgender so interpretiert, dass sie sich ihren Körper aussuchen können.
    Tatsächlich steht diese Wahlmöglichkeit in 'Altered Carbon' aber nur den Allerreichsten zur Verfügung - einer Art Hightech-Vampir, der die Gesellschaft aussaugt - die normalen Menschen müssen mit dem zurechtkommen, was sie zufällig aufgedrückt bekommen. Er inkludiert tatsächlich Transgender, nicht Menschen, die einfach passend den Körper gewechselt haben.
    Genau deswegen ist seine Sicht, hinter die Fassade des Körpers zu schauen.

    Aus meiner Sicht führt die Verhärtung der Debatte dazu, dass Morgan auf seinem Blog sehr explizit die Beispiele von Menschen in Männerkörpern aufführt, die in Schutzräumen von Menschen in Frauenkörpern mit dem Label 'Ich bin eine Frau' eindringen. Er hätte besser darauf verzichtet, denn es ist verletzend, weil kaum jemand in der Lage ist, dieser Komplexität zu folgen.
    Es ist ein Beispiel dafür, wie die Debatte in einem Kontext von Shitstorms geführt wird und wie sie nicht geführt werden sollte.

    I never predict anything, and I never will. (Paul Gascoigne)

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  • Es ist ein Beispiel dafür, wie die Debatte in einem Kontext von Shitstorms geführt wird.

    Diese Art von Gespräch, das wir hier gerade führen, wäre übrigens bei Verwendung der sozialen Medien als Plattform nicht mehr praktikabel. Schon nach zwei, drei Beiträgen hätte sich eine wütende, hochemotionale, ausufernde und beleidigungsreiche Ablehnungs-Zustimmungs-Dynamik entwickelt, die nicht mehr unter Kontrolle zu bringen gewesen wäre. Die Anerkenntnis dieser Dynamik fließt inzwischen in viele Kampagnen, die dort stattfinden, bereits im Vorfeld ein. Diese Dynamik ist aber auch (leider) längst in den Diskurs eingeflossen, und bestimmt inzwischen, und hier wird es tragisch, auch den Umgang mit Personen. An dieser Stelle spätestens verlieren die sozialen Medien und ihre Anwender eigentlich das Recht auf das Adjektiv, das in der Bezeichnung vorkommt.

  • An dieser Stelle spätestens verlieren die sozialen Medien und ihre Anwender eigentlich das Recht auf das Adjektiv, das in der Bezeichnung vorkommt.

    Nimm die Definition des Begriffs sozial in der Soziologie und das Adjektiv passt wunderbar. Leider spiegelt diese Diskussionskultur unsere Gesellschaft.

    Aber wir können ja zusammen auf die umgangssprachliche Definition hinarbeiten.

  • Zum Thema kam ein Beitrag in nano auf 3sat.


    Meine Überlegung war hier, ob es nicht vielleicht besser ist, wenn das Gehirn mehr gefordert ist. Vielleicht sollten wir bewusster mit Sprache umgehen und automatisches Bewerten hinterfragen :gruebel

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    Von den vielen Welten, [...] ist die Welt der Bücher die größte. (Hermann Hesse)


    :lesend U. T. Bareiss: Green Lies - Tödliche Ernte

  • Ja. Das ist wichtig, um zu lernen, wie es Menschen geht, die sich in dieser Situation, in diesem Leben befinden.


    Allein, ob es Anlass sein sollte, das er- und gelebte, biologische oder nichtbiologische, für das Selbstverständnis relevante Geschlecht aus der Gesellschaft zu tilgen, ist wirklich fraglich (also wie es die Schotten beispielsweise gerade planen). Wir leben in Mehrheitsstrukturen, weil man sich in vielen Bereichen einfach auf Kompromisse einlassen muss, um das Miteinander überhaupt organisiert zu bekommen. Es ist sehr bedauerlich (und im Einzelfall wahrscheinlich auch sehr tragisch), wenn sich Menschen ausgeschlossen fühlen, die sich hier nicht abgebildet sehen, während für die überwältigende Mehrheit der Menschen z.B. das Geschlecht ein äußerst relevanter Bestandteil der Identität ist. Genau so, wie es bei einigen Menschen mit der nichtbinären Zugehörigkeit bestellt ist. Ich empfinde es als ein wenig haarsträubend, von fast allen zu verlangen, im Umgang, im Alltag, in der Selbstfindung etwas zu verleugnen, dem sich wenige nicht zugehörig fühlen. Es muss da einen anderen Weg geben als die keineswegs erst am Ende der Gedankenkette stehenden Strafanzeigen gegen Menschen, die jemanden mit "Herr" oder "Frau" ansprechen, der das anders sieht. Die Mitarbeiter in den Matrikelbüros einiger Universitäten riskieren bereits Abmahnungen, wenn sie Menschen mit geschlechterbezogenen Anreden ansprechen, die das nicht wünschen.


    Wir leben in christlich geprägten, kapitalistischen Konsumgesellschaften, es haben sich soziale und kulturelle Formen ausgebildet und entwickelt, ästhetische Konzepte, gestalterische Komponenten, mit denen wir uns umgeben, die wir verwenden, um zu kommunizieren, unsere Räume zu gestalten, und vieles mehr. An jeder zweiten Straßenecke steht ein Sakralbau, aus dessen Turm am Sonntagvormittag Gebimmel ertönt, und ich stelle mir vor, ein Atheist zu sein, dem es jedes Mal eiskalt den Rücken herunterläuft, wenn er daran erinnert wird, dass hierzulande immer noch ein sehr, sehr großer Teil der Gesellschaft glaubt, von einem Gotteswesen regiert zu werden, dem es irgendwie gefällt, sonntags gegen elf windschief angesungen zu werden. Allein, ich muss damit leben, und ich habe mich damit arrangiert. Ich empfinde das nicht als persönliche Attacke oder Verletzungsversuch, sondern es erinnert mich daran, dass nicht alle sind wie ich, und dass wir es trotzdem schaffen, miteinander zurechtzukommen.


    Insofern. Unser Umgang hat noch jede Menge Luft nach oben, wir müssen möglicherweise duldsamer, achtsamer, empathischer sein, uns durchaus regelmäßig auf Vorurteile und tradiertes Verhalten prüfen, und im Blick behalten, wie verletzend vielleicht ist, was wir - huhu, Breumel - aus Gedankenlosigkeit tun. Aber. Es wird kein Konzept für ein Zusammenleben geben, das darauf basiert, es allen recht zu machen und jedwede gefühlte Geringschätzung zu vermeiden. Das ist technisch, logistisch, strukturell, intellektuell und zeitlich unmöglich. Einfacher und viel praktikabler ist es, einander im Umgang, wo vorhanden, Respekt zu zollen, und nicht als Angriff oder Diskriminierung misszuverstehen, was schlicht der Vereinfachung des Umgangs dient.

  • Insofern. Unser Umgang hat noch jede Menge Luft nach oben, wir müssen möglicherweise duldsamer, achtsamer, empathischer sein, uns durchaus regelmäßig auf Vorurteile und tradiertes Verhalten prüfen, und im Blick behalten, wie verletzend vielleicht ist, was wir - huhu, Breumel - aus Gedankenlosigkeit tun. Aber. Es wird kein Konzept für ein Zusammenleben geben, das darauf basiert, es allen recht zu machen und jedwede gefühlte Geringschätzung zu vermeiden. Das ist technisch, logistisch, strukturell, intellektuell und zeitlich unmöglich. Einfacher und viel praktikabler ist es, einander im Umgang, wo vorhanden, Respekt zu zollen, und nicht als Angriff oder Diskriminierung misszuverstehen, was schlicht der Vereinfachung des Umgangs dient.

    Bravo! Besser kann man es nicht sagen.

  • Besser kann man es nicht sagen.

    Danke.


    Aber vor dem Hintergrund der Art und Weise, wie und mit welchen Mitteln diese Auseinandersetzung geführt wird, ist das tatsächlich - und ich sage das nicht gerne von mir selbst - ein eher naiver Ansatz. Ich betone es noch einmal: Es finden Vernichtungsfeldzüge gegen Leute - bevorzugt, aber nicht nur Prominente - statt, die sich in der eigenen Darstellung, in Werk und Öffentlichkeitsarbeit all dem - auch nur teilweise - verweigern, das man als "politisch korrektes Verhalten" zusammenfassen kann. Wie gesagt, es gibt keinen Diskurs mehr. Es gibt die Anspruchshaltung, über das korrekte Denkmodell für die Gestaltung des Umgangs zu kennen, und damit verbunden den unbedingten Willen, es allen aufzuzwingen. Wer nicht folgt, bei wem Fehler gefunden werden, der wird fertiggemacht. Kultur und Unterhaltungsindustrie sind in Schockstarre, es herrscht ein Klima der Übervorsichtigkeit und der vorauseilenden Ausgrenzung, der Denunziation und Unterstellung. Es wird lieber jemand geopfert als das Risiko eingegangen, sich (auch langfristig) der falschen Person oder Haltung gegenüber solidarisch zu zeigen. Was wir davon erleben und mitbekommen, ist nur ein Teil des Geschehens. Es werden nicht nur öffentlichkeitswirksam Auftritte gecancelt oder langjährige Verbindungen gelöst. Unter der Haube geschieht ein Vielfaches dessen. Ausgelöst durch Druck und Kampagnen, denen man sich in den Verlagen, Sendern, Produktionsfirmen sofort beugt, um nicht zu riskieren, als der in irgendeiner Weise -istische Verlag, als die vermeintlich misogyne Produktionsfirma dazustehen. Anruf oder Shitstormankündigung genügen, schon wird eingestampft.


    Und weil das absichtlich geschieht oder wenigstens wohlwollend in Kauf genommen wird, glaube ich auch vielen Protagonisten dieser Kampagnen ihre ach so menschlichen Grundsätze nicht, halte sie vorgeschoben, für Attitüde. Wer einerseits so agiert, kann nicht andererseits bzw. zugleich guten Gewissens für irgendwelche Rechte eintreten.

  • Aber vor dem Hintergrund der Art und Weise, wie und mit welchen Mitteln diese Auseinandersetzung geführt wird, ist das tatsächlich - und ich sage das nicht gerne von mir selbst - ein eher naiver Ansatz.

    Ich fühle mich dem Thema gegenüber ohnmächtig. Was ich beobachte ist ein emsiges Verteilen von Labeln um Menschen mundtot zu machen und ich bin mir sicher, dass das vollkommen falsch ist. Bei jedem dieser Label kann man nicht dagegen argumentieren, ohne es ebenfalls aufgedrückt zu bekommen. Und die Label stehen dabei unter dem gleichen Oberbegriff: 'Misogynes Arschloch'.

    Ich habe nach einem Artikel gesucht, der die Gegenposition zu Richard Morgans Blog einnimmt (dem ich nach wie vor vertraue):


    Tagesspiegel: Besorgte Feministinnen

    Ich selbst möchte mich weder dem einen noch dem anderen Lager zuordnen. Ich habe aber den Eindruck, dass es in dem Kontext äußerst schwierig ist sich zu äußern, ohne das tun zu müssen.

    Mir persönlich ist es vollkommen egal, ob Transgender-Menschen in Gemeinschaftsduschen duschen. Ich kann mir aber vorstellen, dass von sexueller Gewalt traumatisierte Frauen ein echtes Problem damit haben, Männerkörper in der Frauen-Gemeinschaftsdusche zu sehen. Und das es ein in Zahlen gesehen recht häufiges Problem ist.
    Ich hätte es gerne, dass die Betroffenen das unter sich klären, mit Respekt voreinander. Habe aber nicht den Eindruck, dass das möglich ist. Der öffentliche Diskurs wird mit Labeln unterdrückt.

    Differenzierungen scheinen nicht möglich zu sein.
    Und das scheint für immer mehr Themen zu gelten.

    Die Welt wird in Gut und Böse aufgeteilt, in Like und Block.

    I never predict anything, and I never will. (Paul Gascoigne)

    Dieser Beitrag wurde bereits 1 Mal editiert, zuletzt von Maarten ()

  • Danke Maarten für diesen Link, der die Problematik auch gut zusammenfasst.


    Ich erinnere mich nur an verschiedene Vorkommen, die ich mitbekommen habe als ich vor 20 - 30 Jahren in der Schwulenszene unterwegs war. Wie unterschiedlich dort die einzelnen schwulen Männer auf mehr oder weniger tuntiges Gehabe ihrer Vereinsmitglieder und anderer Homosexuellen reagiert und sich selber in ihren weiblichen Gefühlslagen bewertet haben. Meist war das eher spielerisch oder absichtlich übertrieben, manchmal aber auch gehässig oder distanzierend. Sich selber oder gegenseitig Mädchennamen zu geben war noch harmlos. Viele haben sich in Alkohol oder andere Drogen geflüchtet oder sind mit ihrer Identität kaum zurecht gekommen. Suizide und Selbstmordversuche gab es genauso wie Gewalt von Homophoben. Was als Schutzraum und Hilfeverein gedacht war konnte sich für einzelne negativ auswirken.

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    :lesend U. T. Bareiss: Green Lies - Tödliche Ernte

  • Es gibt da eine große Unerbittlichkeit, innerhalb der Communities, aber auch nach außen. Mein ewigbester Freund, der schwul war und im Jahr 2001 an den Folgen einer HIV-Infektion gestorben ist, wurde regelmäßig angefeindet, weil er sich nicht in der/einer Community für Lesben- und Schwulenrechte engagieren wollte, und als er auf wiederholte Versuche, ihn dazu zu verpflichten, etwas sagte wie "Wir haben nur gemeinsam, dass wir gerne Sex mit Männern haben, mehr nicht", wurde es richtig kritisch.


    Und dann die Begrifflichkeiten, die Labels, von denen Maarten sprach, und dieses Minenfeld, das die korrekte und vorübergehend diskriminierungsärmste Ausdrucksweise darstellt. Und dann kommt immer noch jemand und noch jemand, der es weiter feinregelt, und wenn Du nicht aufpasst, dann bist Du in der Gruppe oder in dieser, und während Dir Dein Twitteraccount längst um die Ohren fliegt, überlegst Du noch, was sich an Deiner Haltung geändert hat und warum es so wichtig ist, dass Du ja die ganz genau richtigen Worte findest und nicht auch nur eine Nuance danebenliegst. Als könne man einen Kampf alleine dadurch gewinnen, dass man die buntesten Boxhandschuhe trägt. Das ist im Ergebnis selbstzerstörerisch, aber es reißt überall Gräben auf.


    Und zum x-ten Mal. Gute Ziele, falscher Weg.

  • Und zum x-ten Mal. Gute Ziele, falscher Weg.


    Ich musste das 'Gefällt mir' zu Deinem letzten Kommentar zurücknehmen, Tom.

    Ich finde das immer schwierig mit diesem 'Gefällt mir'. Klar es ist gemeint als Bestätigung mit der geäußerten Ansicht übereinzustimmen, aber es ist mir zu dem Kommentar einfach zu daneben...

    Also 'Gefällt mir' zu obigem Zitat.

  • In dieser ganzen, sehr intelligent und erwachsen geführten Diskussion (vielen Dank dafür) geht mir ein wichtiger Aspekt ein wenig unter...

    Ich kann noch so viel an der Sprache variieren, **** Sternchen setzen, an alles ein In/Innen dransetzen...


    Wenn ich keinen Respekt vor dem Gegenüber habe, ist alles, was ich mit Sprache 'verziere', hinfällig.

  • Das stimmt schon auch Mariion , aber Sprache ist eben nicht nur zur Verzierung da, sondern grundlegend die Gemeinsamkeit unserer Verständigung. Die, die sie benutzen sollten wissen, was sie ausdrücken wollen sowie in welcher Weise das Gesagte beim Empfänger ankommt.

    Es ist noch gar nicht lange her, da sah ich ein * nur als Zeichen für den Hinweis auf eine Fußnote in einem Text. Dass sich die Bedeutung derart verändern könnte, hätte ich nicht gedacht.

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