Volker Kutscher - Olympia

  • Von den unangenehmen Veränderungen, die sich in den letzten Jahren zunehmend in Berlin ausgebreitet haben, ist plötzlich nicht mehr viel zu spüren, denn Deutschland will sich mit der Olympiade positiv in der Welt darstellen. Man befürchtet allerdings, dass die Kommunisten die Spiele sabotieren könnten. Daher muss der Todesfall im olympischen Dorf unbedingt ein natürlicher Tod sein, damit die Welt nur Positives sieht. Rath wird vom LKA abgezogen und soll für den SD in dieser Richtung unauffällig ermitteln, damit niemand die Todesursache anzweifeln kann. Aber Gereon Rath ist nun einmal wie er ist, er geht seine eigenen Wege, dabei muss er vorsichtig sein, denn Obersturmbannführer Sebastian Tornow wartet nur darauf, dass Rath einen Fehler macht. Während Gereon seine Ermittlungen führt, zieht Charly wieder zu ihrer Freundin Greta, denn sie ist wütend, weil Gereon gegen ihren Willen amerikanische Olympiatouristen aufgenommen hat. Ein Zeuge mit kommunistischer Vergangenheit wird festgenommen, obwohl Rath von seiner Unschuld überzeugt ist. Dann geschieht noch ein weiterer Mord und bald zeigt sich, dass der letzte Fall noch sein Nachspiel hat. Gereon befürchtet schon, dass Marlow wieder in der Stadt ist. Es wird immer enger für Rath. Wird er heil aus der Sache herauskommen? Ich hatte schon sehnsüchtig auf die Fortsetzung der Rath-Reihe gewartet und auch dieses Mal wurde ich nicht enttäuscht. Volker Kutscher geling es immer wieder mich zu packen. Beim Lesen konnte ich gut nachvollziehen, wie man sich fühlen muss, wenn man kein freund des Systems ist und immer ganz vorsichtig sein muss, weil man denunziert werden könnte. Rath hat immer versucht unter dem Radas der Nazis zu bleiben, doch dass ist nun nicht mehr möglich. Auch der Berliner Pflanze Charly fällt es immer schwerer, in diesem Deutschland zu leben, in dem Recht und Gesetz keine Bedeutung mehr haben. Obwohl die Raths in diesen Zeiten mehr den je zusammenhalten sollten, haben sie immer noch Geheimnisse voreinander. Mir aber hat Fritze leidgetan, der den Boden unter den Füßen verloren hat. Er, der Junge von der Straße, war stolz darauf, die weiße Uniform des Jugendehrendienstes zu tragen. Bei den Raths hat er sich wohl gefühlt, doch dann hat ihn das Jugendamt in die Familie von HJ-Führer Rademann gesteckt. Doch dann verliert er das Vertrauen in alles, was ihm wichtig war. Dieser Wechsel zwischen Olympia-Euphorie und den Machenschaften, die im Hintergrund laufen, war schon erschreckend. Aber es war auch spannend zu erleben, wie Rath in seinem Fall weiterermittelt, obwohl die Leine, an die man ihn hält, immer kürzer wird. Dann hat es auch noch jemand auf sein Leben abgesehen. Am Ende wird es sehr dramatisch und für mich bleiben eine Menge Fragen offen. Leider wird es wohl wieder lange zwei Jahre dauern, bis ich hierauf Antworten bekomme. Ein großartiger, gut recherchierter Kriminalroman, der mich wieder von Anfang an gefesselt hat.

    10/10


    ASIN/ISBN:

    ASIN/ISBN: 3492070590

  • Eigentlich wollte Kutscher ja mit der Olympiade die Reihe beenden. Das hat er aber überdacht und möchte jetzt mit der Reichsprognomnacht 1938 enden. Also noch mindestens 2 weitere Gereon-Bücher.


    Hurra :freude

    Hollundergrüße :wave



    :lesend


    Ninni Schulman - Den Tod belauscht man nicht

    Hanna Caspian - Im Takt der Freiheit


    (Die Freiheit des Menschen liegt nicht darin,

    daß er tun kann, was er will,

    sondern daß er nicht tun muß,

    was er nicht will - Jean Rousseau)

  • Berlin, 1936: Ein Toter im olympischen Dorf, noch dazu ermordet – für das von diesem Ereignis erhoffte Prestige für das Deutsche Reich ist das gar nicht gut, womöglich handelt es sich sogar um eine Verschwörung. Man kommandiert daher Gereon Rath in die Polizeiwache vor Ort ab, damit er den Vorfall heimlich untersuchen kann.


    Gereon hat sich erpressbar gemacht, Charlie tut zusammen mit Wilhelm Böhm Dinge, die sie in große Gefahr bringen könnten und Fritze wurde in eine neue Pflegefamilie gegeben – wo wir die Charaktere im letzten Band verlassen haben, treffen wir sie nun wieder. Die Hintergrundgeschichte rund um die Olympiade ist gut gewählt, sie war ein herausragendes Ereignis jenes Jahres und zeigt einmal mehr die Wahrheit hinter der Fassade der nationalsozialistischen Partei, man muss nur genau hinschauen. Nebenerzählungen, wie die um Fritz, der als Mitglied des Ehrenjugenddienstes auch im olympischen Dorf ist, oder um Herbert Ehlers, der verdächtigt wird und schließlich in den grausamen Mühlen des Nationalsozialismus gerät, sowie Charlies aus heutiger Sicht naive Bemühungen, für Gerechtigkeit zu sorgen – all das lässt den Leser mehr als einmal schlucken.


    Der Autor erzählt gewohnt atmosphärisch und nimmt den Leser mit in das nationalsozialische Deutschland, das olympische Dorf, das Olympiastadion, aber auch an andere Orte, das Kopfkino hat zu tun, man hat oft das Gefühl, mittendrin zu sein, und das ist nicht immer schön – bedenkt man Zeit und Ort.


    Der ursprüngliche Fall weitet sich immer mehr aus und wird immer komplexer, Gereon und auch Charlie verstricken sich mehr und mehr, und schließlich wird klar, dass sie besser das Land verlassen sollten – doch auch das ist – natürlich – wesentlich schwieriger als erwartet. Mit dem Ende dieses Romans hätte ich dann in dieser Form nicht gerechnet. Band 8 der Reihe scheint dieser ein Ende zu setzen, doch erst kürzlich las ich, dass der Autor zehn Bände geplant hat – wie das nach diesem Ende aussehen soll, kann ich mir derzeit nicht vorstellen, ich bin gespannt.


    Band 8 hat die Reihe gelungen weitererzählt, der historische Hintergrund, der Fall und die Geschichten der Charaktere sind wie gewohnt gut miteinander verwoben. Ich empfehle die Romane der Reihe nach zu lesen, gerade die letzten bauen sehr aufeinander auf. Ich vergebe 8 Punkteund eine Leseempfehlung für die gesamte Reihe.

  • „Olympia“, der achte Band aus der Reihe um Gereon Rath, spielt 1936, zur Zeit der olympischen Spiele in Berlin. Die Stadt pulsiert nach wie vor und gibt sich weltoffen, eine kurze Verschnaufpause im für Juden und nicht Regime-Angepasste immer gefährlicher gewordenen Berlin respektive Deutschland. Doch im Hintergrund gärt es und die Maschinerie um SS und Gestapo ruht natürlich auch in diesen Zeiten nicht.


    Gereon Rath ist zwar immer noch Oberkommissar und als solcher Kriminalbeamter, er ist durch die Verstrickungen in der Vergangenheit jedoch verstärkt dem SD und damit der SS unterstellt. Dies macht es ihm zunehmend schwer, ordentliche Ermittlungsarbeit zu leisten, zumal die von ihm erwarteten Ergebnisse meist nicht den Tatsachen entsprechen dürfen. Der Polizeiapparat ist am Boden, wahre Gerechtigkeit – Fehlanzeige.


    In diesem Roman gibt es gleich mehrere Mordfälle, die alle eines gemeinsam haben: Sie werden nur halbherzig polizeilich verfolgt oder vielmehr von der Öffentlichkeit ferngehalten. Der Fokus liegt auch gar nicht so sehr auf der Aufklärung der jeweiligen Vorkommnisse, sondern eher auf dem Verhalten der Staatsgewalt. Ein eindrückliches Zeugnis, wie das nationalsozialistische Regime funktioniert, wie Außenstehende eingeschüchtert werden, welche Macht eine Uniform hat und wie wertlos das eigene Leben werden kann, wenn man in diesen Zeiten nicht angepasst und regimekonform lebt.


    Für Gereon und Charly wird es immer brenzliger in ihrer Stadt. Die eigene Meinung gilt nicht mehr, wer auffällig wird, wird aus der Öffentlichkeit entfernt, landet gegebenenfalls unschuldig im Konzentrationslager. Es sind diese Nebenschauplätze, die den Terror dieser Zeit besonders anschaulich machen. Denn auch wenn die Öffentlichkeit den Trubel um die olympischen Spiele genießt und Gäste aus aller Herren Länder empfängt, es wird sehr deutlich, dass dies alles nur Mittel zum Zweck ist, dass diese olympischen Spiele allein für das Ansehen Deutschlands in der Welt missbraucht werden.


    Und so geht diese olympische Geschichte für keine der hier handelnden Personen und auf lange Zeit liebgewonnenen Figuren gut aus. Nicht für Fritze, nicht für Charly, nicht für Gereon. Dieser Roman ist für mich der bisher düsterste in der ganzen Reihe und ich nehme Herrn Kutscher die dunkle und alles beherrschende Grundstimmung zu jeder Zeit ab. Dieses Berlin hat nichts mehr von den goldenen Anfangsjahren der Reihe und es wird für die Raths immer schwieriger, unbehelligt zu leben. Wie es im Folgeband wohl weitergehen mag, darauf bin ich schon sehr gespannt. Dass es weiterhin Zündstoff gibt und es sicher nicht einfacher für Rath und seine Lieben werden wird, das ist zu erwarten.


    Für dieses großartige Stück Zeitgeschichte gibt es von mir 9 Eulenpunkte. Leseempfehlung!