Der 21. Dezember von Sabsi74
Winterliche Überraschung
„Muss ich wirklich über das Wochenende zu Tante Doris und Onkel Fritz?“ „Angela, du bist mit deinen 8 Jahren verdammt quengelig“ sagte Angelas Mutter fast schon entnervt. „Du weißt das dein Vater und ich Geschäftlich über das Wochenende wegmüssen und Oma schon in ihrem Weihnachtsurlaub ist. Dir wird es übers Wochenende bei Tante Doris gefallen, Silvia und Bernd sind auch da und werden mit Sicherheit was mit dir unternehmen.“ Angela fing an zu strahlen, Silvia, ihre Cousine sollte auch da sein. OK, es gab Hoffnung für dieses Wochenende. Ihre Cousine war älter als sie, eigentlich nur 9 Jahre aber für eine 8-jährige sind 9 Jahre Lichtjahre entfernt von ihrem Alter. Sie mochte Silvia, denn trotz des Altersunterschiedes hatten sie immer eine Menge Spaß zusammen. Bernd, ihr Cousin, war noch älter und zu ihm hatte sie so gut wie keinen Draht, er konnte wahrscheinlich nicht so gut mit Kindern. „Angi, nun komm endlich aus den Gängen und hör auf rumzutrödeln!“ Ok, jetzt war ihre Mutter wirklich entnervt und sie sollte es nicht weiter auf die Spitze treiben. In ihrer dicken Jacke stand sie mit ihrem gepackten Köfferchen im Flur, schaute hoch zu ihrem Vater und zog einen Schmollmund. „Engelchen, nun schau mich nicht so an. Ich kann doch auch nichts dafür“ entgegnete ihr Vater sanft. Sie war definitiv ein Papa Kind und wusste genau wie sie ihren Vater um den Finger wickeln konnte.Es half alles nichts, also auf zu ihrer Tante und ihrem Onkel aufs Land.Je weiter sie die Stadt hinter sich ließen um so weißer wurde die Landschaft. Schnee !!!!! In der Stadt machte Schnee keinen Spaß. denn er mutierte ziemlich schnell einfach nur zu Matsch. Die Autofahrt war lang und Angela müde als sie bei ihrer Tante endlich ankamen. Ihr Vater übergab sein Engelchen schnell in die Obhut seiner Schwester, drückte sie noch einmal fest und stieg wieder ins Auto. Ihre Mutter warf ihr noch eine Menge Kusshände zu die sie zurück warf und dann verschwand sie in das warme gemütliche Haus von Tante Doris. Nach einem kurzen Abendessen machten es sich Tante Doris und Angela auf der Couch bequem. Tante Doris hatte einen Disney Klassiker organisiert und so mummelten sie sich in Decken ein und schauten Cinderella. „Sag mal Tante Doris“ fragte Angela „wo sind eigentlich all die anderen?“ Tante Doris lächelte ihre Nichte an und sagt „Onkel Fritz hat heute Kegelabend, der kommt erst spät nach Hause. Bernd ist mit seinen Freunden unterwegs, den wirst du nur mit viel Glück dieses Wochenende sehen, denn entweder schläft er, oder ist mit seinen Freunden unterwegs. Sylvie ist mit ihrer Freundin im Kino und freut sich schon auf das Wochenende mit dir. Ihr seht euch morgen früh beim Frühstück.“ Am nächsten morgen krabbelte Angela aus ihrem Bett und lugte zwischen den Vorhängen hinaus. Mit strahlenden Augen riss sie die Vorhänge auf, alles war weiß. Nicht nur „gepuderzuckert“ wie ihr Vater immer sagte, sondern richtig dicker Schnee. Hui, das wird ein toller Tag dachte Angie sich und huschte ins Bad um sich anzuziehen. Als sie nach unten kam, saßen alle anderen, außer Bernd, bereits am Frühstückstisch. „Guten Morgen mein Engelchen, was habe ich dich vermisst!“ Nur zwei Menschen nannten sie Engelchen, Silvia und ihr Vater. „Ich habe mir für heute etwas tolles für uns überlegt“ zwinkerte Silvia ihr zu, „warst du schon einmal Schlittschuhlaufen?“ Angelas Augen weiteten sich „Ja, ein oder zweimal mit meiner Freundin und ihrer Mutter, aber ich kann es nicht besonders gut“ „Mhh“ machte Silvia, „dann wollen wir das an diesem Wochenende einmal ändern. Der See hier ist fest zugefroren und wir können gefahrlos Schlittschuhlaufen gehen“. Ja! Dachte Angela, daß wird ein super Wochenende! Sie verbrachte ein wundervolles Wochenende mit ihrer Cousine, mit viel Lachen, leckerem Essen, einem gemütlichen Abend und auch mit ein paar blauen Flecken. Eislaufen sah ja so einfach aus, aber es hat Angela viel Anstrengung und eine Menge blauer Flecken gekostet, doch jetzt konnte sie sich einigermaßen sicher und alleine auf Schlittschuhen halten. Am Sonntagabend holten ihre Eltern sie bei ihrer Tante wieder ab um wieder nach Hause in die Großstadt zu fahren. „Hattest du ein schönes Wochenende?“ fragte ihre Mutter liebevoll. „Ja und wie, Silvie hat mir Schlittschuhlaufen beigebracht. Ich weiß auch jetzt was ich mir zu Weihnachten wünsche.“ „Was denn? Einen neuen Pullover und ein paar Socken“ fragte ihr Vater scherzhaft. „ Neeeiiiiin!“ rief Angela „natürlich nicht! Ich wünsche mir Schlittschuhe zu Weihnachten!“ „Na dann wollen wir mal sehen ob der Weihnachtsmann das hinbekommt“ entgegnete ihre Mutter. Weihnachten kam schneller als Angela erwartet hatte, und sie bekam zu Weihnachten ihren Wunsch erfüllt und ihre Eltern schenkten ihr ein paar neue Schlittschuhe. Die ganzen Weihnachtstage lief Angela schon im Haus mit den Schlittschuhen an ihren Füßen herum. Natürlich mit einem Kufen Überzug. Die Schuhe mussten ja schließlich eingetragen werden! „Papa, gehst du mit mir Schlittschuhlaufen nach Weihnachten? Biiiittteee.“ „Ach Engelchen, du weißt doch zwischen Weihnachten und Neujahr steht die Inventur bei uns an und da werden Mama und ich keine Zeit haben.“ Angela zog eine Schnute, und schaute ihren Vater mit großen Augen an. Mit schwerem Herzen wand sich ihr Vater ab, denn er konnte diesen Anblick nicht ertragen. Angela fing heftig an zu weinen und verzog sich in die Arme ihrer Mutter. Angela verbrachte den ganzen Abend auf der Couch eingekuschelt mit ihrer Mutter und sah fern. Ihr Vater hingegen wuselte den ganzen Abend im Haus rum und ging jede Stunde mit einem Eimer raus auf den Hof. „Sag mal was macht Papa da eigentlich?“ fragte Angela irgendwann neugierig. „Ich habe keine Ahnung!“ sagte ihre Mutter, „aber lassen wir ihn einfach mal in Ruhe.“ Selbst als Angela an diesem Abend ins Bett ging, rannte ihr Vater ständig in den Garten, und das bei dieser Kälte dachte Angela. Immer noch traurig darüber, dass Angela nicht Eislaufen gehen konnte saßen sie alle drei am Frühstückstisch. Ihr Vater hatte unglaublich gute Laune, was Angela irgendwie seltsam vorkam. Normalerweise war ihr Vater ein Morgenmuffel der sich beim Frühstück hinter der Morgenzeitung versteckte. „So mein Engelchen“ sagte ihr Vater „jetzt gehst du bitte in dein Zimmer und ziehst dir etwas Warmes an, dann kommst du bitte in den Garten ich habe eine Überraschung für dich. Bitte nicht trödeln du weißt ich muss gleich ins Geschäft.“ Wie ein geölter Blitz zog sich Angela an und ging in den Garten wo ihr Vater sie erwartet. Der Garten war der ganze Stolz ihres Vaters, gut gepflegter Rasen in der Mitte geteilt mit einem gefliesten Gang bis zum Gartentor am Ende. „So mein Engelchen, da du nicht auf die Eisbahn kannst, kommt die Eisbahn halt zu dir!“ Angela sah verständnislos ihren Vater an. „Ich habe dir letzte Nacht eine Schlittschuhbahn gebaut. Der Gang ! Er ist eine einzige Eisfläche wo du Schlittschuhlaufen üben kannst, aber nur wenn jemand von uns hier ist!“ Angela strahlte ihren Vater an, er hatte für sie das unmögliche möglich gemacht. Er hatte ihr eine Schlittschuhbahn gebaut, und ist den vergangen Abend und Nacht immer wieder raus gegangen um Wasser über den Gang zu kippen. „Aber Walter“, sagte ihre Mutter „das macht doch die ganzen Fliesen kaputt!“ „Ach was soll es! In ein paar Jahren ist Angela alt genug alleine ins Eisstadion zu fahren wenn wir keine Zeit haben, und ich wollte sowieso neue Platten legen! Für mein Engelchen mache ich alles!“
Diese Geschichte ist zum Teil Fiktion und zum Teil wirklich passiert. Ich hatte tatsächlich als Kind eine Schlittschuhbahn im Garten, und ich möchte diese Geschichte allen Vätern widmen, die versuchen für ihre Kinder das unmögliche, möglich zu machen.
Für meinen Papa
W.M. *21.12.1935 †17.04.2012