Franz Hohler - Das Päckchen

  • Franz Hohler - Das Päckchen


    Inhalt:


    Bibliothekar Ernst Stricker möchte vom Berner Hauptbahnhof aus nur seine Frau Jacqueline anrufen, um ihr zu sagen, dass er mit einem späteren Zug zurückreisen wird. Als das Telefon in der Zelle nebenan zu läuten beginnt und sich niemand um ihn herum angesprochen zu fühlen scheint, nimmt er den Hörer ab. Die Stimme einer älteren Frau bittet ihn dringend, zu ihr zu kommen und ein Päckchen mitzunehmen. Zunächst zögert Ernst, doch dann geht er zur angegebenen Adresse und bekommt das Päckchen in die Hand gedrückt. Zuhause öffnet er es und findet darin eine verschollene Handschrift aus dem 8. Jahrhundert, ihr Wert ist unschätzbar. Ernst ist mehr als nur überrascht: wie kommt dieses Buch zu der alten Frau in der Berner Gerechtigkeitsgasse? Wem wollte sie es ursprünglich geben und vor allem: was soll er jetzt damit machen?


    Mein Leseeindruck:


    Von Franz Hohler kenne und liebe ich bisher nur seine Kurzgeschichtensammlungen und als ich diesen Roman entdeckte, war klar, dass ich ihn auch lesen möchte.


    Aus den Kurzgeschichten wusste ich schon, dass Hohler gerne ganz normale Menschen in absonderliche Abenteuer schickt und sie dort handeln lässt, als wäre an der Situation überhaupt nichts Besonderes. Das macht er hier auch, und einfach dadurch, dass ein Mann noch etwas Zeit bis zur Abfahrt seines Zuges hat und ein geheimnisvolles Päckchen mitnimmt, kommt ein Stein ins Rollen. Doch der Stein donnert nicht wie eine Lawine ins Tal, er rollt gemächlich, aber unausweichlich in eine Richtung, die von keiner der handelnden Personen aktiv geändert werden kann. Alles erscheint folgerichtig und ist gleichzeitig doch komplett absurd.


    Die Geschichte wird auf zwei Zeitebenen erzählt. Einmal folgen wir im Heute dem Bibliothekaren Ernst Stricker, der dem Geheimnis der Handschrift auf den Grund gehen will und sich dabei auch selbst in Gefahr bringt. In der zweiten Zeitebene, die im 8. Jahrhundert angesiedelt ist, lernen wir den Mönch Heimo kennen, der für seinen Abt eine Handschrift erstellen muss und diese zum Kloster Montecassino nach Italien bringen soll. Normalerweise mag ich zwei Zeitebenen gar nicht so, denn oft ist eine viel interessanter als die andere, die dann nur beim Lesen stört. Hier fand ich beide Geschichten sehr spannend und gleichwertig nebeneinander gestellt. Das Ende, in dem Hohler die Fäden zusammenführt, habe ich als sehr versöhnlich empfunden.


    Hohlers Schreibstil ist eher trocken. Das passt ganz hervorragend zu der Geschichte, denn genau das macht das Absurde so normal, dass man als Leser gar nicht mehr weiß, was man von der Sache halten soll.


    Für dieses Buch kann ich eine klare Leseempfehlung aussprechen, das Lesen hat sich für mich sehr gelohnt.


    ASIN/ISBN: 3630875599