Die Schatten und der Regen von Hakan Nesser

  • Gestern Abend habe ich "Die Schatten und der Regen" fertig gelesen und teile die Meinung, daß das Buch sehr viel mehr ist als ein klassischer Kriminalroman :fingerhoch .
    Krimi- und Psychothriller-Liebhaber werden das Buch wohl schnell wieder aus der Hand legen aufgrund der fehlenden Action, dafür dürfte es aber Leser ansprechen, die sonst eher nicht so gerne Krimis o.ä. lesen.


    Hakan Nesser beschreibt die Hauptcharaktere David und Viktor, aber auch Davids Schwester Maria und die alle etwas eigenen Bewohner der Rossvagga-WG Sara, Nervöser Persson und Bengt-Olle so genau, daß fast ein Psychogramm entsteht. Der Wechsel der Erzählperspektive kommt überraschend und ist äußerst gelungen.
    Während man sich vor allem am Anfang einige Seiten lang durch das Buch quälen muß, da unklar ist, worum es nun eigentlich geht, zu weit und umständlich wird an manchen Stellen ausgeholt, so wird spätestens ab dem Perspektivenwechsel der Fuß vom Bremspedal genommen und man will als Leser immer schneller immer weiter lesen und in die Psyche des undurchsichtigen Viktor eintauchen :-] .


    Im Laufe der Handlung wird eine subtile Spannung aufgebaut... lange wird der Leser in die Irre geführt, da alle Anzeichen auf einen bestimmten Täter hindeuten. Man denkt zu wissen, wer es war, fragt sich jedoch immer stärker nach dem Warum? für den brutalen Mord an Sara statt nach dem Wer?.
    Die Auflösung kommt dann überraschend, ist aber durchaus plausibel.


    Interessant finde ich, einmal hinter die eigentliche Handlung des Buches zu schauen.
    Das Thema "Bindung/Nähe - Distanz/Loslösen" wird aus allen möglichen Blickwinkeln dargestellt.
    David, der aus einer sogenannten "heilen" Familie kommt, verlässt seine Frau sowie seine Geliebte, als diese beide von ihm schwanger werden, entzieht sich komplett seiner Verantwortung, will ohne Bindung sein. Auch seine Schwester erscheint ihm oft fremd.


    Viktor, dessen Vater seine Mutter umgebracht hat und der seitdem im Ort als "Mörderkind" beschimpft wurde, hat einige gute, liebevolle Erinnerungen an seine Eltern und empfindet Davids Familie, bei der er nach dem Mord aufgenommen wird, als kalt und distanziert.
    Trotz seiner Stummheit ab dem 16.Lebensjahr gelingt es ihm Freundschaften zu knüpfen, zwar "nur" zu den sonderbarsten Gestalten des Dorfes, doch das Band dieser Freundschaften zwischen ihnen ist sehr stark.


    Nach seiner Auswanderung nach New York beschließt Viktor bewußt, keine engen Beziehungen mehr einzugehen, um keinen Schmerz mehr empfinden zu müssen, wenn ihm wieder genommen wird, was er liebt.
    Über lange Jahre lebt und arrangiert er sich mit seiner Einsamkeit. Bis er dann seine "dunkle Sarah" trifft, die es schafft, einen Zugang zu seinem Herzen zu bekommen.


    Dann ist da noch Maria, Einzelgängerin seit ihrer Kindheit, die sich stets an die falschen Männer bindet und letztendlich ihre zweite Ehe nur noch aushält.


    Am Ende des Buches kristallisiert sich heraus, daß


    Noch ein Pluspunkt: der oftmals vor Sarkasmus und Ironie triefende Schreibstil... einfach herrlich :grin !


    Mein besonderer Liebling im Buch: der alte, kranke Hund von Maria und ihrem Mann. Der schwedische Name passt einfach wie die Faust aufs Auge... jedes Mal, wenn ich "Skröppel" las, mußte ich grinsen und konnte mir diesen armen, alten Hund sehr lebhaft vorstellen.
    Skröppel :rofl .
    Mich würde interessieren, ob das im Schwedischen ein ganz normaler Hundename ist.


    Fazit: ein sehr lesenswertes Buch, das auch im Nachhinein noch nachdenklich macht.
    Von mir gibt´s 8 Punkte :-]

  • Dieses Buch hat mir meine Arbeitskollegin geliehen und ich machte mich sogleich daran es zu lesen.


    Ich muss sagen ich bin enttäuscht. :(


    Ich empfinde das Buch als schwierig zu lesen, und vorallem hat sich bei mir gar keine Spannung aufgetan.
    Ich fand es eher Langweilig. :daumenrunter


    Als ich in der Mitte des Buchs war habe ich es wieder abgegeben da ich mich absolut nicht dafür begeistern konnte, von mir 0 Pkte.

  • Anfangs war ich bei diesem Roman begeistert, bei dem ersten Erzählerwechsel wurde es dann etwas langatmig, um gegen Ende hin wieder zu brillieren.
    Auffällig ist, mit welcher Sorgfalt und Akkuratesse Nesser seine Figuren zeichnet und wie sehr er sich Zeit läßt, den Plot zu entwickeln. Hakan Nesser ist einer der Autoren, die wirklich Ahnung von Psychologie haben und dies in ihre Romane einfließen lassen.
    Bei "Die Schatten und der Regen" wird man mehrmals auf eine falsche Fährte gelockt, die Wendungen kamen für mich immer wieder überraschend und waren stilistisch toll ausgearbeitet.
    Als Erstrezensent hätte ich diesen Roman übrigens nicht als "Krimi/Thriller" eingestuft, er geht doch deutlich über dieses Genre hinaus.
    Insgesamt betrachtet ein gutes Buch, in meinen Augen nicht Nessers bestes, aber doch empfehlenswert.

  • 381 Seiten
    OT: Skuggorna och regnet
    Erschienen: 2004
    ISBN: 9783442736478


    Kurzbeschreibung:


    Erscheinungstermin: 14. September 2007


    Ist Viktor Vinblad tatsächlich ein Mörder? Oder hat man ihn vor Jahren zu Unrecht verdächtigt, als seine Jugendliebe ermordet wurde und er kurz darauf spurlos verschwand? Ist er etwa selbst einem Verbrechen zum Opfer gefallen? Erst als Viktor nach 30 Jahren plötzlich wieder am Ort des Verbrechens auftaucht, entzerren sich Mythos und Wirklichkeit. Was ist damals wirklich passiert?


    Über den Autor:


    "Lesen ist großartig, aber schreiben ist vielleicht noch großartiger", sagte Håkan Nesser einmal. Den deutschen Lesern ist er besonders durch die Reihe mit Kommissar Van Veeteren bekannt sowie durch die "Gunnar-Barbarotti"-Krimis. In Schweden sind seine Werke so anerkannt, dass zwei seiner Bücher zu Schulliteratur wurden: "Kim Novak badete nie im See von Genezareth" sowie "Und Piccadilly Circus liegt nicht in Kumla". Das freut den Autor besonders, weil er bis 1998 als Lehrer tätig war. Der 1950 in der schwedischen Gemeinde Kumla geborene Schriftsteller hat Geisteswissenschaften studiert und Englisch und Schwedisch unterrichtet. Er lebt heute mit seiner Familie in London und auf Gotland.


    Meine Meinung:


    Ist das ein Krimi? Vermutlich ja, die Auflösung einer vor dreißig Jahren begangenen Mordtat spielt in dem Roman tatsächlich eine Rolle, aber eigentlich eine Nebenrolle. Gezeigt wird wie dieses brutale Ereignis die Welt verändert für alle, die von ihm nur gestreift wurden. Wie alle sozialen Bezüge ins Wanken kamen und wie stark auch dreißig Jahre später dieses Ereignis das Leben der Menschen im Ort der Tat und im Umfeld der Tat betrifft. Neeser berichtet nicht im Stil eines Spannungsromans. Breit und ausführlich lässt er den kleinen Ort K. mit allen seinen Bewohnern vor dem Auge des Lesers erstehen, die gesamte Nachbarschaft, die Familienbeziehungen, die Schulzeit der zwei Jungen David und Viktor. Dabei ist der erste Teil als Bericht des alternden David verfasst, der in seine Heimatstadt zurückkehrt und gleichzeitig seine Frau, die ihn betrogen hat, zurücklässt. Er hat gehört sein alter Freund Viktor soll wieder aufgetaucht sein, Viktor den damals alle für einen Mörder hielten als er in der Nacht des Todes von Sara verschwand. In Rückblenden erzählt David die Geschichte seiner Jugend und die des Ortes K. bis er sich mit Viktor verabredet.


    Dann schaltet das Buch im zweiten Teil auf Viktors Perspektive um und dieser erzählt.


    Letztlich klärt sich auch, was damals passiert ist- wie immer kommt alles anders als gedacht und alle schlagen sich an den Kopf, weil das hätte man ja wissen können. Aber letztlich für mich fast mehr eine Familiengeschichte als ein spannender Krimi, aber gut unterhalten wurde ich von dem Buch.