Die Stadt am Ende der Welt - Thomas Mullen

  • Die Stadt am Ende der Welt

    Thomas Mullen

    Dumont

    ISBN 3455051820

    480 Seiten, 18 Euro (broschiert)


    Über den Autor: Thomas Mullen wurde 1974 in Rhode Island geboren. 2006 erschien sein Debütroman ›Die Stadt am Ende der Welt‹, der von der Zeitschrift USA Today als »Bester Debütroman des Jahres« und von der Zeitung Chicago Tribune als eines ihrer »Books of the Year« benannt wurde. Bei DuMont erscheint außerdem seine von Publikum und Presse gefeierte ›Darktown‹-Trilogie, die nach ›Darktown‹ (2018) und ›Weißes Feuer‹ (2019) mit ›Lange Nacht‹ (2020) ihren Abschluss findet. Thomas Mullen lebt mit seiner Familie in Atlanta.


    Aus aktuellem Anlass wurde dieses Buch, das bereits 2007 in Deutschland erschienen ist, erneut aufgelegt. Der Anlass ist die Corona-Pandemie, denn der Roman, dessen Thema die Grippe-Pandemie 1918 ist, zeigt einige Parallelen zur heutigen Zeit und lässt sich heutzutage anders betrachten als 2007.


    Thomas Mullen schreibt in seinem 2020 aktualisierten Nachwort, dass er sich damals mit dem Thema der Spanischen Grippe beschäftigt hat, da es fast aus dem Bewusstsein der Menschen verschwunden war. Er hatte bei seinen Recherchen erfahren, dass es Städte gab, die sich von der Außenwelt abgeschottet hatten, um durch diese strenge Quarantänemaßnahme von der Krankheit verschont zu bleiben. So entstand seine fiktive Stadt Commonwealth, mitten in den Wäldern des Staates Washington gelegen; eine Holzfällerstadt mit einem Sägewerk, dessen Bewohner sich und ihre Familien beschützen wollen, indem sie die Zufahrtstraße zur Stadt blockieren und bewachen.


    Eines Tages sind die Jugendlichen Graham und Philip zur Wache eingeteilt und Graham erschießt einen halb verhungerten Soldaten, der sich nicht abweisen lassen will. Als Philip kurze Zeit später allein an der Stadtgrenze in eine ähnliche Situation kommt, entscheidet er sich anders und will den Mann heimlich in einem abgelegenen Lagerhaus für eine Nacht unterbringen und versorgen. Von den anderen dabei erwischt, muss er gemeinsam mit dem Mann in dem Lagerhaus in Quarantäne bleiben. Nach seiner Freilassung bricht die Grippe in der Stadt aus und er muss sich vorwerfen lassen, die Krankheit in die Stadt gebracht zu haben.


    Thomas Mullen hat für seinen Roman sehr gut recherchiert, hat seine Figuren gut ausgearbeitet und aufgezeigt, wie sich eine Gesellschaft durch eine Pandemie verändern kann. Die Bedrohung durch eine Krankheit scheint damals wie heute bestimmte Verhaltensweisen des Menschen hervorzurufen, die nicht immer sozial und human zu nennen sind.

    Eigentlich hätte dieser Roman mit solch einem aktuellen Bezug eine spannende Lesezeit bieten können, doch sollte ich das Buch mit kurzen Schlagwörtern beschreiben, so fielen mir nur „trostlos“, „freudlos“, „düster“ und „deprimierend“, sowie „zu langatmig“ ein. Es gibt einfach keine Lichtblicke, keinerlei positive Momente in dieser „Stadt am Ende der Welt“. Der Autor gönnt seinen Figuren keine Ruhe, er lässt sie von einem dunklen Moment in den nächsten stürzen und zieht das Leiden durch langatmige Beschreibungen in die Länge.


    Mullen hat in seinem Nachwort ein gutes Buch in dieser Zeit als tröstlich beschrieben – leider lässt sein Buch genau diese Eigenschaft vermissen.


    ASIN/ISBN: B08D2TX5YC

  • Die Stadt am Ende der Welt - Thomas Mullen

    Übersetzt aus dem Englischen von Gerlinde Schermer-Rauwolf und Robert A. Weiß.


    Mein Eindruck:

    Ich schließe mich Eskalinas Meinung weitgehend an.


    Mich interessierte, wie unterschiedlich sich die beiden zentralen Figuren in einer vergleichbaren Situation verhalten.

    Graham und Philip sind Wächter an der Grenze zur abgeschirmten Stadt Commonwealth im Staat Washington im Jahr1980. Die spanische Grippe wütet, daher darf niemand in die Stadt hinein.

    Als ein Mann hinein will, erschießt Graham ihn.

    Kurze Zeit später steht der erst 16jährige Philip Worthy vor der gleichen Problematik und er entscheidet sich für einen anderen Weg.


    Ich habe vermieden, die Handlung des 2006 entstandenen Romans als Parallele zu Corona zu lesen. Der Autor bringt diesen Vergleich in seinem Nachwort von 2020 aber leider selbst ins Spiel.

  • Ich muss ehrlich zugeben, dass mich das Buch sehr überrascht hat. Nicht nur, weil es unserer aktuellen Situation so ähnlich ist, sondern auch, weil ich nach der Lektüre komische Reaktionen an mir festgestellt habe. Ich zucke beispielsweise zusammen, wenn jemand länger anhaltend hustet und denke sofort an “Die Stadt am Ende der Welt”. Verrückt, ich weiß, aber das legt sich auch wieder.


    Der erste Weltkrieg hat die Menschheit fest im Griff, aber in der Kleinstadt Commonwealh, die Charles Worthy gegründet hat um für die Arbeiter seines Sägewerks bessere Bedingungen zu schaffen, bekommt man von all dem gar nicht so viel mit. Als in der Nachbarstadt Timber Falls und in den umliegenden Städten die spanische Grippe ausbricht, treffen die Bewohner von Commonwealth die Entscheidung den Ort abzuriegeln und mit Wachposten zu sichern. Wir hätten aber keine Geschichte, wenn die Isolation des Ortes gelungen wäre. Man kann sich also denken, dass die spanische Grippe auch in Commonwealth wütet.


    Obwohl das Buch schon 2006 veröffentlicht wurde, ist es nun aktueller denn je. Der Autor hat sehr gut recherchiert und zusätzlich seine Fantasie spielen lassen. Für mich las sich das Buch wie eine Spiegelung unserer aktuellen Situation seit März. Nicht nur, dass man erst glaubte, dass die Grippe schon nicht in die Heimat kommt, sondern auch der Umgang mit dem Virus von Seiten der REgierung und auch der Einwohner. Thomas Mullen hat nicht nur den ortsansässigen Arzt zu Beginn der Pandemie bis zur Erschöpfung durch das Dorf laufen lassen, er hat auch all die Bewohner auf verschiedene, heute auch überall zu findende Art und Weisen, porträtiert. Das war wirklich spannend zu sehen, wie die einzelnen Phasen der Pandemie im Roman ablaufen und einen Vergleich mit heute zu ziehen.


    Mir hat das Buch außerordentlich gut gefallen, allerdings habe ich auch auf keine Art ein richtiges Problem mit Corona bisher gehabt, weder Krankheitsfälle im direkten Umkreis noch größere finanzielle Probleme, nur das übliche, was einen ab und an mal nervt. Wer auf das Thema nicht gut zu sprechen ist, sollte lieber die Finger von dem Buch lassen. Allen anderen kann ich es empfehlen, einfach um mal zu sehen, dass das Verhalten einiger Menschen in der heuteigen Zeit wohl doch normal ist.