Da wir für eine offizielle Leserunde nicht genügend Teilnehmer haben, tauschen wir uns hier über das erste Buch von Beauvoirs Klassiker des Feminismus aus. "Das andere Geschlecht" erschien zuerst 1949 und untersucht die Stellung der Frau in der Gesellschaft unter vielen Aspekten.
Zur Einleitung:
Beauvoir beginnt, indem sie die Unterschiede zwischen dem Anders einer Gruppe, z.B. den Juden oder "Schwarzen", gegenüber den "Weißen" definiert im Unterschied zu dem anderen, weiblichen Geschlecht, das eine unterschiedliche Wertigkeit hat. Während sich die Männer der oben genannten Gruppen unter sich selbst als das "Eine" setzen können und damit zum Subjekt werden, ist dies der Frau bisher nicht möglich, weil sich 1. alle Männer - auch die der anderen Gruppen - darüber definieren, dass sie das eine und einzige vollkommen Menschliche sind, 2. weil die von den Männern gesetzte Andersartigkeit der Frau innerhalb des Menschseins von Anbeginn existiert, also keiner historischen Phase zugehört und daher nicht mit der Perspektive auf Befreiung gesehen werden kann, 3. weil sich die Frauen je nach Klassen-, Gruppen- und Familienzugehörigkeit in einer Art Symbiose mit den Männern befinden, obwohl diese die Macht haben und die Frauen sich daher nicht untereinander solidarisieren.
Sie will die Frage ergründen, wie es zu dieser jahrzehntausende langen Unterjochung kam und warum sich die Frauen, obwohl sie die Hälfte der Menschheit umfassen, nie dagegen gewehrt haben.
Ich habe vorher - zu meiner Schande sei es gesagt - noch nie ein feministisches Werk außerhalb der Belletristik gelesen und finde Beauvoirs Ansatz bisher sehr erhellend und gar nicht zopfig. Natürlich sind wir heute weiter als zur Mitte des letzten Jahrhunderts, aber gerade jetzt gibt es wieder Rückschritte, weil viele Männer im Zuge der Chauvinisierung von Politik und Gesellschaft zu der von Beauvoir geschilderten Einstellung der Annahme von sich als des Einen zurückkehren (falls sie sie jemals überwunden haben sollten).